• Das Anwesen des russischen Unternehmers wurde jüngst von der Polizei durchsucht.
  • Alischer Usmanow wird Geldwäsche und Steuerhinterziehung vorgeworfen.
Ein Porträt
Dieser Text enthält neben Daten und Fakten auch die Einschätzungen von Lukas Weyell sowie ggf. von Expertinnen oder Experten. Informieren Sie sich über die verschiedenen journalistischen Textarten.

Folgt man den jüngsten Maßnahmen der Bundesregierung und der EU-Kommission, könnte man meinen, russische Oligarchen seien ihnen bereits seit langer Zeit ein Dorn im Auge und ihre Anwesenheit in Europa höchstens geduldet. Dabei waren russische Superreiche auch jahrelang nicht nur akzeptiert, sondern gern gesehene Steuerzahler in europäischen Metropolen und Urlaubsorten.

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Alischer Usmanow, gegen den die jüngsten Razzien der Polizei am Tegernsee laufen, ist auch durch seine philanthropische Arbeit bekannt. Der Milliardär spendete große Summen für wohltätige Zwecke wie die Bekämpfung der Covid-19-Pandemie oder die Erhaltung von wichtigen Kunst- und Kulturgütern.

Jahrelang war Usmanow Weltpräsident des Fechtverbands, investierte hohe Summen in das olympische Museum in Lausanne. Nicht nur das: Auch abseits seiner Wohltätigkeit kam der Reichtum des russischen Unternehmers seinen europäischen Gastgebern zugute. In Italien soll er zahlreiche Villen besitzen, wie auch in London und an der kroatischen Küste.

Beim Investieren schöpfte der gebürtige Usbeke aus den Vollen und gab sich als Förderer des Sports: Zeitweise hatte er sogar vor, nach Vorbild des russischen Oligarchen Roman Abramowitsch, den englischen Erstligisten Arsenal London zu kaufen.

Eingefrorenes Oligarchen-Vermögen

Der Ukraine-Krieg bereitete der Ausgabe-Freude des 69-Jährigen ein jähes Ende. Nach Beginn der russischen Aggression beschlossen die US-Behörden, die EU-Kommission und die Bundesregierung die zahlreichen Vermögenswerte russischer Oligarchen einzufrieren. Das stellte sich zunächst als schwieriger heraus als vermutet.

Wie der "Spiegel" berichtete, waren die Besitzverhältnisse aufgrund von Steuertricks nicht klar nachvollziehbar. Die EU-Kommission vermutet daher, dass Usmanow als Strohmann für Russlands Präsident Wladimir Putin fungierte.

Nach Informationen des "Spiegel" soll Usmanow zwischen 2014 und 2022 Einkommens- und Schenkungssteuern in Höhe von insgesamt rund 555 Millionen Euro hinterzogen haben. Die Erkenntnisse basieren auf den Veröffentlichungen durch die "Panama Papers", die Steueroasen der Superreichen offengelegt hatten. Auch in anderen europäischen Ländern wie Italien war das Vermögen des Oligarchen bereits eingefroren worden.

Vom Plastiktüten-Produzenten zum Putin-Freund

Usmanow, der den Begriff Oligarch für sich ablehnt, wie er gegenüber der "Financial Times" angegeben hat, kommt nach eigenen Angaben aus einer wohlsituierten Familie. Sein Vater war Staatsanwalt in der Sozialistischen Usbekischen Sowjetrepublik gewesen. Er selbst hatte zum Schrecken seines Vaters Anfang der 1980er Jahre sechs Jahre im Gefängnis verbracht.

Die Anklage lautete Betrug. Usmanow bezeichnet das Verfahren heute als politisch motiviert. Nach einem Beinbruch lernte er im Krankenhaus den wirtschaftlichen Vorteil von Plastiktüten kennen. Sein Zimmernachbar war Chemieingenieur und hatte ein Buch zum Thema Polymerverarbeitung auf dem Nachttisch liegen.

Erst einmal genesen investierte Usmanow in die Produktion und wurde in der Sowjetunion zum Unternehmer, zunächst von Plastiktüten, dann von Zigaretten.

Noch deutlich besser liefen seine Geschäfte dann nach dem Zusammenbruch des sozialistischen Systems. Der Usbeke profitierte von der Privatisierung der Wirtschaft, gründete zahlreiche Banken und Unternehmen und wurde schließlich Anfang der 2000er Jahre Generaldirektor einer Gazprom-Tochter.

Er selbst gibt an, niemals direkt staatseigene Betriebe aufgekauft oder übertragen bekommen zu haben und deshalb auch kein Oligarch zu sein. Trotzdem dürfte auch seine Freundschaft zum russischen Präsidenten bei einigen Investments geholfen haben.

Immer wieder verteidigte der Oligarch seinen Freund Wladimir Putin und erklärte beispielsweise 2010 in einem Interview mit dem "Forbes"-Magazin: "Ich bin stolz, dass ich Putin kenne. Und die Tatsache, dass ihn nicht jeder mag, ist nicht Putins Problem."

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"Seine Verbindungen zum Kreml erlaubten ihm seinen luxuriösen Lebensstil"

Seine Loyalität zahlte sich für ihn aus: Als der eigentliche Besitzer 2006 die Zeitung "Kommersant" auf staatlichen Druck hin abgeben musste, übernahm Usmanow die Publikation. 2014 kaufte er in ähnlicher Weise das in Russland sehr beliebte soziale Netzwerk "VKontakte".

"Seine Verbindungen zum Kreml erlaubten ihm seinen luxuriösen Lebensstil", erklären die US-Behörden in einer Presse-Erklärung zu den jüngsten Sanktionen gegen Usmanow. Ob ihm die Beschlagnahmung seiner Besitztümer in Europa in finanzielle Bedrängnis bringen wird, ist hingegen fraglich: Inzwischen wird sein Vermögen auf über 14 Milliarden US-Dollar geschätzt.

Gegen die Sanktionen hat der Milliardär inzwischen Klage eingereicht. Wo er sich aktuell aufhält, ist allerdings unklar. Sicherheitskreise vermuten ihn in Usbekistan.

Verwendete Quellen:

  • nytimes.com: At a German Hideaway, Oligarch Villas Challenge a ‘Silent Contract’
  • forbes.com: The Hard Man of Russia
  • ft.com: Alisher Usmanov: ‘I was never what you could call an oligarch’
  • home.treasury.gov: Erklärung des US-Finanzministeriums zu Sanktionen gegen Usmanow
  • spiegel.de: Oligarchenparadies Deutschland
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