• Das letzte Rennwochenende in Abu Dhabi war noch einmal eine große Bühne für Sebastian Vettel.
  • Der Abschied des Deutschen aus der Formel 1 wurde geradezu zelebriert.
  • Einige Kollegen unken schon, dass es einen Rücktritt vom Rücktritt geben wird.

Mehr News zur Formel 1

Sebastian Vettel fühlte sich müde. Ausgelaugt. Körperlich, aber auch mental. Und die Erschöpfung setzte mit voller Wucht ein. Er schaute sich um, als er nach seinem zehnten Platz im letzten Rennen in Abu Dhabi noch auf der Strecke eines seiner letzten Interviews als Formel-1-Fahrer gab. Die Fans auf den Tribünen jubelten ihm zu, während er es langsam sacken ließ, dass seine Karriere in der Motorsport-Königsklasse nun tatsächlich in den allerletzten Zügen liegt.

"Ich hätte gerne mehr Punkte geholt, aber ich habe das Rennen genossen", sagte Vettel: "Ich fühle mich jetzt etwas leer nach diesem Wochenende. Ich sehe viele Flaggen, viele lächelnde Gesichter. Ich werde das alles wahrscheinlich noch viel mehr vermissen, als mir im Moment klar ist."

Für Vettel war es ein außergewöhnliches Rennwochenende. Und auch "ein stressiges Wochenende", wie er einräumte. Ganz viele nette Worte bekam er zu hören. Respektbekundungen. Umarmungen. Und Emotionen. Immer wieder Emotionen. Ob beim gemeinsamen Treffen mit allen Fahrern unmittelbar vor dem Rennwochenende, in den Interviews der Kollegen oder bei kleinen Abschiedsmeetings mit seinen Ex-Teams Red Bull Racing und Ferrari – Vettel stand im Mittelpunkt. Das Rennwochenende gehörte ihm. Und das zu Recht.

Ferrari-Teamchef über Vettel: "Fantastisch, herausragend, einmalig"

"Fantastisch, herausragend, einmalig", sagte Ferrari-Teamchef Mattia Binotto über seinen früheren Fahrer Vettel. Dazu erzählten Wegbegleiter und Konkurrenten Anekdoten, die verdeutlichen sollten, wie speziell Vettel nicht nur als Fahrer, sondern auch als Mensch war.

So verriet zum Beispiel Weltmeister Max Verstappen, dass er sich an eine Sache sein Leben lang erinnern werde: Als er letztes Jahr in Silverstone nach seinem schweren Unfall mit Lewis Hamilton zurück aus dem Krankenhaus zu seinem Motorhome kam, war Vettel "da, hat auf mich gewartet und gefragt: 'Wie geht es dir Max, bist du okay?' Das zeigt einfach, wie er ist."

Lewis Hamilton und Fernando Alonso trugen einen Helm, der Vettel gewidmet war. Der Spanier ging vor dem Rennstart sogar zu Vettel und kündigte an, dass er ihn nicht angreifen werde. "Mach dir in Runde eins keine Sorgen um mich. Genieß es. Du bist eine Legende", sagte er zu seinem langjährigen Rivalen. 299 Rennen absolvierte Vettel, gewann 53 davon und dazu vier WM-Titel. Welchen Fußabdruck der Deutsche in der Formel 1 tatsächlich hinterlassen hat, zeigte vor allem dieses Finale.

"Da war so viel Liebe und Mitgefühl, es fühlt sich an, als ob alles, was ich in den vergangenen Jahren gegeben habe, zurückkommt", sagte Vettel. "Es ist ein sehr besonderes und emotionales Wochenende. Die ganzen Jahre waren unglaublich. Irgendwann wird es mich schon einholen. Wahrscheinlich, wenn ich heute Abend schlafen gehe oder morgen früh." Eine ganze eigene Energie habe das Rennwochenende gehabt, erzählte Vettel, "diese guten Vibes waren etwas ganz Eigenes". Der Respekt, der ihm entgegengebracht wurde, ob durch Fahrer, Verantwortliche oder Fans, war in der Tat riesig und ist in dieser Form eine echte Seltenheit.

