Deutschland zeigt in der Nations League bisher schwankende Leistungen und bleibt gegen die großen Nationen unter Hansi Flick sieglos. Der Bundestrainer ist dennoch optimistisch - und verweist zu Recht auf einige positive Dinge.

Eine Analyse
Dieser Text enthält eine Einordnung aktueller Ereignisse, in die neben Daten und Fakten auch die Einschätzungen des Autors einfließen. Hier finden Sie Informationen über die verschiedenen journalistischen Textarten.

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Die deutsche Nationalmannschaft hat ein kleines Problem. Zwar ist sie mit Bundestrainer Hansi Flick auch nach elf Spielen noch immer unbezwungen. Auf die acht Siege zum Start folgten zuletzt aber drei Remis gegen die Niederlande, Italien und England. Einen der sogenannten Großen konnte Flicks Mannschaft also noch nicht schlagen.

Ein knappes halbes Jahr vor dem Start der Weltmeisterschaft und im Rahmen der sportlich eher zu vernachlässigenden Nations League mag das zu verschmerzen sein. Für eine Mannschaft auf der Suche nach ihrer Identität wäre so ein Sieg gegen Italien oder am Dienstagabend in München gegen die Engländer dann aber doch ganz nützlich gewesen.

Licht und Schatten wechseln sich ab

Entsprechend missmutig - zumindest für seine Verhältnisse - war der Bundestrainer nach der Partie in der Allianz Arena. Fast schon trotzig verwies er in seiner Analyse darauf, dass er stolz auf seine Mannschaft sei. Die Art und Weise des Auftritts sei sehr gut gewesen, das Ergebnis leider nicht. Prinzipiell sieht er seine Mannschaft auf dem richtigen Weg, aber noch lange nicht am Ziel.

"Wir haben ein tolles Spiel gezeigt und uns leider nicht belohnt. Vielleicht hätten wir noch eins nachlegen können. Man muss einfach sehen, dass wir gegen England gespielt haben, eine Topmannschaft. Die Art und Weise, wie wir Fußball gespielt haben, ist genau das, was wir wollen: Mutig zu sein, den Gegner unter Druck setzen - das ist genau das, was wir wollen."

Tatsächlich schaffte es die deutsche Mannschaft anders als gegen Italien wenige Tage zuvor, dem Gegner ihr Spiel aufzudrängen - und nicht andersrum. Gegen den Europameister mit seiner völlig neu zusammengestellten Mannschaft hatte Deutschland erhebliche Probleme, kam mit dem aggressiven und sehr frühen Pressing ebenso wenig zurecht wie mit dem mannorientierten Verteidigen der Italiener.

Positiv war die schnelle Reaktion nach dem italienischen Führungstreffer: 28 Ballaktionen ohne Unterbrechung zählte Flick da vom Anstoß weg, ehe Joshua Kimmich den Ball ins Netz beförderte. Sein Fazit: Die Moral in der Mannschaft stimmt, die Widerstandsfähigkeit bei Rückschlägen ist da.

Ewige deutsche Länderspielliste: Thomas Müller holt Lahm ein

Thomas Müller hat gegen England seinen 114. Einsatz im DFB-Dress absolviert und damit im Ranking der "ewigen" deutschen Länderspielliste seinen früheren Mitspieler und 2014er-Weltmeister Philipp Lahm überholt. Müller belegt nun allein den fünften Platz. (Bild: imago)

Allerdings sah Flick in Bologna auch ein paar negative Dinge zu viel, sowohl im mannschaftstaktischen Bereich als auch bei einzelnen Spielern. Das Herauslösen aus engen, umkämpften Räumen war da ein Problem, ebenso die Bewegungen ohne Ball im Positionsspiel, die Übergaben zwischen den Mannschaftsteilen, aber auch in der deutschen Innenverteidigung.

Handwerklich war da einiges zu bemängeln, aber immerhin lieferte das Hitzespiel schon einen Vorgeschmack auf das, was die Mannschaft in wenigen Monaten in Katar erwarten könnte. Zumindest bei den Trainingseinheiten, die nicht in den gekühlten Stadien abgehalten werden, dürfte die körperliche Belastung ähnlich sein.

David Raum nutzt seine Chance

Gegen England konnte die deutsche Mannschaft den Flick-Fußball, den man wohl auch bei der WM erwarten kann, besser durchsetzen, da die Gäste deutlich weniger hoch anliefen. Mit der entsprechenden Ruhe im Aufbau und dann auch der nötigen Tiefe im letzten Drittel - abgesichert durch eine gute Staffelung im eigenen Ballbesitz, um schnell ins Gegenpressing zu kommen, und eine teilweise unverschämt hohe Restverteidigung.

Es gab Phasen in dem Spiel, da waren alle deutschen Feldspieler im letzten Drittel postiert, mit Antonio Rüdiger als Absicherung zehn Meter jenseits der Mittellinie. Bei sachgemäßer Anwendung erdrückt man den Gegner damit - fällt aber auch nur ein Mosaiksteinchen aus oder ein Spieler im Pressing durch, wird es sofort gefährlich.

Immerhin dürften beim Bundestrainer aber einige Erkenntnisse immer mehr reifen. David Raum hat seine Chance genutzt und sich in Abwesenheit von Robin Gosens mit Nachdruck für den Job auf der linken Abwehrseite empfohlen. Überhaupt ist die Viererkette das Mittel der Wahl, wobei die Besetzung der rechten Seite ein Problem bleibt. Lukas Klostermann oder Benjamin Henrichs scheinen nicht die Idealbesetzung, Jonas Hofmann ist eine Linie weiter vorne oder als Schienenspieler neben einer Dreierkette besser aufgehoben.

Das Bayern-Gerüst plus Antonio Rüdiger

Auch für Ilkay Gündogan muss Flick im 4-2-3-1 noch eine Position finden. Gündogan war auf der Doppel-Sechs gegen England an der Seite von Kimmich stark, fühlt sich grundsätzlich aber im Halbraum und etwas offensiver eingesetzt deutlich wohler und hat in Leon Goretzka im zentralen defensiven Mittelfeld die größtmögliche Konkurrenz.

Im Angriff hapert es noch im Torabschluss. Deutschland spielt ohne klassischen Torjäger, stattdessen teilen sich Timo Werner und Kai Havertz die Position der falschen Neun. Mehr Alternativen gibt es kaum, wobei Havertz im Vergleich zum immer ein bisschen zu bemüht wirkenden Werner den deutlich besseren Eindruck hinterlassen hat.

An der bayerischen Blockbildung wird Flick wohl nichts mehr ändern, die Spieler des Rekordmeisters bilden das Grundgerüst der Mannschaft und stellen die zentralen Führungsfiguren. Antonio Rüdiger gesellt sich da mittlerweile dazu, der Bald-Real-Spieler kristallisiert sich immer mehr als Abwehrchef heraus.

Schon am Samstag geht es in Ungarn weiter, danach folgt das Rückspiel gegen Italien. Der Spielplan mit gleich vier Partien in Folge macht aus der Nations-League-Kampagne ein vorgezogenes Trainingslager, die Spieler sind dann fast drei Wochen zusammen. "Nach den vier Spielen machen wir ein Fazit und schauen, wie weit wir sind" wollte sich der Bundestrainer noch nicht zu einem Resümee verleiten lassen, gab aber einen Ausblick: "Im September folgt dann der Feinschliff, daher ist dieser Monat für uns sehr wichtig."

Verwendete Quellen:

  • Kicker: Enttäuschung beim DFB? - Müller: "Wir spielen immer noch Nations League"
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