• Zum zweiten Mal in Folge ist das DFB-Team bei einem großen Turnier ausgeschieden. Das ARD-Duo Jessy Wellmer und Bastian Schweinsteiger zeigt sich nach der Niederlage gegen England aber nicht sonderlich kritisch.
  • Vor allem die Interviews mit Torwart Manuel Neuer und Joachim Löw funktionieren überhaupt nicht, die Niederlage gegen England und die Gründe für das Ausscheiden werden nicht aufgearbeitet.
  • Deutlich besser in Form ist die Experten-Runde mit Almuth Schult, Stefan Kuntz und Kevin-Prince Boateng, die die Gründe für das Scheitern analysiert und Klartext redet.
Eine Kritik
Diese Kritik stellt die Sicht des Autors dar. Hier finden Sie Informationen dazu, wie wir mit Meinungen in Texten umgehen.

Mehr News zur Fußball-EM

Das war nix. Die deutsche Nationalmannschaft ist nach einem 0:2 gegen England im Achtelfinale der Europameisterschaft ausgeschieden. Und auch die Experten der ARD konnten am Dienstagabend nicht überzeugen. Das ohnehin schon in der Kritik stehende Duo aus Moderatorin Jessy Wellmer und Bastian Schweinsteiger verpasste die Chance, nach dem Spiel Klartext zu reden und kritische Fragen zu stellen.

Deutlich besser lief es im Studio, wo erneut Almuth Schult, Stefan Kuntz und Kevin-Prince Boateng zu Gast waren. Wir haben uns die Auftritte der ARD-Experten ganz genau angeschaut.

Die ARD-Experten vor dem Spiel:

Nur kurz durfte Moderator Alexander Bommes vor dem Spiel mit Schult, Boateng und Kuntz plaudern, dann wurde abgegeben ins Wembley-Stadion, wo das Duo Wellmer und Schweinsteiger übernahm. Tatsächlich zeigten sich die beiden im Vergleich zum Portugal-Spiel zunächst verbessert. Wellmer nahm sich zurück und ließ Schweinsteiger über seine Kernkompetenz sprechen: Fußball. Der Weltmeister von 2014 berichtete von einem Telefonat mit seinem Ex-Bayern-Mitspieler Owen Hargreaves, von Englands Nationalspieler Luke Shaw, mit dem er bei Manchester United zusammengespielt hatte und vom "Unterschiedsspieler Kyle Walker", er warnte vor Bukayo Saka und Raheem Sterling, womit er Recht behalten sollte.

Auch das Interview mit Bundestrainer Joachim Löw vor dem Spiel fiel recht launig und unterhaltsam aus. Leider konnten Wellmer und Schweinsteiger das Niveau nicht halten.

Die ARD-Experten während des Spiels:

Wie schon beim deutschen Spiel gegen Portugal, das ebenfalls die ARD übertrug, wurde auf einen Co-Kommentator verzichtet. Stattdessen wurde Schweinsteiger zweimal zugeschaltet, hatte aber nicht wirklich etwas Erhellendes beizutragen. "Wir müssen ein bisschen mehr Zug zum Tor finden", sagte er in der ersten Halbzeit. "Ich habe so das Gefühl, Einwechselspieler könnten das Spiel entscheiden", sagte er in der zweiten Halbzeit. Wirklich weiter brachte das niemanden.

Auffällig auch, dass Kommentator Florian Naß sich der deutschen Mannschaft gegenüber ziemlich unkritisch äußerte und selbst nach der Niederlage immer noch versuchte, die positiven Dinge zu sehen.

Die ARD-Experten während der Halbzeit:

Die ARD nutzte die frühe Anstoßzeit wieder, um in der Halbzeit reichlich Werbung zu platzieren. Ins Studio wurde erst gar nicht geschaltet, stattdessen mussten wieder Wellmer und Schweinsteiger ran. Bei der Analyse der ersten 45 Minuten griff der Weltmeister von 2014 tief in die Mottenkiste der Fußballphrasen. "Den kann man schon machen", sagt er mit Blick auf die Chance von Timo Werner und schob gleich noch eine Phrase hinterher: "Ein Tor würde ihm natürlich helfen". Das fand Wellmer ziemlich lustig. "Ein Tor würde vielen helfen", sagte sie und lachte. Es bleibt dabei. Das Zusammenspiel der beiden funktioniert einfach nicht.

