Milliardäre for Future: Bill Gates präsentiert bei "Maischberger" fragwürdige Rezepte gegen den Klimawandel – und spricht über die Verschwörungsmärchen um die Mikrochips in der Corona-Impfung. Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer verteidigt seine Osterurlaubs-Intervention.

Eine Kritik
Diese Kritik stellt die Sicht von Christian Bartlau dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Kinder, stellt Eure 5G-Implantate auf Empfang, Bill Gates ist im Fernsehen! Bei "Maischberger" enthüllt der Microsoft-Gründer, was er von den Verschwörungsmythen um seine Person hält – und was er in seinen Privatjet tankt.

Mehr aktuelle News finden Sie hier

Eine Reizfigur ist spätestens seit dieser Woche auch Sachsens Ministerpräsident, der vielen Menschen die Aussicht auf Osterurlaub verhagelt hat, sich dafür Einiges anhören muss – aber standhaft bleibt. Einer heiklen Nachfrage weicht Michael Kretschmer aber aus.

Das sind die Gäste bei Sandra Maischberger

  • Die Runde beginnt in München – aber nicht bei Markus Söder, sondern bei den Fußballern des FC Bayern. Thomas Müller, der sich im Privatjet ausfliegen lässt, statt in Katar in Quarantäne zu gehen, "das kann man sich schenken", findet Constanze von Bullion. Die Journalistin der "Süddeutschen Zeitung" stößt sich auch daran, dass Bayern-Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge Fußballer für potenzielle Impf-Vorbilder hält: "Als würden die sich opfern - das ist scheinheilig".
  • "Pandemiemüde" fühlt sich "Tagesthemen"-Sprecherin Pinar Atalay. Wie so viele andere brauche sie jetzt Motivation, deswegen sei Michael Kretschmers Osterurlaub-Absage kontraproduktiv: "Wenn man sagt, wir können Ostern schonmal knicken, und den Sommer am besten auch gleich (…) - mir war das zu schnell, zu viel."
  • Kretschmers Timing stört Ulrich Reitz, Wirtschaftschef von "n-tv": "Wenn er jetzt schon sagen kann, was Ende März sein wird – das ist eine Weitsicht, die andere nicht haben." Weil die feine Ironie geschrieben nicht rüberkommt: Das ist nicht als Lob gemeint.
  • Sachsens Ministerpräsidenten ficht das nicht an, Michael Kretschmer will die Pandemie "austreten", wie er immer wieder sagt. Seine Idee: Ostern opfern, dafür einen Sommer wie 2020 gewinnen. Oder aber noch Monate im Lockdown verharren. Sonst drohe ein Rückschlag: "Wir müssen aufpassen, dass wir nicht verspielen, was wir uns teuer erkämpft haben."
  • Microsoft-Gründer Bill Gates macht die ganz große Perspektive auf: "Die reichen Länder werden bis Ende des Jahres durch sein", sagt er mit Blick auf die Impfkampagne. Aber in den ärmeren Ländern werde die Pandemie noch bis 2022 andauern.

Das ist der Moment des Abends

Bei allem Respekt für Karl Lauterbach, Markus Söder und all die anderen Corona-Stammgäste, aber Bill Gates, das ist doch mal eine willkommene Abwechslung in einem deutschen TV-Studio. Wobei Gates natürlich zugeschaltet wird aus Seattle, stilecht im Pullover gekleidet, eine weiße Tasse stets griffbereit. Ob Cola Light drin ist, wie bei Markus Söders "Aschermittwoch dahoam", fragt Sandra Maischberger nicht - wahrscheinlich wäre sonst die ganze Sendezeit draufgegangen, dem Amerikaner das Konzept des politischen Aschermittwochs zu erläutern.

Also erklärt Maischberger dem Microsoft-Gründer lieber, warum er deutschen Corona-Leugnern als der Leibhaftige in Menschengestalt gilt. Gates kennt die Verschwörungsmärchen über die Chips, die er angeblich per Impfung implantieren will, "das ist so abgedreht", sagt er, "es ist schwer, darauf überhaupt zu antworten".

Überhaupt: "Warum sollte ich den Wunsch haben, Menschen zu überwachen?" Gute Frage, nächste Frage: Macht Gates nicht auch Geld mit den Firmen, in die er investiert hat – so wie Biontech?

Schon, gibt Gates zu. "Aber wenn uns das Geld einbringt, dann kaufen wir davon Impfstoff, mein Reichtum vermindert sich jedes Jahr wegen der Stiftung, das ist großartig." In Wahrheit hat der zweitreichste Mensch der Erde laut "Forbes"-Liste und "USA Today" wie so viele andere Milliardäre in der Pandemie kräftig zugelegt, angeblich mindestens 20 Milliarden Dollar – für den Kampf gegen die Pandemie hat er 300 Millionen Dollar versprochen.

