Thomas Müller wollte das Feuer austreten, das er selbst nach dem Sieg im Pokal-Halbfinale in einem Interview gelegt hatte. Der Versuch aber, die Medien zum Sündenbock zu machen, hat die Sache nur noch schlimmer gemacht.

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Der FC Bayern München ist von seinem achten Meistertitel in Serie nur noch einen Auswärtssieg am 32. Spieltag bei Werder Bremen entfernt. Zudem hat der dominierende deutsche Verein weiterhin die Chance auf das zweite Triple, also Gewinn von Meisterschaft, DFB-Pokal und Champions League in einer Saison.

Trotzdem sind seit Tagen ein paar Wolken am bayerischen Himmel aufgezogen. Verantwortlich dafür ist nicht nur die meteorologische Wetterlage über dem Freistaat - sondern auch Thomas Müller.

Der Weltmeister von 2014 bekommt das Fass, das er nach dem 2:1-Zittersieg im Pokalhalbfinale über Eintracht Frankfurt im Interview mit Sky öffnete, nicht mehr geschlossen. Sein Versuch, den Medien eine Fehlinterpretation seiner Aussage zu unterstellen und somit ihnen die Schuld an dem entstandenen Wirbel um mögliche Münchner Rekordtransfers trotz knapper Kassen in der Coronakrise zu geben, schlug fehl.

Was hat Thomas Müller ursprünglich gesagt?

Ein Sky-Reporter hatte Müller im Anschluss an das knappe 2:1 über Eintracht Frankfurt im Halbfinale des DFB-Pokals auf das seit Monaten wabernde Gerücht angesprochen, Bayer Leverkusens Kai Havertz spiele schon bald an Müllers Seite beim FC Bayern München.

Darauf hatte Müller entgegnet: "Es ist auch ein bisschen paradox, wenn man immer über Neuzugänge spricht und gleichzeitig Gehälter eingespart werden."

Sky-Experte Mirko Slomka erinnerte in der Diskussionsrunde "Sky90" vier Tage nach Müllers Interview daran, dass Müller das Thema Neuzugänge versus Gehaltsverzicht "selber angestoßen" habe. "Das war keine Frage des Journalisten."

Wie wurde Thomas Müller verstanden?

Müllers Satz wurde als offene Kritik an den Verantwortlichen des FC Bayern München verstanden. Diese konterten vor dem Topspiel des 31. Spieltags in Person des Sportdirektors Hasan Salihamidzic.

Müller habe sich mit seinen Aussagen vielleicht "ein bisschen verdribbelt. Ich habe ihm gesagt, dass das nicht korrekt war. Er hat das verstanden, er ist ein sehr, sehr intelligenter Junge, ein sehr, sehr intelligenter Spieler."

Wie hat Thomas Müller reagiert?

Wegen fünf Gelber Karten gesperrt, verfolgte Müller einen neuerlich mühsamen 2:1-Sieg seiner Kollegen - diesmal in der Bundesliga über Borussia Mönchengladbach - daheim auf dem Sofa.

Von dort fühlte er sich bemüßigt, auf Salihamidzics Ermahnung zu reagieren. Es gebe keinen "internen Streit um Gehaltsverzicht in Bezug auf eventuelle Transfers im Sommer", versicherte Müller in einem gut zweiminütigen Video-Clip.

Vielmehr attackierte Müller die Medien. Er sei von ihnen "provokativ und geschichtsfortführend" interpretiert worden. "Meine Aussage war nämlich eigentlich auf die Tatsache bezogen, dass es mich genervt hat, dass ich dazu befragt wurde nach einem Pokal-Halbfinale."

Befragt worden war er aber nicht zu einem Zusammenhang zwischen teuren Bayern-Transfers und Gehaltseinbußen für das kickende Personal des Vereins, sondern zum Gerücht über einen Wechsel von Havertz zum Deutschen Meister.

Am meisten störe ihn, ließ Müller vier Tage später in seinem Statement auf Instagram wissen, dass so getan werde, als ob man in den wirtschaftlich schwierigen Zeiten "mit einem Fingerschnippen" Transfers in Höhe von 50 oder 100 Millionen Euro stemmen könne.

Kritik an Thomas Müller bei "Sky90" und im "Doppelpass"

"Wir lieben ihn (Thomas Müller, Anm. d. Red.) alle als Spieler und als Typ", legte Slomka am Sonntagabend in der "Sky90"-Runde nach. Er sei "aber nicht für die Zukunfts- und Kaderplanung des Vereins zuständig. Er sollte sich zurückhalten und auf seine Arbeit im Klub konzentrieren."

Im "Doppelpass", der sonntäglichen Talkrunde bei Sport1, hatte am Vormittag Lars Wallrodt Müllers "Versuch, den Medien den Schwarzen Peter rüberzuschieben", als "fast infam" bezeichnet. Die von Müller angestoßene Debatte sei "völlig in Ordnung", so der Sport-Chef der "Bild am Sonntag". "Die Vereine behalten Gelder von ihren Spielern ein, reden aber gleichzeitig über die nächsten Millionentransfers. Das ist total diskutabel. Nun soll das aber die große Fehlinterpretation der Medien sein. Damit macht er es sich zu einfach."

Sport1-Experte Marcel Reif legte nach. Er fand "an der Geschichte alles in Ordnung" - bis sich Müller mit seinem Video vom Sofa gemeldet habe. "Der Müller sagt etwas, was in der Kabine ganz sicher besprochen wird. Er ist ein Sprachrohr der Kabine, wenn nicht sogar das Sprachrohr. Müller sagt es so, wie er es empfindet. Ich hätte mir jetzt nur von ihm gewünscht, zu wissen, wann es genug diskutiert wurde."

Dietmar Hamann springt Thomas Müller zur Seite

Der langjährige Bayern-Profi Dietmar Hamann lieferte als Sky-Experte zum Abschluss des Sonntags noch seinen Beitrag zur Diskussion ab und gab Müller vollumfänglich recht.

Müller habe "einen provokanten Denkanstoß" geliefert, ohne jedoch "einen Hintergedanken zu haben. Wir wollen doch mündige Spieler." Es sei aber falsch, "ihnen irgendetwas in den Mund zu legen" oder zu "versuchen, sie mundtot zu machen".

Dies hatte auch Müllers Trainer Hans-Dieter Flick in der Pressekonferenz nach dem Erfolg über Gladbach betont: "Ich werde keinem Spieler verbieten, etwas zu sagen."

Mit Material der dpa

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