• Schleswig-Holstein hat einen neuen Landtag gewählt.
  • Der Wahlsieg des bereits amtierenden Ministerpräsidenten Daniel Günther (CDU) war bereits prognostiziert worden.
  • Mit einem Ergebnis von 43,5 Prozent fällt es aber noch besser aus, als erwartet.
  • Politikwissenschaftler Christian Martin sagt: "Das wirft für die CDU Fragen auf".
Eine Analyse
Dieser Text enthält eine Einordnung aktueller Ereignisse, in die neben Daten und Fakten auch die Einschätzungen der Autorin bzw. des zu Wort kommenden Experten einfließen. Hier finden Sie Informationen über die verschiedenen journalistischen Textarten.

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Das nördlichste Bundesland Deutschlands hat gewählt: Aus der Landtagswahl in Schleswig-Holstein ging die CDU als klare Wahlsiegerin hervor. 43,5 Prozent der Stimmen konnte CDU-Kandidat Daniel Günther nach aktuellen Hochrechnungen auf sich vereinen – fast ausreichend für eine absolute Mehrheit, für die 35 Sitze im Landtag notwendig wären. Der Stimmanteil bedeutet 34 Sitze im Landtag.

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"Für mich ist das ein Ergebnis, das mich berührt. Ich kann mich nicht erinnern, wann wir so ein Ergebnis hatten, das ist schon 40 Jahre her", sagte Günther am Wahlabend. Er regiert bereits seit 2017 mit Grünen und FDP in einer Jamaika-Koalition.

Beliebtester Ministerpräsident des Landes

Der SPD-Kandidat Thomas Losse-Müller stürzte auf 15,9 Prozent der Stimmen ab, ein historischer Tiefstand seit 1947. Nach aktuellen Hochrechnungen kommen die Grünen auf 18 Prozent, die FDP auf 6,4 Prozent. Die AfD würde mit 4,6 Prozent aus dem Landtag fliegen.

Das gute Wahlergebnis des amtierenden Ministerpräsidenten hatten politische Beobachter bereits kommen sehen. Günther gilt als beliebtester Ministerpräsident Deutschlands, große Teile des Bundeslandes sind mit der politischen Arbeit seiner Regierung zufrieden.

Günthers Politikstil gibt den Ausschlag

In den jüngsten Wahlumfragen wiesen die Umfrageinstitute für die CDU Werte von 39 Prozent aus – das jetzige Ergebnis liegt noch einmal deutlich darüber. Vor fünf Jahren hatte die CDU 32 Prozent der Stimmen geholt, vor allem die SPD musste im Vergleich zu damals diesmal Federn lassen (2017: 27,3 Prozent).

"Das gute Wahlergebnis von Günther liegt vor allem an seiner Person und an seinem Politikstil", ist sich Politikwissenschaftler Christian Martin sicher. Das Ergebnis im Norden Deutschlands werfe allerdings Fragen für die CDU im Bund auf.

Gegenstück zu Parteichef Merz

"Günther ist in gewisser Weise das Gegenstück zu Parteichef Friedrich Merz. Er ist wenig konfrontativ, lagerübergreifend aufgestellt und war damit jetzt ziemlich erfolgreich", analysiert der Experte. Die Fragen lauteten nun: "Was ist der richtige Kurs für die CDU? Welches Modell von Opposition oder Christdemokratie soll es sein? Ist Konfrontation, Angriff, Attacke erfolgversprechender oder in Anlehnung an Merkel ein landesväterlicher, lagerübergreifender Stil?", erklärt der Experte.

Aus Sicht von Experte Martin liegt die Antwort auf der Hand: "Erfolgversprechend ist, was in die Mitte zielt. Merz glaubt zwar, er befinde sich dort, in Realität ist aber Günther viel mittiger", meint er. In Schleswig-Holstein sei Günther mit einem riesigen Amtsbonus in die Wahl gegangen.

