Der FC Bayern schenkt bei Abstiegskandidat FC Augsburg einen sicher geglaubten Sieg her. Die Münchner haben sich den neuerlichen Patzer selbst zuzuschreiben - und offenbaren alarmierende Schwächen.

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Eilig schritt Niko Kovac unmittelbar nach dem Schlusspfiff in Richtung Rafael Foltyn. Doch das Schiedsrichterteam um Daniel Siebert konnte nun wirklich gar nichts für das, was sich da gerade am Samstagnachmittag in Augsburg abgespielt hatte.

Dafür, dass der FC Bayern beim Abstiegskandidaten FC Augsburg einen Sieg verspielt hatte und nach einem frühen Gegentor durch Marco Richter (1. Minute) und einem späten Gegentreffer durch Alfred Finnbogason (90.) nach zwischenzeitlichen Toren durch Robert Lewandowski (14.) und Serge Gnabry (49.) nur 2:2 (1:1) spielte.

Deswegen machte Kovac auch wieder kehrt, kurz bevor der 48-Jährige mit seinem ganzen Frust den Vierten Offiziellen Foltyn erreicht hatte.

Der Patzer im Derby kostete die mögliche Tabellenführung. "Wenn man sieht, wann die Gegentore fallen, wenn man nur hinterherläuft, dann ist das nicht Bayern-like", sagte Weltmeister und Kapitän Manuel Neuer hinterher sauer.

Er wusste: Die Münchner haben sich die zwei verlorenen Punkte im Kampf um die Meisterschaft selbst zuzuschreiben.

FC Bayern offenbart gravierende Konzentrationsmängel

Denn: Der FC Bayern offenbarte gravierende Konzentrationsmängel. "Wir sind überhaupt nicht ins Spiel gekommen", meinte Neuer zu den Konzentrationsschwächen, aus denen beide Gegentore resultierten. Coach Kovac monierte auf der Pressekonferenz: "Wir haben zwei Mal geschlafen."

Wohl am trefflichsten umschrieb Augsburgs Torschütze Richter eine alarmierende Erkenntnis für den Rekordmeister: "Man hat gesehen, dass sie noch verwundbar waren", sagte der 21-jährige Stürmer auf Nachfrage unserer Redaktion.

Zur frühen Führung erklärte er: "Ich habe gesehen, wie der Rani (Khedira) den Ball ohne Bedrängnis köpfen kann. Dann habe ich versucht, mit dem ersten Kontakt abzuschließen. Ein Tor gegen Manuel Neuer ist cool."

Cool fanden die Bayern die eigenen Nachlässigkeiten ganz und gar nicht. "Wir haben das Hinspiel der letzten Saison hergenommen, auf das Spiel in Dortmund verwiesen, wo sie (die Augsburger, Anmerkung der Redaktion) nach knapp 30 Sekunden in Führung gehen", erklärte Kovac: "Das hat nichts mit Lässigkeit zu tun, sondern mit Konzentration."

Trainer Niko Kovac redet sich förmlich in Rage

Kovac wirkte angefressen wie selten. "Was mich maßlos ärgert ist, dass wir nicht so verteidigen, wie ich es erwarte", sagte der Kroate. Er redete sich förmlich in Rage, blockte eine Reporterfrage sauer ab. Was Kovac konkret meinte?

Dass seine Mannschaft defensiv nach wie vor große Probleme hat, sowohl, wenn der Gegner hoch presst, als auch, wenn der Kontrahent blitzschnell umschaltet. "Wir haben uns aber vorgenommen, von Anfang an draufzugehen", erzählte Augsburgs Rani Khedira.

Und das funktionierte in der ersten Halbzeit lange "ganz gut", meinte Kollege Richter: "Wir wollten Druck auslösen, die Balleroberungen erzwingen."

Sturmkollege Florian Niederlechner (20.) und Richter (45.) vergaben vor der Pause beste Chancen, stressten die Bayern permanent, indem sie die hochstehende Abwehrkette gemeinsam mit Ruben Vargas immer wieder anliefen.

Bayern meisterte die meisten Drucksituationen, aber eben nicht alle. Dieser Makel, gepaart mit einer Anfälligkeit im Rückzugsverhalten bei Ballverlust, macht die Münchner seit Wochen "verwundbar" (Richter).

