• Das Studio bei Maybrit Illner war am Donnerstag (29.) hochkarätig besetzt: Finanzminister Christian Lindner (FDP) diskutierte unter anderem mit Oppositionschef Friedrich Merz (CDU) und Grünen-Chef Omid Nouripour.
  • Die angespannte Lage brachte eher Bemühen um Einigkeit denn harte Konfrontation mit sich.
  • Oppositionsführer Friedrich Merz kritisierte das Vorgehen der Ampel beim Abwehrschirm und sorgte damit für den Moment des Abends.
Eine Kritik
Diese Kritik stellt die Sicht von Marie Illner dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Die Inflation in Deutschland steigt auf 10 Prozent, Russland will vier besetzte ukranische Gebiete nach Scheinreferenden offiziell annektieren und ein viertes Leck in einer der Nord-Stream-Pipelines wurde laut der schwedischen Küstenwache entdeckt. Die Nato geht von Sabotage aus und macht deutlich, dass "jeder vorsätzliche Angriff auf die kritische Infrastruktur der Bündnispartner" mit einer "gemeinsamen und entschlossenen Reaktion beantwortet werden" würde.

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Das ist das Thema bei "maybrit illner"

Deutschland befindet sich im Energiekrieg und die Ampel-Koalition versucht händeringend, die Auswirkungen für die Bevölkerung abzufedern. Dabei weicht die Gasumlage nun doch einer Energiepreisbremse. Mit den Worten "Krieg und Krise – ist Deutschland überfordert?" überschrieb Illner ihre Sendung und diskutierte den 200 Milliarden Euro schweren Abwehrschirm, das Eskalationspotenzial im Ukraine-Krieg sowie die Lecks der Ostseepipelines.

Das sind die Gäste

Omid Nouripour (Grüne): Der Grünen-Vorsitzende befand: "Man muss natürlich sehr ernst nehmen, was aus Russland kommt. Aber das gesamte System baut nach innen wie nach außen auf Angst. Wenn wir uns von dieser Angst lähmen lassen, hat Putin gewonnen – und zwar weit über die Ukraine hinaus". Das könne man sich nicht leisten. "Das ist staatlich gesteuert und es gibt nicht viele Staaten, die das können", war sich Nouripour in Bezug auf die Gas-Lecks sicher. Es komme nur Russland in Frage.

Christian Lindner: "Das Kalkül von Putin kann und darf nicht aufgehen", erinnerte der Finanzminister und FDP-Chef. Wegen des Eskalationspotenzials empfehle es sich aber, dass Deutschland sich eng mit Verbündeten und Partnern abstimme. "Diese Annexion, diese Referenden können nicht anerkannt werden", stellte Lindner klar. Es werde eine Kulisse ohne rechtliche Bedeutung aufgebaut.

Friedrich Merz (CDU): Der Oppositionsführer kritisierte: "Wir haben einen Sommer des Missvergnügens dieser Bundesregierung hinter uns" Die Gasumlage sei Murks gewesen. "Wir wissen jetzt das Preisschild, aber wir kennen das Produkt nicht", bemängelte er den Abwehrschirm in Höhe von 200 Milliarden Euro. Man wisse nicht, was die Bundesregierung wolle. Der Vergleich mit anderen europäischen Ländern hinke jedoch: "Niemand ist so abhängig gewesen von russischem Gas wie wir", erinnerte Merz.

Katja Gloger: "Weitere Eskalation. Ein Krieg, der noch viel länger dauern wird, als wir es uns in unseren schlimmsten Träumen hätten vorstellen können", antwortete die Russland-Expertin auf die Frage, was die Annexion der vier ukrainischen Gebiete bedeute. "Die Annexion dieser vier Gebiete gibt Putin Zeit. Er kann einen Erfolg verkünden", so Gloger. Damit verschaffe er sich innenpolitisch Spielraum, auch mit Blick auf die Mobilmachung. "Dass die Welt damit noch unsicherer geworden ist, ist ein Fakt", sagte Gloger.

