Alle deutschen Teams sind aus der Champions League ausgeschieden. Was bedeutet das schwache Abschneiden für den deutschen Fußball der Frauen?

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Wie stark ist der Fußball der Frauen in Deutschland noch? Diese Frage stellen sich hierzulande gerade viele. Nach dem frühen Aus bei der Weltmeisterschaft 2023 und dem holprigen Weg zum Final Four der Nations League stand bisher vor allem die deutsche Nationalelf im Fokus dieser Sorgen.

Nun aber gibt es einen weiteren Anlass: In der Champions League sind der FC Bayern München und Eintracht Frankfurt in der Gruppenphase ausgeschieden. Der VfL Wolfsburg schaffte es nicht mal bis dorthin. Erstmals seit der Ablösung des UEFA-Pokals durch die Champions League 2009 steht damit kein deutsches Team im Viertelfinale.

"Es bricht mir ein bisschen das Herz", kommentierte Almuth Schult die Situation beim "SID". Seit Jahren wird in Deutschland darüber diskutiert, dass man von anderen Nationen abgehängt werden könnte. Ist es jetzt so weit?

Deutschland: Expertin sieht "beste Bedingungen" bei Top-Klubs

Jasmina Čović ist Gründerin der Women's Football Agency, die Spielerinnen in vielen Top-Ligen berät – darunter Laura Freigang oder Ana-Maria Crnogorčević. Dementsprechend hat sie nicht nur Einblicke bei verschiedenen Klubs, sondern auch in unterschiedliche Herangehensweisen in anderen Ländern. Abgehängt sieht die Agentin den deutschen Fußball längst noch nicht.

"Die Voraussetzungen, um erfolgreich zu sein, sind da und zumindest die Top-Vereine in Deutschland bieten beste Bedingungen, infrastrukturell und auch finanziell", erzählt Čović im Gespräch mit unserer Redaktion: "Wir haben bestens ausgebildete Spielerinnen und hervorragende Bedingungen."

Sie sehe aber "viele Parallelen zu unserer Männernationalmannschaft und der Bundesliga der Männer". Auch dort wurde in den vergangenen Jahren viel über die fußballerische Qualität und internationale Konkurrenzfähigkeit diskutiert. Ein Grundsatzproblem?

Deutscher Fußball: Eine Frage der Philosophie?

Wenn die Qualität bei den Spielerinnen stimmt, rücken schnell die Trainerinnen und Trainer in den Mittelpunkt. In beiden Bundesligen gibt es nur wenige Teams, die auf einen proaktiven Fußball mit strukturiertem und geduldigem Ballbesitz setzen. Der deutsche Fußball, jahrelang geprägt durch Jürgen Klopps "Vollgasfußball", scheint an seine Grenzen gekommen zu sein.

Das Spiel ist immer schneller, immer vertikaler, lange Ballbesitzphasen sind selten geworden. Dass die Nationalelf der Frauen bei der Europameisterschaft 2022 so erfolgreich war, lag auch daran, dass sie sich in ihrer Rolle als Außenseiter wohlgefühlt hatte. Der Misserfolg bei der WM 2023 war wiederum absehbar. In der Favoritenrolle spielt es sich schwerer Fußball.

"Wir haben gute und sehr gute Trainer und Trainerinnen, aber es fehlt an Top-Leuten, die fähig sind, aus einer sehr guten Mannschaft eine Top-Mannschaft zu machen", findet Čović. In der Bundesliga sieht sie vor allem Niko Arnautis als jemanden, der aus den vorhandenen Möglichkeiten bei Eintracht Frankfurt das Maximum herausholt.

Auch den FC Bayern kann man trotz des Ausscheidens in der Champions League hervorheben. Alexander Straus hat mit seinem ruhigen und kontrollierten Stil frischen Wind in die Bundesliga gebracht, während der VfL Wolfsburg nach wie vor auf Attribute wie Physis, Tempo und viel Laufarbeit setzt. Das fast schon klassische deutsche Spiel.

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Champions League: Gründe für Ausscheiden waren individuell

Und so muss jeder Fall individuell betrachtet werden. Es dürfe bei der Bewertung nicht vergessen werden, "dass viele europäische Mannschaften sich sportlich weiterentwickelt haben", sagt Čović über die gewachsene Konkurrenz im Ausland: "So selbstverständlich ist es dann auch für eine deutsche Top-Mannschaft nicht, dass sie gegen die Meister aus anderen Ligen locker gewinnen."

Der FC Bayern hatte mit Paris Saint-Germain, der AS Roma und Ajax die mit Abstand schwerste Gruppe der diesjährigen Saison erwischt. Hinzu kamen zahlreiche Verletzungen von Schlüsselspielerinnen wie Magdalena Eriksson oder Pernille Harder. In den letzten beiden Spielen in Rom und gegen Paris musste mit Tuva Hansen eine Außenverteidigerin in der Innenverteidigung ran. Auf diesem Niveau kann das schnell zu Punktverlusten führen.

