Den Meistertitel konnte in München nicht jeder feiern. Zu schwach verlief die Saison insgesamt, zu viele Baustellen sind zu beheben. Nicht nur im Kader, sondern auch auf der Führungsebene. Das hat sich der Rekordmeister selbst eingebrockt.

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Es war der 24. März 2023, mitten in einer Länderspielphase, als die Saison des FC Bayern München einen massiven Einschnitt erlebte. Julian Nagelsmann wurde von seinen Aufgaben als Cheftrainer entbunden, obwohl er bis dahin alle Spiele in der Champions League, darunter je zweimal gegen Inter, den FC Barcelona und PSG, gewonnen hatte. In der Bundesliga befand sich der Rekordmeister in einem offenen Titelkampf mit Borussia Dortmund, der DFB-Pokalsieg war ebenfalls noch möglich.

In München reagierte man seinerzeit, so verkündeten es die Verantwortlichen, auf die negativen Tendenzen und die fehlende Konstanz. Im Klub hatte man offenbar das Gefühl, dass die Ziele in Gefahr waren. Thomas Tuchel wurde der Nachfolger als Cheftrainer, gewann zwar prompt gegen den BVB, schied aber in beiden Pokalwettbewerben binnen kürzester Zeit aus. Zudem häuften sich die Patzer in der Liga, Tuchel konnte kaum gegensteuern. Auf Rückschläge wusste das Team keine Antwort, wirkte lethargisch.

Zwar gelang es, die Saison wenige Minuten vor dem Ende noch mit dem 2:1-Sieg gegen Köln und der Meisterschaft zu beenden, aber mitten in der Schlussphase des letzten Spieltags ertönte der nächste Paukenschlag. Sportvorstand Hasan Salihamidzic und CEO Oliver Kahn müssen gehen, titelten mehrere Medien. Quasi zeitgleich mit der Schalenübergabe wurde die Meldung auch seitens des Klubs bestätigt. Jan-Christian Dreesen übernimmt die Kahn-Position, ein Sportvorstand wird gesucht. Dass nicht die Meisterschaft, sondern die Geschehnisse drumherum die Hauptrolle am Wochenende spielten, passte irgendwie zur Saison des FC Bayern.

Das Problem ist die Kommunikation

Eine gewisse Unruhe in München ist nun nicht selten, aber zwischen dieser und der Rückkehr des vielzitierten "FC Hollywood" liegen noch einige Eskalationsstufen. Die Nagelsmann-Entlassung hatte zumindest bis dato keinen signifikanten Einfluss auf die Mannschaft, zumindest keinen positiven. Dass er seinerzeit von der Entlassung aus den Medien erfuhr, als er sich im Skiurlaub befand, wurde hinlänglich kritisiert. Salihamidzic, Kahn und auch Präsident Herbert Hainer versuchten, die Gesamtsituation zu beruhigen - ohne Erfolg.

Wie groß das Problem der stringenten Kommunikation beim FC Bayern ist, zeigen die Personalien Salihamidzic und Kahn. Über die Entlassungen selbst muss nicht viel diskutiert werden, denn "Brazzo" hatte den ein oder anderen Fehlgriff auf dem Transfermarkt zu verantworten, beispielsweise Sadio Mané. Auch die fehlende Neubesetzung der "9" nach dem Lewandowski-Abgang und die Tatsache, dass seit Thiago kein klassischer Allround-6er mehr im Kader steht, sind dem ehemaligen Sportvorstand anzulasten.

Kahn soll intern nicht das beste Standing gehabt haben

Und Kahn? Der redete oft viel, sagte aber wenig. Und soll intern, das wurde am Wochenende von vielen Seiten berichtet, nicht das beste Standing gehabt haben. Eine saubere Trennung und Klarheit in der Außendarstellung hätten für weniger Unruhe gesorgt. Das gelang aber nicht. Seien es nun Aussagen von Kahn in den sozialen Medien, nach denen er weder in Köln beim letzten Spiel noch auf der Meisterfeier erwünscht war, oder aber die Pressekonferenz am Sonntag, bei der Hainer einmal von schwierigen und emotionalen Gesprächen mit dem Ex-CEO berichtete, kurz danach aber wieder von einem "ruhigen Telefonat" sprach: Für Diskussionsstoff war reichlich gesorgt.

Dass es überhaupt vor dem Saisonende zur Trennung kam, war einer außerordentlichen Aufsichtsratssitzung zu verdanken. Eigentlich, so kommunizierte man in München, werde die Analyse der Saison am Dienstag nach dem Ende der Saison stattfinden. Die ungeplante, eingeschobene Sitzung besiegelte das Schicksal von Kahn und Salihamidzic aber schon vorher. Das irritierte nicht nur die beiden, sondern auch Trainer Thomas Tuchel, der nach dem Titelgewinn erst einmal sprachlos war, obwohl er immerhin schon 24 Stunden vorher eingeweiht wurde.

Bayern-Präsident Hainer gibt keine gute Figur ab

Bei aller, teilweise auch berechtigter, Kritik an Salihamidzic und vor allem Kahn wird ein Protagonist gerne vergessen: Herbert Hainer. Seit 2019 fungiert er als Präsident beim FC Bayern und seitdem gab es kaum einmal eine über mehrere Monate andauernde Phase der Ruhe beim Rekordmeister. Diskussionen um und mit Hansi Flick rund um dessen Abgang, fortwährende Gerüchte rund um einen Maulwurf innerhalb des Klubs, geleakte Informationen und schließlich das kommunikative Desaster der laufenden Saison sind nur einige der Störfaktoren.

Der Präsident versäumt es selbst, Ruhe in den Klub zu bringen. Und auch hier steht die Kommunikation im Vordergrund. Brisant: Kurz vor der Nagelsmann-Entlassung stärkte der Präsident selbst dem jungen Trainer noch öffentlich den Rücken. Einige Probleme wurden unter den Tisch gekehrt, immer wieder von einem grandiosen Kader gesprochen, obwohl die fehlende Homogenität auf einigen Schlüsselpositionen schon vor der Saison offensichtlich war.

Umgang mit der Personalie Kahn: Alles andere als souverän

Das Saisonabschlusswochenende war in diesem Fall ein negativer Höhepunkt für Hainer. Sein unsouveräner Umgang mit der Personalie Kahn fiel auf. Noch dazu stellte er sich nach dem Meistertitel gleich zweimal vor die Mikrofone und betonte, dass der Klub die Entscheidung im Fall Salihamidzic und Kahn bis nach dem Saisonfinale geheim halten wolle, damit sich das Team auf die Meisterschaft konzentrieren kann, "was ja auch geklappt hat". Den Worten des Präsidenten nach zu urteilen war das ein "Sieg" für den FC Bayern. So kann die Realität auch verdreht werden.

Herbert Hainer wird sein Auftreten anpassen müssen. Noch steht er nicht allzu sehr in der Kritik, aber die Dinge können sich bei einem Klub wie dem FCB schnell ändern. Für ihn wird es wichtig sein, dass in der neuen Besetzung rund um Dreesen wieder mehr Ruhe einkehrt, die interne Abstimmung klarer und besser erfolgt und vielleicht auch einmal mehr nachgedacht wird, ehe die Kommunikation mit der Öffentlichkeit erfolgt. Denn das kommunikative Desaster darf sich nicht wiederholen.

Verwendete Quellen:

  • Kicker: Hainers Breitseite gegen Kahn: "Man hat es ja am Beispiel Salihamidzic gesehen"
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