• Christoph Kramer, Per Mertesacker und Sandro Wagner waren beim letzten DFB-Gruppenspiel gegen Ungarn als ZDF-Experten im Einsatz.
  • Das Trio kann mit klaren Aussagen und Analysen überzeugen.
  • Vor allem Kramer streut gerne mal Erlebnisse bei der WM 2014 in seine Analysen ein.
Eine Kritik

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Während sich die deutsche Nationalmannschaft am Mittwochabend beim 2:2 gegen Ungarn mit Hängen und Würgen in das EM-Achtelfinale zitterte, gehen die ZDF-Experten Christoph Kramer, Per Mertesacker und Sandro Wagner in Topform in die K.o.-Runde.

Das Trio war deutlich inspirierter als die DFB-Auswahl, was zwar nicht schwer war, doch sie vermieden es tunlichst, sich von der Ideenlosigkeit auf dem Platz anstecken zu lassen. Wir haben die Arbeit der drei Experten näher unter die Lupe genommen.

Die Experten vor dem Spiel:

Die bewährte Experten-Paarung Christoph Kramer und Per Mertesacker im Studio war dank der frühen Spiele bereits auf Betriebstemperatur. Und in Plauderlaune.

Bonbon für die Zuschauer: Der Mittelfeldmann von Borussia Mönchengladbach gab ein paar Einblicke in die Feier-Qualitäten seines Co-Experten. Aus nächster Nähe festgestellt 2014 in Brasilien, wo beide Weltmeister wurden. "Beim Langen stimmt nicht nur an der Bar oder auf der Tanzfläche das Gefühl", sagte Kramer mit Verweis darauf, dass Mertesacker mit der Aufstellung und dem Wechsel Leroy Sane für Thomas Müller richtig lag. Auf Nachfrage präzisierte Kramer mit breitem Grinsen: "An der Bar stimmt sein Gefühl für Musik. Ein Gefühlsmensch einfach."

Leider ließ sich Mertesacker nicht viel mehr entlocken, selbst nach der Steilvorlage von Moderator Jochen Breyer -"Die Finalfeier soll wild gewesen sein?" – nicht. Mertesacker: "Angenehm war es. Mit guten Leuten zusammen, Medaille auf dem Kopf, das war sensationell." Das Weltmeister-Duo sorgte wie gehabt für eine meinungsstarke und fundierte Vorbereitung auf das Spiel, auf das, was die DFB-Elf erwartet und was sie liefern muss. Kurzweilig war’s, mit guten Erklärungen zu beiden Teams.

Auch weil Kramer weiter aus dem Nähkästchen plauderte, sich an 2014 erinnerte: "Es ist ein unfassbar geiles Gefühl, eine ganze Nation steht hinter dir, das macht etwas mit dir. Das gibt dir die letzten Prozent." Merkte man dann wenig später nur leider nicht auf dem Platz.

Die Experten während des Spiels:

Ex-Profi Sandro Wagner bildete diesmal mit Oliver Schmidt (49), dem jüngsten ZDF-Kommentator bei der EM, das Gespann.

Wagner hatte schnell gewarnt: Hohe Bälle auf Adam Szalai ist eine der Stärken der Ungarn. Keine zehn Minuten später traf der Mainzer Stürmer zum 1:0. Per Kopf nach Halbfeldflanke natürlich.

Auch danach erklärte Wagner immer wieder sachlich die Entwicklung des Spiels, die Anforderungen an die deutsche Mannschaft, zeigte mögliche Ansätze und Lösungen auf, und gab dabei auch Einblicke in die Psyche einer Mannschaft. All das tat er unaufdringlich, nahm sich durchaus auch mal zurück. Und sagte dann auch mal "Scheiße", wenn es das auf dem Platz auch war.

Die Kombination aus dem überlegten und ruhigen Wagner und dem etwas lauteren und emotionaleren Schmidt passte, auch weil beide auch Doppelpass spielten und nicht den Drang hatten, unaufhörlich zu reden. Der trockene Humor des Ex-Profis ist ebenfalls ein Gewinn. "Was muss jetzt passieren?", fragte Schmidt zur Halbzeit. Wagner treffend: "Ein Tor."