England-Deutschland: Die Experten nach dem Spiel

Richtig schlimm wurde es dann aber nach dem Spiel. Zunächst stellte sich der tief enttäuschte Manuel Neuer zum Interview. Man hätte dem Torwart einige Fragen stellen können, zum Beispiel, warum er gegen nicht sonderlich gefährliche Engländer zwei Tore kassiert hatte oder warum die Mannschaft in allen vier EM-Spielen in Rückstand geraten war. Aber Wellmer hatte offenbar keine Lust, kritische Fragen zu stellen und Schweinsteiger ist als Ex-Spieler anscheinend noch zu nah an seinen früheren Kollegen dran, um Klartext zu sprechen. Stattdessen lobte Schweinsteiger Neuer als besten Torhüter des Turniers. Wenige Minuten später erklärte Almuth Schult, dass der Nationaltorwart nicht sein bestes Turnier gespielt habe und nannte mehrere Beispiele für ihre Behauptung.

Generell überzeugte die Experten-Runde im Studio bei der Analyse deutlich mehr als das Duo im Stadion. "Wir sind in allen Spielen in Rückstand geraten. Da kann man schon eine Schwäche erkennen. Auf dem Niveau bekommst du nur zwei hochkarätige Chancen. Die musst du dann machen", sagte Kuntz. "Richtige Euphorie oder Stolz haben wir nur gegen Portugal gefühlt. Es war heute nicht gut, es war gegen Ungarn nicht gut. Es war kein gutes Spiel, es war kein schönes Spiel. Das ist enttäuschend, aber nicht überraschend", sagte Boateng. "Heute bin ich sehr enttäuscht, ich habe mir mehr erhofft. Auch weil sie davon gesprochen haben, dass sie mit der richtigen Einstellung, mit dem richtigen Kämpferherz rangehen wollen. Das hat mir gerade nach dem Rückstand gefehlt", erklärte Schult.

Kritische Fragen an den Bundestrainer hätte es also genug gegeben. Wellmer hatte aber eine andere Frage parat. "Ende gut, alles gut? Oder Ende gut, nicht alles gut?", fragte sie den Bundestrainer tatsächlich unmittelbar nach der bitteren Niederlage. Es ist Löw hoch anzurechnen, dass er darauf ruhig antwortete. "Wir sollten uns alle bei Joachim Löw bedanken", sagte Schweinsteiger kurze Zeit später. Bei allen Verdiensten hätten man ihn vielleicht aber auch mal fragen können, warum die deutsche Mannschaft trotz eines ambitionierten Kaders zum zweiten Mal in Folge bei einem Turnier früh ausgeschieden ist, oder warum sie eine wirklich nicht sonderlich starke englische Mannschaft nur selten gefährden konnte. Stattdessen fragte Wellmer: "Bereuen Sie was?" Und nun hätte Löw tatsächlich fast die Contenance verloren. Seine Miene verfinsterte sich. Er fragte nach dreisekündiger Denkpause nur kurz "Was?" zurück und schwieg wieder.

Fazit zum Deutschland-Spiel

Ein mutloses deutsches Team scheidet nach einer alles in allem enttäuschenden EM gegen England aus, Timo Werner und Thomas Müller lassen Großchancen liegen. Es hätte einiges kritisch aufzuarbeiten gegeben, stattdessen machten Jessy Wellmer, Bastian Schweinsteiger und Kommentar Florian Naß Fan-TV, redeten das Spiel des DFB-Teams schön und lobten ihre Interviewpartner. Deutlich besser in Form war die Experten-Runde mit Schult, Kuntz und Boateng im Studio, die die Gründe für die Niederlage klar analysierte und sich auch mit Kritik nicht zurückhielt.

JTI zertifiziert JTI zertifiziert

"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.