Der FC Bayern München wird wohl Meister und Eintracht Frankfurt lebt seinen Traum von Europa. Während an der Tabellenspitze der Bundesliga alle Entscheidungen gefallen sind und auch Turbine Potsdam als Absteiger feststeht, ist ein Dreikampf um den Klassenerhalt entbrannt. Fünf Erkenntnisse zum 20. Spieltag.

Eine Analyse
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FC Bayern München: Bald auf Augenhöhe mit dem VfL Wolfsburg

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Der FC Bayern München wird Deutscher Meister – sehr wahrscheinlich. Noch ist es rechnerisch nicht entschieden, doch am Freitagabend haben die Münchnerinnen mit einem knappen 1:0-Sieg gegen die TSG Hoffenheim vorgelegt. Mit den drei Punkten bauten sie den Vorsprung auf den VfL Wolfsburg auf vier Punkte aus. Der Druck lag somit also bei den Wölfinnen, die wiederum ein schweres Auswärtsspiel bei Eintracht Frankfurt zu absolvieren hatten.

Vor 17.800 Zuschauerinnen und Zuschauern patzten die amtierenden Meisterinnen nicht nur, sie gerieten sogar überraschend unter die Räder. Eine 0:4-Niederlage ließ den Triple-Traum platzen. Dass die Bayern es in Leverkusen und gegen Turbine Potsdam nicht schaffen, diese Bundesliga-Saison erfolgreich über die Ziellinie zu bringen, ist unwahrscheinlich. Zu stabil und zu souverän absolvieren sie ihre Spiele derzeit.

Auch wenn es gegen Hoffenheim auf dem Papier nur der Kopfball von Lea Schüller war, der den Unterschied machte. Es hätten aber auch mehr Tore sein können. 23 zu sechs Abschlüsse, 58 Prozent Ballbesitz und ein druckvolles Spiel nach vorn – Bayern verpasste es lediglich, den Sack zu schließen.

Ein bisschen war dieses Meisterstück gegen Hoffenheim somit auch Sinnbild für den gesamten Entwicklungsprozess des FCB unter Alexander Straus. Es ist bemerkenswert, wie schnell es dem Norweger gelang, eine dominante und sehr stabile Spielanlage zu etablieren. Defensiv kassieren die Münchnerinnen kaum Gegentore, offensiv reicht es oft aus, um die Spiele zu gewinnen. Für die kommende Saison wird es der Anspruch der Bayern sein, noch mehr Konstanz zu entwickeln, im Angriff aber auch noch gefährlicher zu sein.

Gerade deshalb ist es eine Ansage an den VfL Wolfsburg, dass man schon zu Beginn dieses Prozesses in der Lage ist, die Deutsche Meisterschaft zu gewinnen. Können Straus und Co. in der kommenden Saison darauf aufbauen, wird dieser Titel keine Eintagsfliege bleiben. Es wurde oft beschrien und es trat dann doch nicht ein, aber Wolfsburg könnte endlich ebenbürtige Konkurrenz bekommen.

VfL Wolfsburg: Belastung und fehlender Glaube sind die Ursachen

Allerdings ist es viel zu früh, um eine vermeintliche Wachablösung herbeizufantasieren. Zur Wahrheit gehört nämlich auch, dass die Bayern das Quäntchen Glück im Titelkampf hatten, das ihnen beispielsweise in der vergangenen Saison fehlte. Wolfsburg hat ungewöhnlich viel angeboten. Das dürfte auch damit zusammenhängen, dass die Belastung enorm war.

Das gilt zweifelsfrei auch für die Bayern, nur scheint es den VfL diesmal schlicht etwas härter getroffen zu haben. In der Bundesliga wirkte das Team von Tommy Stroot zuletzt etwas unaufmerksam und unkonzentriert. Auch gegen Frankfurt boten die Spielerinnen zu viel an. So breit der Kader auch ist, so schwer war es, den Ausfall von Lena Lattwein zuletzt aufzufangen. Im Mittelfeld probierte der Trainer vieles aus, fand aber keine optimale Lösung.

Auch Oberdorf wirkte bisweilen nicht fit, biss spürbar auf die Zähne. Im Fußball der Frauen muss die Belastung für die Spielerinnen eine größere Aufmerksamkeit erhalten. Es ist kein Zufall, dass derzeit sehr viele Top-Stars mit Kreuzbandverletzungen ausfallen. Allein beim FC Arsenal, dem Halbfinal-Gegner des VfL Wolfsburg in der Champions League, erlitten in dieser Saison vier Stammspielerinnen einen Kreuzbandriss. Ein "weiter so" kann es hier nicht geben.

Wolfsburg wurde von schweren Verletzungen weitgehend verschont. Doch dass sie in der Bundesliga für die vielen Pflichtspiele bezahlt haben, ist kaum verwunderlich. Als dann das Ergebnis der Bayern am Freitagabend feststand, dürfte man auch beim VfL nicht mehr so richtig an die Meisterschaft geglaubt haben. Und so ist es eben auch mal einem Weltklasse-Team wie den Wolfsburgerinnen passiert, dass sie nach einem Rückstand nicht mehr nachlegen können.

Eintracht Frankfurt: Der Traum von Europa trägt das Team

Für eine solche Niederlage des VfL Wolfsburg braucht es aber auch einen Gegner, dem Respekt gebührt. Nachdem Eintracht Frankfurt in der letzten Saison den großen Traum von Europa realisieren konnte, um dann in der Qualifikation zu scheitern, schien das Team nochmal mehr zusammenzurücken.

