Anders als seine Kollegen unter den Bayern-Bossen schlägt Oliver Kahn einen eher moderaten Ton in Sachen Transferplanung und -politik an. Die wirklich wichtigen Entscheidungen haben die Bayern schließlich fast alle schon getroffen.

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Beim FC Bayern München ist alles und jeder wichtig, das ist nichts Neues. Der größte und populärste Klub des Landes sieht sich gern als Lokomotive, wenn es um die Durchsetzung wichtiger Themen geht, um TV-Gelder, das Aufbrechen des Wettspielmonopols oder zuletzt den Umgang mit der Coronakrise. Dann sind es die Granden von der Säbener Straße, die vorne weg marschieren und der Rest der Liga zieht in der Regel hinterher.

Der Vorteil der Bayern ist nun, dass sie dabei aus einem so großen Pool an Mitarbeitern wählen können wie kein anderer Bundesligist. Früher waren Robert Schwan und später Uli Hoeneß das Gesicht des Klubs, irgendwann kam Karl-Heinz Rummenigge dazu und dann auch mal Franz Beckenbauer als Präsident.

Die Troika aus ehemaligen Weltklassespielern hat sich inzwischen zwar fast vollständig zurückgezogen, ihre Posten und noch ein paar andere mehr sind aber längst besetzt mit anderen ehemaligen Weltklassespielern oder ehemaligen Firmenchefs von Weltunternehmen.

Sportvorstand Oliver Kahn ackert alle Themen ab

Und die tauchen in schöner Regelmäßigkeit in deutschen Medien auf: der Vorstandsvorsitzende Rummenigge, der neue Präsident Herbert Hainer, der Sportdirektor Hasan Salihamidzic, der Sportvorstand Oliver Kahn. Und zur Not, vom fernen Tegernsee und wenn er Lust dazu hat, auch wieder Uli Hoeneß.

Die Bayern kämpfen an allen Fronten und alles, was einer ihrer Protagonisten irgendwo erzählt, ist wichtig: für die Bundesliga, für den deutschen Fußball und selbstverständlich auch für den FC Bayern selbst.

Neulich saß Kahn, das jüngste Mitglied unter den Bayern-Bossen, im Studio der TV-Sendung "Sky90". Und natürlich sagte Kahn dort sehr viele, sehr wichtige Dinge. Dass er sich vorstellen könne, in die Allianz Arena nach derzeitigem Stand 10.000, vielleicht 11.000 Zuschauer zu lassen. Aber eben noch nicht so schnell, das wird noch ein Weilchen dauern: "Ich glaube, im Moment, auch wenn mir das Herz blutet, müssen wir das so hinnehmen."

Zurückhaltung statt Aggressivität

Der ehemalige Bayern-Torhüter Kahn sprach auch über den aktuellen Bayern-Torhüter Manuel Neuer und den Bald-Bayern-Torhüter Alexander Nübel, über die bevorstehende achte Meisterschaft in Folge und eine mögliche Fortsetzung der Champions League.

Die würde den Bayern in ihrer derzeitigen Verfassung und angesichts des fehlenden Spielrhythmus der Konkurrenten wohl sehr gelegen kommen, aber auch da ist Kahn eher skeptisch.

Und dann sprach Kahn noch darüber, wie die Mannschaft des FC Bayern in der kommenden Saison, wann auch immer die starten wird, aufgestellt sein könnte.

Ähnliches wurden zuletzt auch die anderen Weisen gefragt. Rummenigge, Hainer, Salihamidzic und Hoeneß hatten sich geäußert und alle mehr oder weniger angedeutet, dass da - mal wieder - Großes zu erwarten sei von den Bayern.

Ein Sommer ohne Bayern-Transfers? Kahn überrascht mit Äußerung

Also sprach Kahn - und der wählte plötzlich einen ganz anderen Kurs. "Im Moment sind da erstmal noch ganz, ganz andere Dinge zu bewältigen. Wenn der Markt überhaupt anspringen wird, im Moment bin ich da ja eher skeptisch", antwortete Kahn auf die Frage, wie denn der Transfersommer ganz generell aussehen könnte.

Mit dieser sehr nüchternen, aber eben auch sehr reellen Einschätzung konterkarierte Kahn die Aussagen seiner Kollegen und kündigte dann vielleicht sogar einen Transferstopp der Bayern in diesem Sommer an.

"Das könnte eine Option sein. Wir schauen uns im Moment alles an, wie viele europäische Vereine auch. Ich habe nicht festgestellt, dass die Vereine bereit sind, große Transfers zu machen." Der FC Bayern München. Ohne einen einzigen Transfer. Im Sommer.

Der FC Bayern ist ja ein sehr potenter Käuferklub und als solcher bestimmt er selbst, wen er wann als Transferziel ausgeben will und attackiert. Letztes Jahr hat das einige Male aber nicht so gut funktioniert, weshalb sich der eine oder andere in diesen Tagen eher zurückhaltend äußert.

So wie auch Kahn über Leroy Sané. "Sané hat eine Verletzung hinter sich, versucht Stück für Stück wieder Anschluss zu finden. Ich glaube, es ist schwierig, hier und heute über Spieler zu sprechen, die einen gültigen Arbeitsvertrag haben."

Oder über Kai Havertz: "Natürlich ist Havertz ein Top-Talent, ein Super-Spieler, das heißt aber nicht, dass der FC Bayern an all diesen guten Spieler interessiert ist. Der hat einen laufenden Vertrag bis 2022."

Vertragsverlängerungen: "Glaube, wir haben sehr gute Argumente"

Nun kann das alles auch Taktik sein: hier die aggressiven Einkäufer, dort der besonnene Kahn. Und trotzdem verfestigt sich der Eindruck, dass die Bayern tatsächlich auch ganz gut ohne einen Transfer auskommen könnten. Nicht umsonst hat der Klub die Coronapause wie kein anderer genutzt, um das bestehende Personal langfristig zu binden.

Fast im Wochentakt veröffentlichten die Bayern Vertragsverlängerungen mit Spielern. Noch fehlen Thiago und David Alaba, aber auch hier sieht Kahn seinen Klub auf dem richtigen Weg.

"Ich glaube, wir haben sehr, sehr gute Argumente, wenn man sich das im europäischen Kontext anschaut, dass die Spieler wissen, was sie bei uns haben." Das hört sich doch sehr danach an, dass die Bayern ihre Personalziele erreichen könnten - selbst wenn sie im Sommer keine frischen Spieler von außen hinzufügten.

Vorbild Coach Hansi Flick

Die wichtigste Personalentscheidung ist dem Klub ohnehin schon längst gelungen. Nach den großen Namen Heynckes, Guardiola, Ancelotti, wieder Heynckes und dem Experiment Kovac haben die Bayern mit Hans-Dieter Flick ein fast unbeschriebenes Blatt zum Cheftrainer gemacht und dessen Vertrag mittlerweile auch verlängert.

Für Bayern-Verhältnisse war das ein bemerkenswertes Vorgehen, nach dem "größer, weiter, besser" nun Flick diese Mannschaft anzuvertrauen. Der hat mit Leistung und Ergebnissen schon zurückgezahlt und die beste Bayern-Mannschaft seit Jahren entwickelt.

Die vergleichsweise unspektakuläre Variante funktioniert also - warum nicht auch beim kickenden Personal?

Verwendete Quellen:

  • Sky90: "Kahn spricht über Nübel, Sane, Flick, Transferverzicht & George Floyd"
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