Schlange stehen bei der Wohnungsbesichtigung, eine Absage nach der nächsten oder überhaupt keine Antwort: Viele Menschen, die in deutschen Großstädten Wohnraum suchen, kennen solche Szenarien. Woran liegt es, dass Wohnen immer teurer wird und was lässt sich dagegen tun? Bei "Hart aber fair" lieferte sich die Runde mit Politikvertretern und einem Immobilienunternehmer einen überraschend konstruktiven Austausch. An einem Punkt stand jedoch der ganzen Runde Demut ins Gesicht geschrieben.

Eine Kritik
Diese Kritik stellt die Sicht von Marie Illner dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

400.000 neue Wohnungen pro Jahr – so viel hat die Bundesregierung versprochen. Eingelöst hat sie ihr Versprechen bislang nicht, zuletzt wurden nur etwa 225.000 Wohnungen gebaut. Gleichzeitig steigen die Mieten in Großstädten seit Jahren immer weiter. In Berlin liegt der Quadratmeterpreis für Mietwohnungen bei deutlich über 16 Euro. Was kann, was muss die Politik dagegen tun?

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Das ist das Thema bei "Hart aber fair"

Ein Thema, zu dem wohl jeder Zuschauer etwas hätte sagen können: "Verzweifelt in vier Wänden: Darum wird Wohnen immer teurer" – so lautete der Sendungstitel von "Hart aber fair" am Montagabend (6. Mai 2024). Mit seinen Gästen sprach Louis Klamroth über die Fragen: "Was tun gegen die Krise am Bau und teure Mieten?" und "Wie kann jeder angemessen und bezahlbar wohnen?". Dabei ging es auch um möglichen Bürokratieabbau und Defizite der Mietpreisbremse.

Das sind die Gäste

  • Kevin Kühnert (SPD): "Die Parteien, die von einem stärkeren Mietrecht etwas halten, haben im Bundestag keine gemeinsame Mehrheit", erinnerte der Generalsekretär. Das, was die SPD gerne umsetzen würde, sei mit der CDU nicht machbar gewesen und nun blockiere die FDP. "Die Mietpreisbremse hat teilweise große Defizite", gab er zu. Es brauche eine Transparenzpflicht, bevor ein Mietvertrag abgeschlossen werde.
  • Gitta Connemann (CDU): Die Vorsitzende der Mittelstands- und Wirtschaftsunion (MIT) sagte: "Der beste Schutz vor horrenden Mieten ist am Ende das Bauen von Wohnungen." Die Mietpreisbremse helfe den Betroffenen nicht. "Wenn ich 400.000 Wohnungen bauen will, aber gleichzeitig die Förderkulisse einreiße und dann noch die Auflagen steigere, dann passt das nicht zusammen."
  • Heidi Reichinnek (Linke): "Ich bin entsetzt, wie der Sozialstaat die Menschen im Stich lässt", so die Linkspolitikerin. Es gehe beim Wohnen um ein Grundbedürfnis. Die Mietpreisbremse habe viel zu viele Ausnahmen. "Da schaue ich mir in eine Wohnung an, da steht ein gammeliger Kühlschrank drin, wo der Schimmel älter ist als ich, aber dann ist sie möbliert und ich kann die Mietpreisbremse unterlaufen", sagte Reichinnek. Nötig sei ein Mietpreisdeckel.
  • Tine Wittler: "Ich beobachte mit Verwunderung, dass so lange nichts passiert ist", meinte die Autorin und Moderatorin. Die Lage sei aus der Balance geraten: In den Innenstädten würden die Gewerbeflächen leer stehen und auf dem Land würden die jungen Leute fehlen. Gleichzeitig könnten sich Studenten und junge Familien bestimmte Viertel in Großstädten wie Hamburg nicht mehr leisten.
  • Hermann-Josef Tenhagen: Wenn man festgestellt habe, dass man eine zu hohe Miete zahle, solle man mit dem Vermieter direkt in Kontakt treten, riet der Wirtschaftsjournalist. "Das ist durchaus ungewöhnlich: Ich muss mich als Person darum kümmern, dass sich andere an geltende Gesetze halten", sagte er. Es sei Teil des Problems, dass dem Vermieter nichts passiere, wenn er sich nicht an die Mietpreisbremse halte.
  • Jürgen Michael Schick: Der Immobilienunternehmer und Ehrenpräsident des Immobilienverbandes Deutschland (IVD) sagte: "Wir haben heute 3,5 Millionen Menschen mehr in Deutschland als vor zehn Jahren, durch die Zuwanderung. Gleichzeitig haben wir eine echte Krise im Neubau." Die hohen Preise würden sich durch ein viel zu geringes Angebot für eine viel zu hohe Nachfrage erklären.

