Vor knapp einem Jahr wurde in Italien die Rechtsnationale Giorgia Meloni gewählt. Wie hat sich das Land seitdem verändert? Bei "Hart aber fair" ging es am Montag (18. September) um große Wahlkampfversprechen, die ungelöste Migrationsfrage und einen Rechtsruck in Europa. Die wenig ergiebige und debattenarme Sendung zeigte auf: Die richtige Strategie im Umgang mit Rechtspopulismus ist noch nicht gefunden.

Eine Kritik
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Seit nunmehr elf Monaten wird Italien von der rechtsnationalen Partei Fratelli d'Italia regiert. Ihre Vorsitzende, die ultrarechte Giorgia Meloni, versprach im Wahlkampf ein hartes Vorgehen gegen Migranten. Nun löste sie davon wieder einen Teil ein: Jüngst beschloss die italienische Regierung, die Abschiebehaft von zwölf auf 18 Monate zu verlängern und weitere Abschiebelager durch das Militär einzurichten.

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Das ist das Thema bei "Hart aber fair"

Unter dem Titel "Melonis Italien: Wie gefährlich ist der Rechtsruck für Deutschland und Europa?" zog Louis Klamroth Bilanz der rechtsnationalen Regierung in Italien. Wie hat sich das Land unter Meloni verändert? Warum ist der Rechtspopulismus in Italien so erfolgreich – und auch in vielen anderen europäischen Ländern? Dabei ging es auch um den Anteil von Brüssel und seiner ausbleibenden Antwort auf die Flüchtlingsfrage und die Bedeutung der Entwicklungen für die anstehende Europa-Wahl.

Das sind die Gäste

  • Ingo Zamperoni: "Die Italiener gehen überraschend gelassen mit rechten Parteien um. Die sind dort aber auch schon lange mit auf der politischen Bühne und in Regierungen", sagte der Moderator der ARD-"Tagesthemen" und Autor der Dokumentation "Mein Italien unter Meloni". "Die Wahl von Giorgia Meloni zeichnete sich ab", blickte er zurück. Es sei dennoch eine Zäsur im Nachkriegsitalien gewesen. Später sagte er: "Ich glaube, es war eher dieser Aspekt, dass es weniger die Rechte war, die gewonnen hat, als vielmehr die Linke, die verloren hatte."
  • Katarina Barley (SPD): Die Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments forderte ein Seenot-Rettungsprogramm der EU. Es sei nicht akzeptabel, wenn Menschen im Mittelmeer auf dem Weg nach Europa ertrinken würden. "Wir wussten, dass sie sich nach der Wahl davon ein Stück weit wieder verabschieden würde", sagte Barley über die Verschwörungstheorien, die Meloni im Wahlkampf verbreitet hatte. Der italienische Kommissar habe ihr für die europäische Ebene angekündigt: "Da werdet ihr eine ganz andere Giorgia Meloni erleben", erinnerte sich Barley. Denn sie sei auf die Zahlungen aus der EU angewiesen.
  • Monika Hohlmeier (CSU): Die Europaabgeordnete meinte: "Wir brauchen in Europa neben einem großen Herzen auch klare Grenzen und eine Lösung, die keine falschen Hoffnungen macht." Sie beobachte im Ausland Radikalisierungstendenzen, die ihr Sorgen machten. Meloni gebe sich derzeit pragmatischer, als man es ihr zugetraut hatte.
  • Ulrich Reitz: "Die konservativen Parteien sind mit dafür verantwortlich, dass immer mehr Menschen in Europa rechts wählen, wenn sie keine Antworten auf wichtige Fragen wie die Migration haben", sagte der Chef-Korrespondent von "Focus Online". "Frau Meloni war spannend, die war neu auf dem Spielfeld", analysierte Reitz rückblickend.
  • Thomas Biebricher: "Italiens Regierungschefin Meloni tritt gemäßigter auf als viele befürchtet haben. Sie muss stillhalten, weil sie das Geld der EU braucht", erklärte der Politikwissenschaftler. Man drücke sich aber in Italien um die Distanzierung vom Faschismus herum. "Da hat man nicht viel Energie reingesteckt", beobachtete er auch mit Blick auf die Geschichte. Die Geschichte des 20. Jahrhunderts sei erst seit den 1990er-Jahren verpflichtender Lehrinhalt. "Das sagt viel über den Umgang mit der Vergangenheit", befand er.
Hart aber fair
Zu Gast in der Diskussionsrunde bei Louis Klamroth sind: (v.l.) Monika Hohlmeier, Ulrich Reitz, Ingo Zamperoni, Katarina Barley und Thomas Biebricher. © WDR/Dirk Borm

