• China hat ein zwölf Punkte umfassendes Dokument vorgelegt, das eine "politische Beilegung" des Kriegs in der Ukraine ermöglichen soll.
  • Die Ukraine lehnt das Papier ab.
  • Auch von Diplomaten und politischer Seite herrschen Enttäuschung und Skepsis vor.

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China hat am Freitag mit einem Vorschlag für einen Waffenstillstand in der Ukraine aufhorchen lassen. Zum ersten Jahrestag von Russlands Einmarsch in der Ukraine veröffentlichte Peking ein mit Spannung erwartetes Positionspapier - das auf umfassende Kritik stieß.

Die Ukraine lehnte das Papier ab. "Jeder 'Friedensplan', der nur einen 'Waffenstillstand' und infolgedessen eine neue Trennlinie und die Besetzung von Gebieten vorsieht, handelt nicht von Frieden", schrieb der Berater im Präsidentenbüro, Mychajlo Podoljak, am Freitag auf Twitter. Es handle sich vielmehr um ein "Einfrieren des Krieges", um "nächste Etappen des Völkermords". Die Ukraine bestehe unverändert auf einen Abzug der russischen Truppen und ihre international anerkannten Grenzen von 1991.

Auch Diplomaten und Experten reagierten skeptisch und enttäuscht, da das Zwölf-Punkte-Dokument keine neue Initiative erkennen ließ. Auch wurde festgehalten, dass China nicht neutral sei und den russischen Angriffskrieg bis heute nicht verurteilt habe. Deutschland beklagte, dass Pekings Papier "wichtige Elemente" fehlten, etwa ein Rückzug russischer Truppen.

Seit Beginn der Invasion hat China dem russischen Präsidenten Wladimir Putin immer Rückendeckung gegeben und die USA und die Nato als eigentliche Verursacher der Krise beschrieben.

Baerbock: "Wer von Frieden spricht, darf nicht Unterwerfung meinen"

Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) äußerte sich skeptisch über den chinesischen Zwölf-Punkte-Plan. "Wer von Frieden spricht, darf nicht Unterwerfung meinen", erklärte Baerbock am Freitag am Rande einer Sitzung des UN-Sicherheitsrates in New York zum Krieg in der Ukraine. "Wer Aggressor und Opfer gleichsetzt, schafft keinen Frieden, sondern belohnt Gewalt. Das wäre der Weg in eine andere Weltordnung, in der das Recht des Stärkeren gilt."

Baerbock begrüßte zwar, dass China vor einer "nuklearen Eskalation" warne. Es gebe aber bereits einen Friedensplan für die Ukraine, eine am Vortag in der UN-Vollversammlung mit breiter Mehrheit beschlossene Resolution, in der ein sofortiger Abzug Russlands aus der Ukraine gefordert wird.

"China hat besondere Verantwortung als ständiges Mitglied des Sicherheitsrats", erklärte die Außenministerin. "Es hätte seinen Einfluss auf Russland nutzen können, um es von diesem Plan zu überzeugen."

Auch der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell betonte, die zwölf Punkte aus Peking seien "kein Friedensplan, sondern ein Positionspapier". China habe darin lediglich seine bereits seit Beginn des Kriegs geäußerten Positionen zusammengefasst.

Blinken: Russland würde Waffenstillstand nur für Aufrüstung nutzen

US-Außenminister Antony Blinken warnte vor einem "vorübergehenden oder bedingungslosen Waffenstillstand". "Russland wird jede Kampfpause nutzen, um die Kontrolle über das illegal eroberte Gebiet zu festigen und seine Streitkräfte für weitere Angriffe aufzustocken", sagte Blinken bei dem UN-Sicherheitstreffen.

Die Mitglieder des Sicherheitsrates sollten sich daher nicht von Forderungen nach einem Waffenstillstand täuschen lassen, sagte Blinken. Zwar erwähnte der US-Außenminister China in seiner Rede nicht namentlich - seine Äußerungen dürften aber als Reaktion auf Chinas Positionspapier zur Beilegung des Kriegs in der Ukraine zu verstehen sein.

Eine Sprecherin der EU-Kommission sagte in Brüssel, Chinas Position beruhe auf einem falschen Fokus auf den sogenannten legitimen Sicherheitsinteressen der Parteien, die eine Rechtfertigung der illegalen Invasion Russlands implizierten.

Zwar betone das Papier bestimmte Grundsätze der UN-Charta, sei mit Blick auf ihre Auswirkungen auf den Krieg jedoch selektiv und unzureichend. Jeder bedeutsame Friedensvorschlag müsse mit der gesamten UN-Charta vereinbar sein. "In dem Positionspapier wird nicht berücksichtigt, wer der Aggressor und wer das Opfer eines illegalen, ungerechtfertigten Angriffskrieges ist", sagte die Sprecherin.

In Pekings Papier stehe nichts Neues, sagte der China-Experte Manoj Kewalramani von der US-Denkfabrik Center for Strategic International Studies (CSIS). Die zwölf Punkte seien Teil bekannter chinesischer Positionen. China betrachte den Konflikt "als Produkt einer, wie es sagt, Mentalität des Kalten Krieges und einer veralteten europäischen Sicherheitsarchitektur". Es scheine in Peking sehr wenig Interesse zu geben, in irgendeine Art von Friedensprozess verwickelt zu werden. "Das Dokument deutet an, dass Peking möchte, dass sich Friedensgespräche lieber um eine neue europäische Sicherheitsarchitektur drehen als über den Krieg selbst."

