• CIA-Direktor Bill Burns hat vor möglichen Waffenlieferungen aus China nach Russland gewarnt.
  • Die USA wollen Informationen haben, wonach Peking "tödliche Unterstützung" für Russland im Ukraine-Krieg erwägt.
  • Was würde das bedeuten? Politikwissenschaftler Tobias Fella gibt Antworten.
Eine Analyse
Dieser Text enthält eine Einordnung aktueller Ereignisse, in die neben Daten und Fakten auch die Einschätzungen von Marie Illner sowie ggf. von Expertinnen oder Experten einfließen. Informieren Sie sich über die verschiedenen journalistischen Textarten.

Von Washington bis Warschau ist man sich einig: Russland darf diesen Krieg nicht gewinnen. Die geschlossene Unterstützung des Westens übersetzt sich in gemeinsamen Sanktionen, Waffenlieferungen und scharfe Rhetorik gegen den Kreml.

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Von Anfang an uneindeutig war hingegen die Position Pekings. Es verurteilt den russischen Angriffskrieg nicht eindeutig, gibt Moskau in Bezug auf die USA und Nato als Kriegsverursacher Rückendeckung und es trägt auch die Sanktionen nicht mit.

Denn China sitzt zwischen den Stühlen. Wirtschaftliche Verbindungen in den Westen, ideologische Gemeinsamkeiten mit Russland und dann auch noch die eigene Taiwan-Frage haben China bislang davon abgehalten, klar Position für eine Seite zu beziehen. In einer vermeintlich neutralen Rolle fühlte sich Präsident Xi Jinping am wohlsten.

CIA warnt vor Waffenlieferungen Chinas

Nun aber kommt Bewegung ins Spiel, denn nach Auffassung von CIA-Chef Bill Burns zieht China die Lieferung "tödlicher Unterstützung" an Russland "in Erwägung", habe aber noch keine endgültige Entscheidung getroffen. Das äußerte er im Gespräch mit "CBS News". Auch US-Außenminister Antony Blinken warf China vor, Waffenlieferungen an Russland zu planen. Die US-Regierung habe Informationen, wonach China überlege, Russland mit Waffen und Munition zu unterstützen.

Die USA machten auch bereits deutlich, was ein solcher Schritt bedeuten würde. "Peking wird seine eigenen Entscheidungen treffen müssen, wie es vorgeht und ob es militärische Unterstützung gewährt", sagte der Sicherheitsberater Jake Sullivan gegenüber CNN. Wenn Peking aber diesen Weg beschreite, werde das "wirkliche Kosten" für China haben.

Peking streitet Vorwürfe ab

Peking selbst stritt das ab. Washington solle aufhören "falsche Informationen" zu verbreiten, forderte der Sprecher des chinesischen Außenministeriums in Peking, Wang Wenbin. Weiter hieß es, es seien die USA, die Waffen auf das Schlachtfeld lieferten, nicht China. Zum jetzigen Zeitpunkt hat China zumindest offiziell keine Rüstungsgüter für den Krieg in der Ukraine nach Russland geliefert.

Chinesische Firmen sollen aber Medienberichten zufolge sogenannte Dual-Use-Güter geliefert haben, die sowohl im zivilen als auch im militärischen Bereich einsetzbar sind. Dazu zählen zum Beispiel Drohnen.

Sprecher Wang äußerte sich dazu nicht, betonte aber, die USA hätten nicht das Recht, Forderungen an Peking zu stellen. China akzeptiere "weder Druck noch Zwang" in seinen Beziehungen zu Russland. Die Beziehungen zwischen Washington und Peking sind in den vergangenen Wochen durch die Ballon-Affäre noch einmal weiter abgekühlt.

Besorgnis in Europa wächst

US-Präsident Joe Biden selbst sagte in einem Interview mit "ABC News": "Ich erwarte keine große Initiative von China, Russland mit Waffen auszustatten." Dennoch sorgte der Vorwurf in Europa für Besorgnis. Aus Sicht von Josep Borrell, dem EU-Außenbeauftragten, wäre mit Waffenlieferungen "eine rote Linie" überschritten. Das sagte er am Rande des Außenministertreffens in Brüssel. Er habe dies auch dem ranghohen chinesischen Außenpolitiker Wang Yi klargemacht. Wang habe ihm aber versichert, China habe "keine Absicht, dies zu tun." Eindeutige Warnungen an China kamen auch aus Frankreich und Schweden.

China und Russland argwöhnisch gegenüber USA

Wie wahrscheinlich also sind Waffenlieferungen von China an Russland? Wie glaubwürdig ist Pekings "12-Punkte-Plan", den es pünktlich zum Jahrestag des Angriffs vorgelegt hat? Darin fordert China eine friedliche Beilegung des Konflikts, es dürfe zum Beispiel keine Angriffe auf Zivilisten geben und keinen Einsatz von Atombomben.

Politikwissenschaftler Tobias Fella ist Experte für internationale Beziehungen und beobachtet den Konflikt von Anfang an. Er sagt: "China und Russland teilen verschiedene Aspekte, wie Argwohn gegenüber einer amerikanisch dominierten internationalen Ordnung." Beide Länder hielten die Vereinigten Staaten für zu mächtig und bezeichneten die USA als expansiven Akteur, der ihre Einflussansprüche bedroht oder unterminiert.