Ein Punkt zum Abschied

Red Bulls Motorsportberater Helmut Marko brachte es auf den Punkt. "Man sieht bei seinem Abschied, welche Lücke er hinterlassen wird", sagte der frühere Vettel-Förderer. Da standen die anderen Fahrer kurz vor dem Rennstart gerade Spalier für Vettel.

Dass sein Team mit einer völlig verkorksten Strategie seinen letzten Auftritt "abrundete", ärgerte den Rennfahrer Vettel – diesmal aber nur kurz. Dafür steht das Rennen sportlich sinnbildlich für die letzten Jahre. Einmal mehr stellte man sich unweigerlich die Frage: Was wäre mit einem besseren Auto, in einem besseren Team in den letzten beiden Saisons wohl möglich gewesen?

Die finale Zeit seiner Karriere mit Aston Martin will er trotzdem nicht missen. "Vieles ist passiert, ich habe vieles erkannt. Es ist schön zu wissen, dass wir die Macht haben, mit Worten und Taten die Fans zu inspirieren", so Vettel. Es gebe viel größere und wichtigere Dinge als Rennfahren im Kreis. Doch das sei es, was er liebe, sagte der 35-Jährige: "Und wenn wir dadurch ein paar wirklich wichtige Werte transportieren können, dann ist das eine große Sache."

Vettel transportierte, vor allem in den letzten Jahren. Er war immer ein wohltuender Gegenentwurf zur oberflächlichen Formel-1-Glitzerwelt, zum selbstverliebten Social-Media-Jahrgang, zur Generation "Ich". Ein bisschen Old School, im positiven Sinne, trotzdem immer auf der Höhe, was die wichtigen gesellschaftlichen Themen angeht.

Vettel legte sich auch mit der Formel 1 an

Er hat sich den Mund nicht verbieten lassen, kritisierte, diskutierte, und legte sich dabei auch mit der Formel 1 an, hielt ihr den Spiegel vor, argumentierte auch selbstkritisch, um etwas zu bewirken, zu verändern, voranzubringen. Durch seine Klartext-Haltung machte er sich nicht nur Freunde, trotzdem blieb sich der Deutsche treu. Typen wie er sind selten geworden heutzutage, in der Formel 1, im Sport. "Es ist ein großes Privileg, in der Position zu sein, in der wir sind. Das bringt eine gewisse Verantwortung mit sich", sagte Vettel. "Ich hoffe, dass ich den anderen Fahrern etwas von der guten Arbeit weitergeben kann."

Einige Kollegen gehen aber davon aus, dass er seine Arbeit schon bald wieder fortsetzen wird. "Du kommst doch wahrscheinlich zurück", sagte Hamilton in der Pressekonferenz grinsend an Vettel gerichtet: "Das haben wir ja auch schon bei anderen Fahrern gesehen. Also ich akzeptiere es und denke mir schon irgendwie ‚Ja, es ist sein letztes Rennen.‘ Aber im selben Augenblick denke ich mir auch: ‚Der kommt sicher zurück.‘" Und auch Alonso ist sich sicher, dass es Vettel nicht lange ohne die Formel 1 aushalten wird: "Ich weiß, dass du zurückkommen wirst, so wie ich. Bis bald."

Und was sagt Vettel dazu? Ein Comeback schließt er tatsächlich nicht komplett aus: "Ich weiß es nicht. Man kann nie nie sagen." Denn wer weiß, wie sehr er die Formel 1 in einem Jahr vermissen wird? Wie sehr die Formel 1 ihn vermissen wird, weiß er ja jetzt.

Verwendete Quellen:

  • Pressekonferenzen
  • TV-Übertragung Sky
Interessiert Sie, wie unsere Redaktion arbeitet? In unserer Rubrik "So arbeitet die Redaktion" finden Sie unter anderem Informationen dazu, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte kommen. Unsere Berichterstattung findet in Übereinstimmung mit der Journalism Trust Initiative statt.
JTI zertifiziert JTI zertifiziert

"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.