Der Experte Joachim Krause nannte Chinas Papier "substanzlos". "Das ist kein Friedensplan, sondern die Auflistung allgemeiner Prinzipien des Völkerrechts und der Diplomatie, an die sich China selber nicht hält und deren Verstöße durch Russland für Peking offenkundig kein Problem darstellen", sagte der Direktor des Kieler Universitätsinstituts für Sicherheitspolitik dem Nachrichtenportal T-online. China stelle sich "in der Bewertung der Ursachen und der Treiber des Krieges offen auf die Seite Russlands".

Chinas Zwölf-Punkte-"Plan" legt lediglich Pekings Positionen dar

Chinas Außenministerium hatte zuvor ein zwölf Punkte umfassendes Dokument zur "politischen Beilegung" des Konflikts vorgelegt. Russland und die Ukraine sollten "so schnell wie möglich den direkten Dialog wieder aufnehmen", heißt es darin. Es dürfe keinen Einsatz von Atomwaffen und auch keine Drohungen damit geben. Die "Konfliktparteien" müssten sich zudem strikt an die internationalen Menschenrechte halten.

Das Dokument geht etwa auf folgende Punkte detaillierter ein:

  • Waffenstillstand: "Alle Parteien sollten Russland und die Ukraine unterstützen, in die gleiche Richtung zu arbeiten und letztendlich einen umfassenden Waffenstillstand zu erreichen", heißt es.
  • Zurückhaltung: "Alle Parteien müssen rational bleiben, Zurückhaltung üben und vermeiden, die Flammen anzufachen, und verhindern, dass sich die Krise weiter verschlechtert oder sogar außer Kontrolle gerät." Mit dieser Argumentation wendet sich China gemeinhin immer gegen Waffenlieferungen des Westens an die Ukraine.
  • Unantastbarkeit: Zu Beginn des Papiers fordert China, dass die Grundsätze der Vereinten Nationen streng beachtet werden müssten. "Die Souveränität, Unabhängigkeit und territoriale Integrität aller Länder muss wirksam aufrechterhalten werden." Dass sich Russland dafür zurückziehen müsste oder was mit russischen besetzten Gebieten geschehen soll, wurde nicht thematisiert.
  • Sicherheit: Das Dokument bekräftigt, dass die "legitimen Sicherheitsinteressen aller Länder ernst genommen" werden müssten. Dahinter sehen Diplomaten einen Hinweis auf Russlands Argumentation, sich gegen die USA und die Nato verteidigen zu müssen. Die "Mentalität des Kalten Krieges" müsse beendet werden, argumentiert China ähnlich weiter. Die Sicherheit eines Landes solle nicht auf Kosten anderer gehen. "Block-Konfrontation" müsse vermieden werden - ein Vorwurf, den China meist gegen die USA erhebt. Ohne die Nato zu nennen, argumentiert das Papier, die Sicherheit einer Region solle nicht durch die Stärkung oder Ausweitung militärischer Blöcke erreicht werden.
  • Atomgefahr: "Atomwaffen dürfen nicht eingesetzt werden, und Atomkriege dürfen nicht ausgefochten werden." Auch die Drohung mit dem Einsatz nuklearer Waffen sei abzulehnen - eine Formulierung, die sich indirekt gegen Moskau richten könnte.
  • Sanktionen: Entschieden fordert China ein Ende der Sanktionen gegen Russland, "die nur neue Probleme schaffen". "China lehnt einseitige Sanktionen ab, die nicht vom UN-Sicherheitsrat autorisiert sind." In dem höchsten UN-Gremium sitzen Russland und China als Vetomächte, sie können also jedwede Sanktionen verhindern.

Chinas Außenamtssprecher Wenbin beantwortet wichtige Frage nicht

Eine Journalistenfrage, warum Russland nicht aufgerufen wird, seine Truppen zurückzuziehen, beantwortete Außenamtssprecher Wang Wenbin nicht. Eine Vermittlungsmission stellte er auch nicht in Aussicht. Er sprach nur von "einer konstruktiven Rolle" Chinas, das von dem Positionspapier ausgehend mit dem Rest der Welt zusammenarbeiten wolle.

"Wir stehen für Frieden und Dialog auf der richtigen Seite der Geschichte", sagte der Außenamtssprecher weiter. Experten sahen in dem Papier eher den Versuch Chinas, sein - wegen der Unterstützung Russlands - ramponiertes Image zu reparieren.

Am Donnerstag hatte die UN-Vollversammlung mit einer Mehrheit von 141 der 193 Mitgliedstaaten für eine Resolution gestimmt, in der ein "umfassender, gerechter und dauerhafter Frieden" in der Ukraine gefordert wird. Russland wird aufgefordert, "sofort, vollständig und bedingungslos" alle seine Truppen aus der Ukraine abzuziehen.

China enthielt sich bei der Abstimmung in der UN-Vollversammlung. Peking versucht seit Kriegsbeginn, sich als neutrale Partei in dem Konflikt zu positionieren, unterhält aber weiter enge Verbindungen zum strategischen Verbündeten Russland. (afp/dpa/ank)

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