Der FC Bayern München bestreitet die Transferperiode ohne Sportvorstand. Thomas Tuchel ist dadurch der große Gewinner, weil der Trainer mehr Einfluss auf die Kaderplanung hat als seine Vorgänger.

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Die Transferplanungen des FC Bayern München laufen auf Hochtouren. Nach den Verpflichtungen von Mittelfeldspieler Konrad Laimer und Linksverteidiger Raphael Guerreiro sollen weitere Top-Stars folgen. Gesucht werden offenbar ein Stürmer, ein defensiver Mittelfeldspieler und ein Verteidiger.

Die Besonderheit: Anders als in den vergangenen Jahren gibt es derzeit keinen Sportvorstand. Hasan Salihamidzic wurde Ende Mai freigestellt, ohne dass ein Nachfolger bestimmt worden ist.

Die frühere Bayern-Spielerin und heutige Sky-Expertin Julia Simic glaubt, dass der FC Bayern trotzdem gut aufgestellt ist. "Karl-Heinz Rummenigge wurde in den Aufsichtsrat geholt und wird Einfluss auf die Transfers nehmen, Uli Hoeneß wird vielleicht unterstützen, Tuchel wird ebenfalls entscheidend mitwirken", sagte sie im Interview mit unserer Redaktion. "Wichtig ist, dass der Verein zur Ruhe kommt und dass man eine Mannschaft zusammenstellt, die zum Trainer passt."

Tuchel fühlt sich auch ohne Sportvorstand wohl

Laut einem Bericht der "Sport Bild" genießt Tuchel die aktuelle Situation und hat es gar nicht eilig, dass die Stelle des Sportvorstands nachbesetzt wird. Tuchel ist aktuell nämlich der wohl mächtigste Bayern-Trainer aller Zeiten. In der Vergangenheit galt, dass der Sportchef die Mannschaft zusammenstellt und der Trainer mit diesem Kader zu arbeiten hat.

Die ehemaligen Bayern-Trainer Julian Nagelsmann, Hansi Flick sowie Niko Kovac konnten also nur bedingt Einfluss auf den Kader nehmen. Selbst die Wünsche von Pep Guardiola, der unter anderem den brasilianischen Superstar Neymar nach München locken wollte, wurden teilweise abgelehnt.

Nun ist die Situation eine völlig andere. Laut dem Bericht ist Tuchel nun der entscheidende Mann in der Kaderplanung. Er trägt gegenüber dem Vorstandsvorsitzenden Jan-Christian Dreesen, Präsident Herbert Hainer, Finanzvorstand Michael Diederich, dem Technischen Direktor Marco Neppe und den Aufsichtsräten Rummenigge sowie Hoeneß seine Wünsche vor. Die Vereinsbosse versuchen daraufhin, die Vorstellungen des Trainers umzusetzen.

Tuchel kennt dieses Modell bereits aus seiner Zeit beim FC Chelsea. In der englischen Premier League ist es üblich, dass der Trainer in einer Art Doppelfunktion auch als Manager fungiert und den Kader zusammenstellt.

Klinsmann hätte sich ein Modell wie Tuchel gewünscht

In Deutschland galt dies bislang als unvorstellbar. Der letzte Trainer in der Bundesliga, der ein solches Modell anstrebte, jedoch nicht umgesetzt bekam, war Jürgen Klinsmann bei Hertha BSC. Dieser trainierte von November 2019 bis Januar 2020 den Hauptstadt-Club, ehe er sich gefrustet verabschiedete.

"Nach meinem Verständnis sollte ein Trainer – nach dem englischen Modell – die gesamte sportliche Verantwortung tragen. Also auch über Transfers", sagte er nach seinem Rücktritt in einem Interview mit "bild.de". "Das gibt der Position wesentlich mehr Power. Das hat sich in Deutschland mit Sportvorständen und Direktoren anders entwickelt. Da finde ich mich nicht wieder."

Tuchel scheint nun diese Power zu haben, die sich Klinsmann damals gewünscht hatte. Obwohl der FC Bayern unter seiner Führung aus der Champions League und dem DFB-Pokal ausgeschieden ist, genießt Tuchel innerhalb des Vereins weiterhin Hochachtung.

"Wir sind von Thomas Tuchel absolut überzeugt, er ist einer der besten Trainer in Europa", hatte Präsident Hainer nach dem Saisonende noch einmal klargestellt. Auch Rummenigge und Hoeneß sollen voll hinter dem Trainer stehen – und somit auch hinter dessen Transferwünschen.

Die Hauptverantwortung trägt Jan-Christian Dreesen

Michael Reschke, der früher als Technischer Direktor des FC Bayern tätig gewesen ist und heute als Spielerberater fungiert, stellt dennoch klar, dass gerade kostspielige Transfers, wie möglicherweise von Stürmer Harry Kane, Teamarbeit sind.

"Die aktivste Rolle in der aktuellen Konstellation der Bayern hat eindeutig Marco Neppe als Technischer Direktor. Er kennt den Markt am besten, daran gibt es nichts zu rütteln. Wenn es aber jetzt um solche Investment-Fragen geht, spielt Jan-Christian Dreesen als CEO eine große Rolle. Er trägt schließlich die Hauptverantwortung", erklärte Reschke im Interview mit "ran.de".

"Aber: Uli Hoeneß und Karl-Heinz Rummenigge haben den Klub stark geprägt. Ihrer Arbeit ist es zu verdanken, dass der FC Bayern überhaupt solche Investments stemmen kann. Wenn die beiden den Daumen heben, ist das das entscheidende Votum." Und vieles deutet darauf hin, dass sie ihr Votum derzeit im Sinne von Tuchel abgeben.

Verwendete Quellen:

  • Sport Bild (26/2023): Tuchel ist der mächtigste Bayern-Trainer aller Zeiten
  • bild.de: "Besser, dass ich wieder in den Flieger steige…"
  • ran.de: FC Bayern München will Harry Kane: Transfer-Insider Michael Reschke bewertet die Chancen des Rekordmeisters
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