Das ist der Moment des Abends bei "Hart aber fair"

Etwa ein Fünftel der Sendezeit war rum, da bekam die ganze Debatte ein Gesicht: Das von Familie Ewert aus Berlin. Die vierköpfige Familie berichtete von ihrer langjährigen Suche nach einer Wohnung. "Momentan wohnen wir auf 65 Quadratmetern, das verteilt sich auf zwei Räume", berichtete Familienvater Ricardo Ewert. Zu viert schlafen die Ewerts in einem Schlafzimmer, die Kinder in einem Doppelstockbett, die Eltern daneben.

Dafür zahle die Familie rund 1.100 Euro warm. Sie sei bereit, mehr auszugeben, doch es gebe kein verfügbares Angebot. "Aufgrund des Platzmangels müssen wir den Kindern häufig sagen, dass Dinge nicht angeschafft werden können, wie zum Beispiel ein Puppenwagen. Wir wissen einfach nicht, wohin damit", so Mutter Virginia Leffke. Es gebe keine Rückzugsorte, Besuch könne man nicht empfangen. Der Runde war deutlich anzusehen, dass sich an diesem Punkt etwas drehte – den Gästen war Demut ins Gesicht geschrieben.

An den Umfragen des Meinungsforschungsinstituts Civey kann jeder teilnehmen. In das Ergebnis fließen jedoch nur die Antworten registrierter und verifizierter Nutzer ein. Diese müssen persönliche Daten wie Alter, Wohnort und Geschlecht angeben. Civey nutzt diese Angaben, um eine Stimme gemäß dem Vorkommen der sozioökonomischen Faktoren in der Gesamtbevölkerung zu gewichten. Umfragen des Unternehmens sind deshalb repräsentativ. Mehr Informationen zur Methode finden Sie hier, mehr zum Datenschutz hier.

Das ist das Rede-Duell des Abends

Immobilienunternehmer Schick sagte in die Richtung der politischen Vertreter: "Was die Bürger mittlerweile in Deutschland merken: Sie können nicht einfach ökonomische Gesetze verbieten. Das ist so wie mit der Inflation – Sie können nicht Preisteuerungen einfach verbieten. Sie können die Rahmenbedingungen richtig setzen und das haben Sie einfach nicht getan."

Kühnert wehrte sich: "Natürlich wirken wir auf die Preisbildung am Markt ein. Mieterhöhungen nach unserem geltenden Mietrecht sind in Deutschland maximal 20 Prozent in drei Jahren möglich. In den angespannten Lagen sind es 15 Prozent. Hier setzen wir eine Obergrenze."

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So hat sich Louis Klamroth geschlagen

Guter Job, Louis Klamroth! Der Moderator brachte an diesem Abend die notwendige Ausdauer und Beharrlichkeit mit, um inhaltlich in der Debatte voranzukommen. Dabei verpasste er es aber nicht, auch eine provokante Frage zu stellen: "Auf dem Wahlplakat stand: 'Faire Mieten. Scholz packt das an.' Hat er damit schon angefangen?" Ebenso baute Klamroth auch eine ganz grundsätzliche Frage mit ein: "Sollte man mit Wohnraum überhaupt Geld verdienen dürfen?"

Das ist das Ergebnis bei "Hart aber fair"

Der Sendungstitel war falsch gestellt. Warum Wohnen immer teurer wird, war schnell geklärt: Angebot und Nachfrage, Bürokratie, Fachkräftemangel, um nur einige Punkte zu nennen. Die viel wichtigere Frage war: Was tut man dagegen, dass Wohnen immer teurer wird?

Hier einigte sich die Runde vor allem darauf, dass bürokratische Vorschriften wegmüssen. Anforderungen etwa in Sachen Barrierefreiheit und Energieeffizienz haben sich teilweise als Hemmschuh erwiesen, der das Bauen ganz lähmt. Mehr modulares und einfaches Bauen könnte Teil einer Lösung sein. Ebenso sprach sich die Mehrheit der Runde dafür aus, dass das Einhalten der Mietpreisbremse besser überprüft werden sollte.

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