Eva Quadbeck: "Es ist ein historischer Moment, wie wir ihn auch in der Finanzkrise erlebt haben", sagte die Journalistin vom "Redaktionsnetzwerk Deutschland". Die 200 Milliarden würden dringend gebraucht, der Wohlstandsverlust sei bereits angekommen in der Bevölkerung. Der Anschlag auf die Gaspipelines sei ein Moment der Erweckung für die Ampel-Politiker gewesen. "Der Druck auf die Ampel ist gewachsen", sagte Quadbeck mit Blick auf Proteste.

Das ist der Moment des Abends bei "maybrit illner"

Friedrich Merz kritisierte – wie will man es von einem Oppositionsführer anders erwarten – das Vorgehen der Ampel beim Abwehrschirm. Man hätte erst konkrete Maßnahmen benennen müssen, ehe man eine Summe in den Raum werfe, meinte er und warnte: "Was jetzt passiert, ist psychologisch ein Problem. Weil die Bevölkerung hat nun das Gefühl: Jetzt gibt es 200 Milliarden Euro und wir haben das Problem gelöst".

Man sei aber weit entfernt davon, das Problem zu lösen. "Es darf auch nicht der Eindruck entstehen, als ob man nicht mehr einsparen müsste", betonte er. Die Bundesregierung müsse einem solchen Eindruck widersprechen. Deutschland hätte in diesem Jahr mehr Gas verstromt und verbraucht als im letzten Jahr. "Wir sind ganz am Anfang der Lösung".

Das ist das Rede-Duell des Abends

Christian Lindner warf in der Debatte um Energiepreise eine Forderung in den Raum: "Wir sollten überlegen, europäisch, einheitlich international aufzutreten. Wir sollten eine Kappung beim Importpreis für Gas diskutieren", forderte er. Damit das auf dem Weltmarkt funktioniere, müsse der Preis spürbar oberhalb des Weltmarktpreises für Flüssiggas in Asien liegen. "Damit die Tanker auf dem Weg zu uns nicht umdrehen und nach Asien fahren", so Lindner. Wenn alle EU-Staaten mitmachten, hätte der Vorschlag eine Chance auf Umsetzung.

"Und die Wahrscheinlichkeit, dass die einfach nur im Streit auseinander gehen, ist relativ hoch", kommentierte Journalistin Quadbeck. Noch nicht einmal beim Strompreis sei eine Gewinnabschöpfung gelungen. "Auch da kommt man nicht zusammen, deshalb ist das schwierig, darauf zu setzen". Merz blies ins selbe Horn: "Den Vorschlag, europaweit einzukaufen, hat es von Mario Draghi im Europäischen Rat schon vor einigen Monaten gegeben und er ist von Deutschland und Frankreich abgelehnt worden", erinnerte er. Er sei gespannt, was am Ende dabei herauskomme. "Das ist eine Operation am offenen Herzen ohne Narkose!", meinte er.

So hat sich Maybrit Illner geschlagen

Maybrit Illner stellte gute Fragen, aber es knallte nicht wirklich im Studio. Angesichts der angespannten Lage war es aber vielleicht auch eine weise Entscheidung, die Studiogäste nicht aufzuwiegeln und in die Ecke zu treiben, sondern eher die sachliche Auseinandersetzung zu suchen. "War das ein 'Whatever-it-takes'-Moment?", fragte sie zum Beispiel mit Blick auf den Abwehrschirm. "Brauchte es den Anschlag, um das zu beschließen?", wollte sie wissen, ebenso: "Ist es: Too late und too little?".

Das ist das Ergebnis bei "maybrit illner"

Zur Mitte der Sendung merkte Lindner an: "Ich weiß nicht, wie es den Zuschauerinnen und Zuschauern geht, aber für mich ist die Sendung sehr viel Rückspiegel". Damit hatte er recht, dass "Russland in der Ukraine scheitern muss" und Putin die "Eskalationsdominanz" hat, hatte man wirklich schon einmal gehört. Im zweiten Teil der Sendung beherzigte das Studio dann aber den Blick in die Zukunft. Und der sieht nicht rosig aus: ein langer Krieg, notwendige Gesetzgebungsverfahren und ziemlich viel Streitpotenzial für Ampel und EU.

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