Spannende Koalitionsbildung

"Der Spitzenkandidat der SPD war bei den Wählerinnen und Wählern zu unbekannt. Wenn aber Dreiviertel der Befragten sagen, dass sie mit der Arbeit der Landesregierung zufrieden oder sehr zufrieden sind, wird es für jeden Oppositionskandidaten schwierig", erinnert Martin.

Nun werde die Koalitionsbildung spannend. Nach aktuellem Stand hat die CDU die Wahl: Sie könnte gemeinsam mit der FDP eine Mehrheit erlangen, aber auch mit den Grünen, der SPD und dem SSW. Die SPD hat den Gang in die Opposition allerdings bereits angekündigt. "Die CDU wird sich entscheiden müssen, ob sie mit den Grünen einen lagerübergreifenden Kurs fahren will, oder mit der FDP einen ähnlicheren Partner auswählt", sagt Martin.

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Lob von den Grünen

Grünen-Politiker Robert Habeck hat sich am Wahlabend bereits angedient: "Das ist ein sehr, sehr starkes grünes Ergebnis und Daniel Günther hat die Wahl gewonnen", sagte er. Günther werde aber auch wissen, wem er das gute Ergebnis zu verdanken habe.

Konservative und moderne Kräfte hätten gut zusammengearbeitet. "Ich glaube, Daniel Günther ist schlau genug, zu sehen, wenn zwei Parteien die Wahl gewinnen, was daraus dann zu folgen hat", so Habeck. Experte Martin kommentiert: "Die Grünen waren an der Regierung beteiligt, sodass Habeck die Lage deshalb natürlich sehr optimistisch interpretiert. Man kann über die letzten fünf Jahre auch sagen: Allen Wohl und keinem Weh".

Rückenwind für NRW

Die Regierung in Kiel habe Geld ausgeben und Dinge aufschieben können. "Themen wie die LNG-Terminals wurden nicht entschieden", erinnert der Experte. Wenn nun aber die Verteilungsspielräume enger würden und Entscheidungen durch die internationale Lage drängten, könne sich das schnell ändern. "Günther wird sich fragen müssen, mit welcher Partei er da am besten gemeinsam Politik machen kann", sagt Martin.

Das Wahlergebnis gibt der CDU auch für die kommende Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen (15. Mai) Rückenwind. "Allerdings unter ganz anderen Vorzeichen – in NRW kann CDU-Kandidat Hendrik Wüst nämlich nicht auf einen Amtsbonus zählen. Er kam während der Legislaturperiode für Armin Laschet ans Ruder", erinnert der Politikwissenschaftler.

Rückkehr der Volksparteien?

Das gute Ergebnis in Schleswig-Holstein werde der CDU in NRW zwar ein wenig nützen, Prognosen für den Wahlausgang am kommenden Wochenende ließen sich aber nicht ableiten. Schwierig seien Prognosen auch in einer ganz anderen Frage: Deutet das Ergebnis, was fast eine absolute Mehrheit bedeutet, auf eine Rückkehr der Volksparteien hin? "Das Ergebnis läuft dem Trend der letzten Jahre jedenfalls zuwider", sagt auch Martin.

Bei der Landtagswahl im Saarland habe man zuletzt etwas Ähnliches erlebt: Dort holte die SPD 43,5 Prozent der Stimmen und verbesserte sich um 13,9 Prozentpunkte im Vergleich zur vorherigen Landtagswahl. "Eine Alleinregierung ist wieder möglich", sagt Martin. Für die These spreche auch, dass nach aktuellem Stand weder die AfD noch die Linke die Fünf-Prozent-Hürde nehmen. "Es wird spannend, nun bei der NRW-Wahl zu sehen, ob der Trend anhält oder nicht", kommentiert Martin.

Über den Experten:
Prof. Dr. Christian Martin ist Politikwissenschaftler an der Universität Kiel. Zu seinen Forschungsschwerpunkten zählen Vergleichende Politikwissenschaft, Globalisierung und Interdependenz sowie Wahl- und Parteienforschung.

Verwendete Quellen:

  • Dawum.de: Wahltrend Schleswig-Holstein vom 06.05.2022.
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