Die Augsburger hätten den Bayern "nicht die Zeit und den Raum gelassen, dass sie ihr Spiel aufziehen", erklärte Khedira auf Nachfrage unserer Redaktion und meinte wenig charmant in Richtung der Münchner: "Wir haben uns an das Hinspiel der vergangenen Saison erinnert, dass man gegen die Bayern, wenn es offen ist, hinten raus immer noch die eine Chance hat."

Damals, im Herbst 2018, hatte der spätere Meister kurz vor Schluss eine 1:0-Führung hergeschenkt, was anschließend ungemütliche Wochen für Kovac bedeutete. In ihm brodelte es nun sichtlich.

"Wir hatten der Mannschaft gezeigt, dass sie (die Augsburger, Anmerkung der Redaktion) es mit langen Bällen und Umschaltmomenten versuchen", motzte er.

Kein Wunder. Seine Mannschaft hat in den letzten vier Pflichtspielen je zwei Gegentore kassiert. Zehn Gegentreffer nach dem achten Spieltag gab es letztmals in der Ära unter Jürgen Klinsmann 2008/2009, auf die sie in München bis heute empfindlich reagieren.

Zu abhängig von Lewandowski und Gnabry

Die nächste alarmierende Erkenntnis: Der FC Bayern ist offensiv viel zu abhängig von Robert Lewandowski und Serge Gnabry. "Wir haben es vergeigt", meinte der neue Superstar. Der 24-Jährige hatte sich im bayerischen Schwaben noch am wenigsten vorzuwerfen. Das 1:1 bereitete er durchdacht vor, beim 2:1 vollendete er in bester Arjen-Robben-Manier.

Und als er nur den Pfosten traf (39.), fehlten schlicht Zentimeter, und nicht die Klasse. Diese ging nicht zum ersten Mal Leihspieler Philippe Coutinho ab. Der Brasilianer war nur Mitläufer, nicht Spielgestalter. Und auf die von Sportdirektor Hasan Salihamidzic permanent prophezeite Torgefahr, warteten Fans und Beobachter auch diesmal vergeblich.

Kurz nach der Halbzeit vergab der 27-Jährige aus kürzester Distanz gegen den in der ersten Hälfte so unsicheren FCA-Keeper Tomas Koubek. Coutinho enttäuschte auch in der Zentrale.

"Wir haben gemerkt, dass Thiago nicht an seiner angestammten Position steht, sondern eher an der Mittellinie, als Achter die tiefen Laufwege gemacht hat", erzählte Augsburgs Richter, da sich kaum ein Bayer den kritischen Fragen stellte. Anders formuliert: Thiago musste die Lücken schließen, die Coutinho hinterließ.

Bayern mit teils kläglicher Chancenverwertung

In die Liste kläglich vergebener Chancen reihten sich dann auch noch Kingsley Coman (54./79.) und Thomas Müller ein. Der Weltmeister hatte mehr Einsatzzeiten gefordert, musste aber zum sechsten Mal in Folge auf der Bank Platz nehmen - und schaufelte den Ball nach seiner Einwechslung am leeren Tor vorbei (90.). Aber auch bei Coman (ein Tor in sieben Bundesliga-Spielen) läuft es derzeit nicht rund.

"Wir hatten Glück, dass sie so viel verballert haben", analysierte Augsburgs Trainer Martin Schmidt schonungslos die mangelnde Chancenverwertung des Rekordmeisters bei 24 zu neun Torschüssen.

"Wir haben zu viele Chancen nicht gemacht, müssen wieder zu der Effektivität aus dem Tottenham-Spiel hinkommen", erklärte zwei Meter neben dem Schweizer Kovac am Ende der Pressekonferenz, als er sich wieder etwas beruhigt hatte.

Keine Frage: Nach wenig überzeugenden Auftritten in der Bundesliga mit einem durchwachsenen 3:2 beim SC Paderborn, einem schwachen 1:2 gegen 1899 Hoffenheim und nun dem Remis in Augsburg dürfte es ohne Aufschwung bald ähnlich ungemütlich für den Bayern-Trainer werden wie vor einem Jahr.

Quellen:

sport1.de: Bayern wie zu Klinsmanns Zeiten
kicker.de: Spieldaten FC Augsburg gegen FC Bayern


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