Auch Frankfurt hatte mit dem FC Barcelona, Benfica und dem FC Rosengard eine Gruppe, in der von Anfang an klar war, dass es ein enges Rennen mit Benfica um den zweiten Platz geben würde. Erklärbar ist das Ausscheiden der beiden deutschen Teams also mit rationalen Gründen, die nicht als Schlussfolgerung nach sich ziehen müssen, dass der Fußball hierzulande am Boden liege. Das kann sich schon in der kommenden Saison komplett drehen.

Selten beachtete Faktoren spielen eine Rolle

Zumal auch die Belastung der Spielerinnen nach wie vor eine Rolle spielt. "Der Stress, der den Spielerinnen körperlich und geistig zugemutet wird, ergibt keinen Sinn", schrieb Ada Hegerberg jüngst in einem Artikel für den "Guardian": "Die Anforderungen an die Spielerinnen und ihre Körper wachsen, und obwohl wir alle das gefordert haben, sind die Instrumente noch nicht vorhanden, um diesen Anforderungen gerecht zu werden."

Auch Čović sieht deshalb Ideen wie die Aufstockung der Bundesliga auf 16 Teams derzeit kritisch: "Fakt ist, dass sehr viele Spielerinnen bereits jetzt mit vielen Verletzungen kämpfen müssen, da der weibliche Körper die Leistungssportbelastung in dieser Form nicht aushält."

Bei den Bayern, Wolfsburg und auch Frankfurt waren nach der WM im vergangenen Sommer deutliche Formschwankungen zu spüren. Formschwankungen, die dazu beigetragen haben, dass man in der Champions League nicht immer auf dem besten Niveau agierte. Die aber nicht zwingend in eine grundlegende Qualitätsfrage münden müssen.

Wie besorgniserregend ist der finanzielle Rückstand?

Und doch gibt es Fragen, die Anlass zur Sorge geben könnten. Darunter das Thema Geld. Der verbesserte TV-Vertrag war finanziell zweifellos ein Schritt in die richtige Richtung. Im Vergleich zum vorherigen Vertrag haben sich die Einnahmen um das 16-fache erhöht. Jährlich gibt es nun 5,17 Millionen Euro brutto. 90 Prozent davon werden zu gleichen Teilen an die zwölf Bundesliga-Klubs ausgeschüttet.

Der Unterschied zu Spanien (ca. acht Millionen Euro) und England (ca. neun Millionen Euro) ist immer noch groß. Doch gerade, weil die Top-Klubs in Europa durch die Einnahmen der Männerabteilungen mitfinanziert werden, ist die Abhängigkeit davon nur teilweise gegeben.

Schaut man sich also an, wie die Top-Klubs in Deutschland in den vergangenen Jahren gearbeitet haben, dann ist das tatsächliche Fazit nicht ganz so düster, wie es aktuell gern gezogen wird. "Ich denke, dass man auch konkurrenzfähig sein kann, ohne zig Millionen Euro in die Liga zu pumpen", sagt Čović und nennt dabei die Engländerinnen als Beispiel, die viel Geld in die Hand genommen haben: "Die Champions League hat trotzdem noch kein englischer Verein in den vergangenen 15 Jahren gewonnen."

Man könne nicht erwarten, dass alle Entwicklungen von heute auf morgen stattfinden würden. Schließlich fing der DFB deutlich später als einige Konkurrenten damit an, schrittweise Veränderungen in Richtung Professionalisierung einzuleiten – darunter der neue TV-Vertrag.

Deutschlands Fußball muss eigene Wege finden

Konkurrenzfähig ist man in Deutschland aber dennoch. "Mit dem Kader, den der FC Bayern München bei den Frauen hat, müsstest du eigentlich jedes Jahr mindestens im Champions-League-Halbfinale stehen", findet Čović.

Insofern mag das Aus aller deutscher Teams in der Königinnenklasse zwar ernüchternd sein. Doch die Aussichten, bald wieder erfolgreicher abzuschneiden, sind gut. Auch weil die Top-Klubs in Deutschland bewiesen haben, dass sie nachhaltig den Sprung nach oben in Europa schaffen wollen.

Es gilt also wie so oft zu differenzieren, will man die Frage beantworten, wie stark der deutsche Fußball der Frauen noch ist. Die Bundesliga wird tendenziell nie die Liga sein, die den Großteil der Weltklassespielerinnen in sich vereint. Das ist sie bei den Männern auch nicht. Es wird darum gehen, eigene Wege zu finden, um mit der internationalen Konkurrenz mithalten zu können.

Und das betrifft dann auch den DFB. Wie sehen eigene Wege aus? Wie kann man Fans binden, Einnahmen steigern und die Qualität der eigenen Liga erhöhen? "Die Frage ist dann auch: Wollen wir eine Kopie des Männerfußballs sein oder einen eigenen Weg aufschlagen", sagt Čović. Hier liegt womöglich auch der Schlüssel zur internationalen Konkurrenzfähigkeit.

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