Der Münchner Transfersommer erweist sich als äußerst zäh. Abgänge gibt es einige. Auf den einen oder anderen Neuzugang in der Defensive oder auf dem offensiven Flügel wird immer noch gewartet. Gut möglich, dass die Bayern erst spät in der Saisonvorbereitung Vollzug melden können und Trainer Kovac deshalb erst einmal improvisieren muss. Vielleicht kommt auch keiner mehr.

Steffen Meyer
Eine Kolumne

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Der Bayern-Coach gab unlängst dem "kicker" einen Einblick in seine Überlegungen. "Wenn wir keinen zusätzlichen Außenstürmer bekommen, stellen wir von Fall zu Fall eine Dreierkette plus zwei hoch stehende Außenverteidiger."

Die Idee dahinter ist klar: Fällt einer der gesetzten Flügelspieler Coman oder Gnabry aus, könnte Kovac dies durch taktische Varianten mit einem 3-5-2 oder im 5-4-1 auffangen. Hier werden Spieler wie Thiago auf der 8er-Position in den offensiven Halbräumen deutlich wichtiger. Die Außenpositionen könnten von balancegebenden, laufstarken Spielern abgedeckt werden.

Wo spielt Kimmich?

Möglichkeiten für solch hochstehende Außenverteidiger gibt es genug. David Alaba wäre prädestiniert für eine solche Rolle, weil er genügend Offensivdrive besitzt und gleichzeitig auch einrückend spielen kann.

Auch Neuzugang Benjamin Pavard könnte auf der anderen Seite ähnlich agieren. Joshua Kimmich sowieso. Er könnte jedoch auch frei werden für eine zentralere Position im Mittelfeld mit der er ohnehin seit Längerem liebäugelt. Youngster Alphonso Davies, der ohnehin auf einer etwas tieferen Außenverteidigerposition getestet werden soll, kommt einem ebenfalls in den Sinn.

Guardiola hatte mit der Dreierkette Erfolg

Ohnehin ist es überfällig, dass Kovac sich auch in München neben seinem favorisierten 4-2-3-1/4-3-3-Mix endlich die Dreierkette zutraut. In Frankfurt hatte er mit wechselnden Systemen Erfolg und setzte dabei häufig auf eine Mischung aus Dreier- und Fünferkette. In München sammelte Pep Guardiola damit ebenfalls gute Erfahrungen. Auch das aktuelle Spielermaterial schreit geradezu nach dieser Variante.

Niklas Süle wäre hier als zentraler Verteidiger gesetzt. Daneben könnten Hernandez, Pavard oder sogar Alaba und Javi Martínez spielen. Auch Jerome Boateng hat hier schon überzeugende Leistungen gezeigt. Ob er zum Saisonstart noch da ist, bleibt allerdings fraglich.

FC Bayern: Schnelle Ballzirkulationen als Grundlage

Die Vorteile einer Dreierkette für Bayerns Spiel sind klar: Wenn Kovac in München die Dreierkette einführen sollte, wird er sie sicher nicht so defensiv ausrichten wie in Frankfurt.

Eine Formation mit Dreierkette bietet aufgrund der natürlichen Feldpositionierungen der Spieler eine Chance auf eine Vielzahl an Dreiecksbildungen und Überzahlsituationen, ohne dass sich dafür wie bei einem 4-2-3-1 einer der Abwehrspieler aus dem Defensivverbund nach vorn lösen muss.

Die breite Staffelung der drei Abwehrspieler im Aufbauspiel öffnet Räume und schafft zusätzliche Möglichkeiten sich zum Beispiel aus einem Pressing zu befreien. Beides ist die Grundlage für schnelle Ballzirkulationen. Ein wichtiges Element in Bayerns Spiel.

Formation mit Dreierreihe kommt Bayerns Spiel entgegen

Auch defensiv bietet die Dreierkette Vorteile. Auch wenn damit im Vergleich zur Viererkette ein Spieler fehlt, können drei Verteidiger gerade in der Konterabsicherung einen deutlich größeren Raum abdecken, als es die meist übrig bleibenden zwei Innenverteidiger in einer Viererkette tun. Weil die Außenverteidiger der Viererkette beim FCB weit vorschieben, entstehen bei Ballverlusten und anschließenden Kontern in ihrem Rücken häufig die Räume, die der Gegner für gefährliche Angriffe nutzen kann. Eine Dreierkette, die allerdings exzellent aufeinander abgestimmt und eingespielt sein muss, kann das besser abfedern. Optimal ausgerichtet bietet die Dreierkette gerade für Bayerns Spiel so viele Vorteile, dass es fahrlässig wäre, weiter auf diese Option zu verzichten.

Es war schon im vergangenen Jahr etwas verwunderlich, warum die Dreierkette für Kovac trotz der guten Erfahrungen in Frankfurt keinerlei Rolle spielte. Vielleicht zwingt ihn der immer noch etwas schiefe Kader nun dazu, ein Umdenken einzuläuten.

Süle in jeder Formation die klare Nummer eins

Auch unabhängig von der Formation wird spannend zu beobachten sein, wie sich die Rangordnung in der Defensive sortiert. Süle wird von Kovac und den Bossen als klare Nummer eins gepriesen. 80 Millionen-Mann Lucas Hernández dürfte allein wegen der Ablöse eine gehobene Rolle spielen. Daneben wird Benjamin Pavard um Einsatzzeiten kämpfen. Nachwuchstalent Lars-Lukas Mai genießt im Verein einen guten Ruf. Gut möglich, dass er als Nummer vier aufrückt, wenn Boateng den Verein verlässt. Bayerns Interesse an Ozan Kabak, der sich letztlich für den FC Schalke 04 entschied, zeigt jedoch, dass die Bayern auch in der Defensive noch an der Kaderplanung basteln.

So oder so: Kovac hat deutlich mehr taktische Möglichkeiten als es das vergangene Jahr andeutete. Es wird Zeit, dass er sie nutzt.

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