Für das fragwürdige Konzept "Charity" hat Maischberger nicht genug Zeit, immerhin stößt sie Gates auf einen anderen Widerspruch: Der Milliardär warnt in seinem neuen Buch vor dem Klimawandel, jettet aber selbst ununterbrochen um die Welt und bewohnt Häuser, in denen man locker die Bevölkerung Sachsens unterbringen könnte. Aber Gates denkt grün, denkt er: Er tankt Bio-Kraftstoff in den Privatjet, das macht Mehrkosten von sieben Millionen Dollar, rechnet er vor - und sofort erinnert man sich an den legendär weltfremden Auftritt bei Ellen DeGeneres, als Gates den Preis von Supermarkt-Waren schätzen sollte. Spoiler: Er hatte keinen Schimmer.

Viele normale Leute, glauben ja trotzdem, dass reiche Menschen ihre Probleme lösen können oder wollen, also fragt Maischberger, wie wir denn nun von den 51 Milliarden Tonnen CO2 im Jahr auf die Null kommen? In grüne Technologie investieren, ist Gates' Antwort, dann würde sie insgesamt billiger. Kein schlechtes Vorhaben, es hat ja nicht jeder 7 Millionen Dollar übrig für den grünen Kraftstoff für den Privatjet...

Das ist das Rede-Duell des Abends bei "maischberger. die Woche"

Was ist wohl angenehmer gewesen für Michael Kretschmer: Die 30 Corona-Leugner, die ihm beim Schneeschieben einen unerwünschten Besuch abstatteten – oder doch dieses Interview bei Sandra Maischberger?

Genüsslich konfrontiert die Gastgeberin Sachsens Ministerpräsident mit seinem Schlingerkurs durch die Pandemie, auf dem er plötzlich in Markus Söders Fußstapfen wandert: "Osterurlaub kann es nicht geben", sagte er vor ein paar Tagen. Und zack, per Einspieler richtet ein Mecklenburger Hotelier unfreundliche Grüße aus dem Norden an Kretschmer: "Wir sind stinksauer, wir hatten schon Reservierungen für Ostern, seit heute kriegen wir Absagen."

Kretschmer bleibt standhaft: Die Priorität liege nun einmal auf den Kitas und den Schulen, andere Öffnungen seien nicht drin, vor allem angesichts der Mutation. "Ist meine Einschätzung denn falsch?", fragt er. "Es gibt die Tendenz, den Leuten nicht mehr die Wahheit zu sagen, das führt dazu, dass in anderen Ländern leichtfertig geöffnet wird."

Das hätten vor einigen Monaten auch noch andere Bundesländer über Sachsen gesagt – kann es nicht sein, dass die Zahlen im Land so explodierten, weil der Landesvater noch im Herbst signalisiert hat, es sei alles halb so wild? "Wir haben die Bedrohung nicht so kennengelernt und zu spät reagiert", räumt Kretschmer ein – und ignoriert Maischbergers Nachfrage: "Tut es Ihnen leid?"

Stattdessen redet er über seine schlaflosen Nächte und seine Erlebnisse in den Krankenhäusern, wo "so viele Menschen gestorben sind wie nie zuvor". Und das Schlimmste: "Das ist schon jetzt alles wieder vergessen."

So hat sich Sandra Maischberger geschlagen

Kein Fehler, aber ein netter Schnitzer unterläuft Maischbergers Dolmetscher: "Ich bin kein Marsmensch", legt er dem Microsoft-Gründer in den Mund, eine etwas verunglückte Übersetzung von "I'm not a Mars person", was ein Seitenhieb auf Elon Musk sein sollte, der mit seinen Milliarden Richtung Weltraum abhebt. Gate will auf der Erde bleiben: "Solange wir Malaria und Tuberkulose haben, solange 5 Millionen Kinder sterben, bevor sie 5 Jahre alt werden – diese Probleme will ich lösen."

Das ist das Ergebnis

Hier in Deutschland "läuft viel gut" in Sachen Corona, meint n-tv-Mann Reitz. Nur habe der Staat versprochen, den Unternehmen unbürokratisch zu helfen, was einfach nicht funktioniere. Mal liege es an der IT, mal am Steuerberater. "Da haben sich Menschen drauf verlassen. Das ist das Fiasko."

Constanze von Bullion hat zwar Mitleid mit Menschen, deren Existenzen zerbrechen, sie will aber trotzdem nicht in erster Linie auf wirtschaftliche Faktoren schauen: "Entschieden wird von der Mutante." Die verdoppelt ihren Anteil jede Woche, keine gute Aussicht. Zumal jetzt viele Branchen Ansprüche stellen. Und alle behaupten, sie trügen nichts zum Infektionsgeschehen bei, meint Bullion - der Einzelhandel, die Konzerthäuser, die Schulen. "Ich denke auch, ich bin so vorsichtig. Aber mit der Einstellung hatten wir im Herbst exponentiell steigende Zahlen." Also vielleicht doch auf Kretschmer hören – und Ostern opfern, um wenigstens eine Chance auf einen normalen Sommer zu haben?

JTI zertifiziert JTI zertifiziert

"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.