Die Experten in der Halbzeit:

"Das ist nicht unverdient", sagte Kramer in der Mini-Analyse in der Halbzeit, in der er und Mertesacker kurz und knackig auf den Punkt bringen mussten, was fehlt, um offensiv mehr Durchschlagskraft zu bekommen: "Wir müssen mehr erzwingen. Mehr Ballbesitz, eine bessere Rest-Verteidigung, um sie einschnüren zu können", sagte Kramer.

Als aktiver Spieler weiß er aber auch, dass es nicht für alle eine treffende Analyse geben kann: "Manchmal kann man nicht erklären, warum etwas nicht klappt." Passte ganz gut zu den paar Minuten, die beide für die Aufarbeitung hatten.

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Die Experten nach dem Spiel:

Nach dem Spiel ging es mit klarer Kante weiter. "Wir haben Harakiri gespielt. Das war ein Ritt auf der Rasierklinge", kritisierte Mertesacker: "Wenn wir das weiter tun, haben wir keine Chance gegen Nationen wie England." Kramer: "Es ist sicher nicht unser Anspruch 2:2 gegen Ungarn zu spielen, vor allem die Art und Weise nicht."

Anekdoten mögen bei einer gewissen Häufung anstrengend sein, doch zur Erklärung der mannschaftlichen Psyche eignen sie sich wunderbar. "Manchmal braucht es so ein Spiel", sagte Kramer "2014 waren wir gegen Algerien schon weg. Danach gab es dann auch noch das legendäre Interview." Das von Mertesacker, ZDF-Mann Boris Büchler und der Eistonne. "Die Fragen waren heute nicht so aggressiv wie damals, auch von Büchler nicht. Die Mannschaft war sehr erleichtert, da sind viele Steine vom Herzen gefallen", so der frühere Abwehrspieler. Der große Pluspunkt: Die Aussagen der beiden wirken selten gestelzt oder gekünstelt.

Schade aber: Als Bundestrainer Joachim Löw und Co. unmittelbar nach dem Spiel Selbstkritik vermissen ließen, kamen dann doch mal die Spieler Kramer und Mertesacker durch, beide zeigten ein bisschen zu viel Verständnis für die übliche Schönrederei.

Die Auftritte von Taktik-Experte Peter Hyballa geraten seltsamerweise sehr kurz und wirken deshalb bemüht, der Schlagabtausch mit Kramer über die Tiefe im deutschen Spiel sorgte trotzdem für etwas mehr Tiefe in der Analyse. Denn so wurden nicht nur die deutschen Fehler offensichtlicher, sondern auch die Gründe, warum Kramer für das England-Spiel zuversichtlich ist: "Die Engländer müssen mitspielen, das ist ihre DNA, weshalb das ein ganz anderes Spiel wird."

Der Spruch des Abends:

Der kam von Leon Goretzka, und das in einem Vorbericht. Er verdeutlichte, wie sehr er als Nationalspieler von der Stimmung trotz aller Coronasorgen angefasst wird: "Es tut gut, wieder 82 Millionen Bundestrainer zu haben und nicht 82 Millionen Virologen."

Passt perfekt als Pointe, dass er mit seinem Tor zum 2:2 dafür sorgte, dass die 82 Millionen erstmal weiter Bundestrainer bleiben.

Fazit:

Das Trio Kramer, Mertesacker und Wagner beweist auch beim Deutschland-Spiel gegen Ungarn die gute Turnierform. Kramer punktet weiterhin mit Lockerheit, Charme und Witz, dazu auch einer klaren Meinung und auch mal mit einer steilen These.

Mertesacker wiederum ergänzt seinen Co-Experten mit seiner ruhigeren und seriöser wirkenden Art, überzeugt vor allem dann, wenn auch er seinen Humor einbringt. Ähnlich Wagner: Kein Krawall wie als Spieler, sondern Fußball-Sachverstand, kombiniert mit dem einen oder anderen Spruch. Für das Trio kann das Achtelfinale kommen.

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