• Rennfahrer gelten als echte Draufgänger und Egomanen, Schwächen sind eigentlich verpönt.
  • Sebastian Vettel spricht nun aber offen über Selbstzweifel und auch Besuche bei einem Psychologen.
  • Diese Selbstzweifel waren auch ein Grund für seinen Rücktritt.

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Haben Sie sich schon mal gefragt, warum Sebastian Vettel so wild und verwegen aussieht, mit dieser Revoluzzer-Mähne und dem Zottel-Bart? Nein, es hat nichts mit seinem Kampf für mehr Nachhaltigkeit, Diversität und gegen Rassismus zu tun. Es ist viel simpler als die Rebellen-Theorie: "Mit 20 Jahren konnte ich mir noch keinen Bart wachsen lassen. Da war nur Flaum", verriet Vettel in der "Zeit".

Und die Haare "fangen nun schon an, ein bisschen dünner zu werden", so Vettel: "Da dachte ich, ich lasse sie lieber noch mal länger wachsen, bevor sie dann irgendwann insgesamt weniger werden." Ein bisschen Eitelkeit also.

Doch Vettel ist auch bei weitaus ernsteren Themen offen und ehrlich. So offenbarte er, dass Selbstzweifel mit ein Grund für den Rücktritt zum Saisonende gewesen seien. Das Mentale ist nicht das Lieblingsthema von Formel-1-Fahrern, deren Selbstbewusstsein normalerweise kaum einzufangen ist.

Einblicke in das Seelenleben gewähren sie meist nur ungern. Schwächen eingestehen? Undenkbar. Doch Vettel verriet, dass ihm seine Zweifel bereits vor zwei Jahren bewusst waren. Er war damals nach seinem Weggang von Ferrari neu bei Aston Martin, und es lief kaum etwas zusammen.

Zwei Jahre, die Gold wert waren

Da habe er sich gefragt: "Kann ich meinen Job überhaupt noch? Über so was redet man ja als Profi nicht, irgendwie scheint das verpönt zu sein. Aber wenn es so war? Persönliche Schwäche und Gedanken darüber gehören doch zur Leistung und auch zum Erfolg dazu", so Vettel. Und für diese Erkenntnis seien die vergangenen beiden Jahre für ihn Gold wert gewesen, sagt er.

Sportlich waren sie weniger wertvoll, er fuhr seit 2021 nur einen einzigen Podiumsplatz ein – für einen viermaligen Weltmeister und die Ansprüche, die man dann hat, viel zu wenig. Seinen letzten Sieg in der Formel 1 feierte er 2019.

Selbst ein Top-Team hätte ihn wohl nicht mehr von seiner Entscheidung abgehalten. Er könne es nicht zu hundert Prozent beantworten, "weil es die Option nicht gab", so Vettel. "Aber eigentlich kam ich beim Nachdenken darüber zu dem gleichen Entschluss. Nach all den Selbstzweifeln, die in mir hochgekommen sind, war für mich die Erkenntnis wichtiger, dass es okay ist aufzuhören."

Ein Abgang als Weltmeister? "Klar wäre das eine tolle Sache, als Champion auf dem Höhepunkt abzutreten. Das versuchen viele von uns. Einige scheitern daran und verlieren sich", so der 35-Jährige weiter. Ehe ihm das passiert, hat er lieber die sportliche Reißleine gezogen.

Nicht schämen für mentale Probleme

Vor dem 15. Saisonrennen in Zandvoort verriet Vettel zudem, dass er schon psychologische Hilfe in Anspruch genommen habe. Noch so ein Tabuthema in der Formel 1, erst in den letzten zwei Jahren haben sich zum Beispiel McLaren-Pilot Lando Norris oder Mercedes-Teamchef Toto Wolff in der Hinsicht geöffnet, um zu verdeutlichen, dass man sich für mentale Probleme nicht schämen muss, sondern sich Hilfe holen und zulassen sollte.

"Es ist nichts, wofür man sich schämen muss", sagte auch Vettel. Denn die offene Auseinandersetzung damit ist der erste Schritt auf dem Weg zu einer möglichen Besserung. "Aus irgendeinem Grund sehen wir diese Experten als ein Zeichen von Schwäche an, wenn es um seelische Gesundheit geht, aber überhaupt nicht, wenn es um körperliche Gesundheit geht."

Bei einem Beinbruch suche man ja auch einen Arzt auf, um das Bein zu richten. "Der clevere Schachzug wäre gewesen, wie ich den Bruch verhindern kann", sagte Vettel und betonte dabei die Bedeutung von Prävention.

Wie geht es weiter?

Wohl auch deshalb fragt sich Vettel schon jetzt, wie es nach dem letzten Rennen am 20. November für ihn weitergehen wird. Klar: Er wird seine Rolle als Vater und Ehemann noch stärker ausfüllen. Und sonst? Er weiß, dass der Übergang vom Profitum in das Privatleben eine große Herausforderung sein kann.

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"Vielleicht wird mich das aufwühlen, dass alles das, was ich bis jetzt aufgebaut habe, zerfällt oder zerplatzt. Es scheint keine Garantie dafür zu geben, diesen Test zu bestehen", sagte Vettel: "Vielleicht werde ich dieses Rennen nicht gewinnen, vielleicht noch nicht mal zu Ende fahren. Ich weiß es nicht."

Gut möglich also, dass Selbstzweifel auch nach der aktiven Karriere bleiben. Doch Vettel scheint dafür gerüstet.

Verwendete Quellen:

  • zeit.de: Sebastian Vettel: "Kann ich meinen Job noch?"
  • sportschau.de: Ex-Weltmeister Vettel suchte psychologische Hilfe auf
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