Vorsicht vor "Game Changer"-Rhetorik

"Und sicherlich gibt es auch in Washington nicht wenige Stimmen, die der Meinung sind, dass die USA als Demokratie gegen ein autokratisches China und Russland arbeiten müssen. Für diese Stimmen kommt jede Kritik aus Moskau oder Beijing einem Ritterschlag für die USA gleich", erklärt der Experte.

Was potenzielle chinesische Waffenlieferungen an Russland angeht, warnt er davor, von einem "Game Changer" zu sprechen. "Es handelt sich um einen Abnutzungskrieg, bei dem es weiterhin darauf kommt, welche der Konfliktparteien den längeren Atem hat", sagt Fella. Die Warnung der Amerikaner an China, keine Waffen an Russland zu liefern, solle China wohl von einer offeneren Unterstützung Russlands und einer direkten militärischen Unterstützung abhalten.

China könnte es aus Sicht von Fella wiederum darum gehen, durch Waffenlieferungen oder auch nur die Spekulation darüber die westliche Unterstützung der Ukraine zu beeinflussen und dadurch einen nachteiligen Kriegsausgang für Russland zu verhindern. "Was wir hier beobachten, ist auch eine Krisen- und Abschreckungskommunikation zwischen Peking und den westlichen Hauptstädten, vor allem Washington", sagt der Experte.

Experte: "Debatte im Westen ist unterkomplex"

Mike Pompeo, ehemaliger CIA-Direktor und Außenminister, twitterte jüngst: "China will, dass Putin gewinnt. Der beste Weg, die Kommunistische Partei Chinas abzuschrecken, ist, der Ukraine zu helfen, Russland zu besiegen" und der Republikaner Bill Bush schrieb: "China gewinnt, egal, was mit Russland passiert. Wenn Russland verliert, wird China mit Darlehen auf sein Territorium eindringen. Wenn Russland gewinnt, haben die USA ihr Waffenarsenal aufgebraucht und China marschiert in ganz Asien."

Auch Fella sagt zumindest: "Ich denke, dass Beijing nicht möchte, dass Russland den Krieg verliert." Es sei aber entscheidend, was mit "verlieren" gemeint sei. Diesbezüglich hält er die Debatte im Westen für unterkomplex. "Es gibt Niederlagenszenarien für Russland, bei denen die nukleare Eskalation wahrscheinlicher wird. Es gibt andere, bei denen davon auszugehen ist, dass China seine Unterstützung für Russland verstärkt", sagt er. Es sei in jedem Fall verkürzt zu glauben, dass der chinesische Einfluss auf russische Entscheidungen unbegrenzt sei. Gerade in Stresssituationen könnten rationale Entscheidungsprozesse aussetzen.

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Eskalationsmanagement ist gefragt

Eine umfassendere chinesische militärische Hilfe, beispielsweise durch die Ausstattung mit Artilleriemunition, könnte aus seiner Sicht aber – abhängig von ihrer Ausgestaltung und der westlichen Reaktion – dazu führen, dass man neu bewerten müsste, wer auf längere Sicht die besseren Karten hat. "In einem Abnutzungskrieg geht es aber weniger um schnelle Vorstöße, sondern mehr um Durchhaltefähigkeit", erinnert er.

In Bezug auf Atomwaffen appelliert Fella eindringlich, Risiken zu minimieren und ein Eskalationsmanagement zu betreiben. Er erklärt: "Es ist wichtig, dass hier die Kommunikationskanäle vor allem zwischen Washington und Moskau offenbleiben und genutzt werden." Austausch und bestenfalls Kooperation unter den Großmächten sei gerade zu Zeiten der systemischen Konkurrenz wesentlich, um Krisen zumindest managen zu können. "Rüstungskontrolle und vertrauensbildende Maßnahmen bleiben wichtig und sind im deutschen Interesse", betont er.

Was würde es für Deutschland bedeuten, wenn Peking wirklich liefert? Dazu sagt Fella: "Wenn Peking wirklich liefert, gewänne der Krieg zusätzlich an Schärfe. Die Kosten und Risiken für alle Seiten würden sich nochmals erhöhen, auch weil der Westen hierauf gewissermaßen reagiere 'müsste', um glaubwürdig zu bleiben." Deutschland könnte sich diesen Dynamiken aus seiner Sicht kaum entziehen. "Im schlimmsten Fall drohen neue Eskalationen", sagt er. Diplomatische Anstrengungen zur Kosten- und Risikokontrolle wären dann gefragt.

Über den Experten: Tobias Fella ist sicherheitspolitischer Referent des Hamburger Haus Rissen. Zuvor war er Mitarbeiter der Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) und der Stiftung Wissen und Politik (SWP). Zu seinen Forschungsschwerpunkten zählen Russische Außen- und Sicherheitspolitik, neue Militärtechnologien und der Formwandel des Krieges sowie soziale Medien und Desinformationskampagnen.

Verwendete Quellen:

  • cbsnews.com: CIA Director Burns "confident" China considering lethal aid to Russia
  • CNN Politics: National security adviser warns China about sending weapons to Russia
  • Generalkonsulat der Volksrepublik China in Düsseldorf: Foreign Ministry Spokesperson Wang Wenbin’s Regular Press Conference on February 22, 2023
  • wsj.com: U.S. Considers Release of Intelligence on China’s Potential Arms Transfer to Russia
  • bloomberg.com: China almost certainly gave russia dual use aid blinken says
  • abcnews.go.com: Biden vows to respond if China offers weapons to Russia
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