Das ist der Moment des Abends bei "Hart aber fair"

Klamroth brachte die Äußerungen von Ex-Bundespräsident Joachim Gauck ins Gespräch, der gefordert hatte, man müsse "Spielräume entdecken, die inhuman klingen". Klamroth übersetzte: "Um Rechtspopulisten kleinzuhalten, macht man lieber selber deren Politik. Hat er damit Recht?"

"Das halte ich für eine gefährliche Strategie", machte Politikwissenschaftler Biebricher deutlich. "Das klingt auch erstmal ein bisschen inhuman, inhumane Räume zu entdecken." Es sei ein problematisches Politikfeld, bei dem leicht Erwartungen geweckt würden, "wenn wir nur restriktiver werden, wenn wir nur besser abschrecken und so weiter, dann wird das schon alles irgendwie funktionieren".

Selbst, wenn es einen großen Willen wie etwa in Großbritannien gebe, restriktivere Politik zu machen – "das funktioniert oftmals einfach nicht", sagte er. Im Jahr des Brexits habe es eine Netto-Zuwanderung von ungefähr 250.000 gegeben. "Das ist heute mehr als doppelt so viel", sagte Biebricher.

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Das ist das Rede-Duell des Abends

"Wenn Meloni in einer deutschen Partei wäre, kann man sie im deutschen Parteienspektrum irgendwo verorten?", fragte Moderator Klamroth an Politikwissenschaftler Biebricher gewandt. "Das ist schwer zu sagen. Das ist wahrscheinlich Werte-Union und weiter rechts", entgegnete der. "Also AfD?", hakte Klamroth nach. Bei Meloni spiele eine extrem sozial-konservative Geschlechterpolitik eine große Rolle, erläuterte Biebricher.

"Meloni, hätte die in der CSU Platz?", fragte Klamroth daraufhin in Richtung Hohlmeier. "In der Form und mit den Sprüchen ganz sicher nicht", stellte sie klar. Viktor Orban sei einmal bei einer CSU-Veranstaltung eingeladen gewesen: "Als die Kolleginnen und Kollegen ihn dann plötzlich hörten, sagten sie: Der passt nicht zu uns", erinnerte sie sich. Er sei in sehr persönlicher Art und Weise auf Migranten losgegangen. Man habe gemerkt: "Das ist nicht unsere Kategorie", so Hohlmeier. Das klare Signal sei gewesen: "Den wollen wir bei uns so nicht wiedersehen."

So hat sich Louis Klamroth geschlagen

Klamroth war bemüht, aber unter dem Strich kam an diesem Abend zu wenig Debatte auf und die Diskussion verlor immer wieder an Kontur. Die Frage der Sendung "Melonis Italien: Wie gefährlich ist der Rechtsruck für Deutschland und Europa?" schien insgesamt zu breit gestellt. Über große Strecken ging es um Migration und Integration, deutsche Politik kam nur am Rande vor. Fragen wie "Der besondere Umgang Italiens mit der faschistischen Geschichte und der Aufstieg Melonis, wie hängt das zusammen?" dürften für viele Zuschauer wenig Anknüpfungspunkte bieten.

Das ist das Ergebnis bei "Hart aber fair"

Das war keine besonders ergiebige Sendung. Weder kamen neue Rezepte in der Migrationsfrage auf den Tisch, noch gelang die Anbindung an die Lebenswirklichkeit der Bürgerinnen und Bürger hierzulande. Ja, die europäische Perspektive ist wichtig – aber beim Hopping zwischen Italien, Polen und Schweden fragte man sich zu oft: Und was ist mit Deutschland? Dadurch wurde die Sendung insgesamt zu analytisch und hatte wenig Alltagsbezug.

Verwendete Quellen:

  • ARD: "Hart aber fair" vom 18.09.2023
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