Zwar sah es zwischenzeitlich so aus, als würde die Eintracht spielerisch etwas stagnieren, doch in der Rückrunde fand sie ihren Rhythmus – und das ausgerechnet in einer Phase, in der das kaum schwerer sein könnte. Spielabsagen und lange Unterbrechnungen verkomplizierten die Aufgabe. Aber Frankfurt gewann sechs der letzten sieben Bundesliga-Partien und holte gegen Hauptkonkurrent Hoffenheim ein wichtiges 3:3.

Die sechs Punkte Vorsprung werden sie sich im Schlussspurt nicht mehr nehmen lassen. In der kommenden Saison wird es eine weitere Chance geben, den Traum von der Gruppenphase der Champions League zu realisieren. Eine Chance, die sich das Team mit einer beeindruckenden Rückrunde erarbeitet hat.

Turbine Potsdam: Dieser Abstieg könnte für immer sein

Am anderen Ende der Tabelle ist ebenfalls eine Entscheidung gefallen. Eine, die kaum noch für Überraschung sorgt: Turbine Potsdam muss in die zweite Liga. Sechsmal Meisterinnen, dreimal Pokalsiegerinnen, zweimal Champions-League-Siegerinnen – und jetzt der Abstieg. Betrachtet werden muss dieser differenziert.

Zu Recht regt man sich in Potsdam darüber auf, dass Klubs ohne eine finanzstarke Männerabteilung im Rücken systematisch benachteiligt werden. Vor vier Jahren sagte Heike Ullrich, aktuell Generalsekretärin des DFB, dass sie beides gut findet: Lizenzvereine mit Profimannschaften bei den Männern und Klubs wie die SGS Essen oder Turbine Potsdam, die eine solche Unterstützung nicht genießen. "Der DFB muss die Voraussetzungen schaffen, diese Vielfalt zu erhalten", erklärte sie damals. Sollte das tatsächlich die Intention des Verbands gewesen sein, ist man gescheitert.

Viel näher liegt aber der Gedanke, dass das nie im Sinne des DFB war. Sonst hätte man beispielsweise die Fernsehgeldverteilung anders geregelt. Die meisten Klubs können in der Bundesliga im Schnitt mit einem Defizit von 1,5 Millionen Euro arbeiten. Dass Potsdam oder auch Essen da abgehängt werden, liegt auf der Hand.

Und doch zeigt gerade Essen, dass es möglich ist, sich durch nachhaltige Arbeit und ein gutes Konzept in der Talententwicklung oben zu halten. Potsdams Scheitern ist nicht nur die Schuld des Verbands, sondern eben zu großen Teilen hausgemacht. Interne Machtkämpfe, veraltete Strukturen, eine Kaderplanung, die einen nie dagewesenen Umbruch zur Folge hatte – auf vielen Ebenen hat Turbine Potsdam sich diesen Abstieg erarbeitet. Beide Perspektiven sind wichtig. Aber beide Perspektiven sorgen auch für die Befürchtung, dass der einstige Riese des deutschen Fußballs für immer aus dem Oberhaus verschwinden könnte.

Abstiegskampf: Drei Teams müssen noch zittern

Doch wer tritt gemeinsam mit Potsdam den Weg nach unten an? Mit dem 1. FC Köln (15 Punkte, Tordifferenz von -26), dem MSV Duisburg (17, -31) und dem SV Meppen (17, -17) sind noch drei Teams akut bedroht. Der SV Werder Bremen (21, -17) und auch die SGS Essen (21, -16) haben sich genug Vorsprung erspielt.

Durch die späten Tore von Nina Lührßen (75.) und Lina Hausicke (87.) sicherte sich Werder am 20. Spieltag sogar Big Points gegen Essen. Der 3:2-Sieg dürfte den Klassenerhalt bedeuten. Kölns 1:2-Niederlage gegen Meppen bringt den Effzeh wiederum in die missliche Lage, erneut auf einem Abstiegsplatz zu stehen. Für den 1. FC Köln wäre der Abstieg vor allem deshalb ein herber Rückschlag, weil man im vergangenen Sommer viel Geld in den Kader investiert hat.

Wie viel Potenzial im Standort steckt, zeigte nicht zuletzt der Rekord gegen Eintracht Frankfurt, als zuletzt 38.365 Fans zu Gast waren. Ein derartiger Misserfolg wäre nicht nur enttäuschend, sondern könnte auch dazu führen, dass das gestiegene Interesse an einer nachhaltigen Entwicklung wieder abbaut oder gar als gescheitert betrachtet wird.

Das Restprogramm macht den Kölnerinnen aber Hoffnung. Meppen hat es noch mit Wolfsburg und Frankfurt zu tun, Duisburg muss nach Essen und spielt dann gegen Hoffenheim. Köln hat noch ein Auswärtsspiel bei schwächelnden Freiburgerinnen und spielt das Saisonfinale dann gegen Essen. Mindestens ein Sieg muss es für den Klassenerhalt noch sein. Spannend bleibt es im Abstiegskampf wohl bis zum Schluss.

Verwendete Quellen:

  • Abstieg von Turbine Potsdam: Die Mär von der gewollten Vielfalt, Johannes Kopp
  • Frauen-Bundesliga im Fußball: Der Kick zum Geld, Johannes Kopp
  • DFB-Saisonreport zur Bundesliga-Saison 2021/22
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