Was tun gegen die hohen Zustimmungswerte der AfD? Hilft es, mit den Radikalen zu reden? Darüber diskutierte Caren Miosga am Sonntagabend (5. Mai) mit ihren Gästen – unter anderem dem sächsischen Ministerpräsidenten Michael Kretschmer (CDU). Der geriet in der Runde selbst ziemlich unter Druck und echauffierte sich an einer Stelle gar: "Das lasse ich mir und den Sachsen nicht anhängen!"

Eine Kritik
Diese Kritik stellt die Sicht von Marie Illner dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Am vergangenen Freitagabend (3. Mai) ist der Spitzenkandidat der SPD für die Europawahl, Matthias Ecke, Opfer eines brutalen Angriffs geworden. Vier Täter hatten den Politiker angegriffen, als er in der Landeshauptstadt Dresden Wahlplakate aufhängte. Einer der Täter hat sich inzwischen der Polizei gestellt. Für Miosga war das ein weiterer trauriger Anlass, um über die Radikalisierung in der Gesellschaft zu sprechen.

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Das ist das Thema bei "Caren Miosga"

Unter dem Titel "Hilft Reden gegen Radikale, Herr Kretschmer?" ging es bei "Caren Miosga" am Sonntagabend um Rezepte gegen die AfD. Denn laut Umfragen nimmt das Vertrauen in die Demokratie immer weiter ab. Sind Bürgernähe und Gesprächsbereitschaft der richtige Weg? Und: Droht der Gesprächsfaden zwischen Politik und Gesellschaft abzureißen?

Das sind die Gäste

  • Michael Kretschmer (CDU): Der Ministerpräsident Sachsens sagte: "Wenn man nicht mehr für seine Meinung streiten kann, wenn man nicht mehr einen fairen Wahlkampf machen kann, was ist das dann? Dann ist es keine Demokratie mehr." Die Strafen für Gewaltdelikte seien zu schwach, das müsse verändert werden. Der Rechtsstaat müsse endlich die Probleme der Menschen lösen, um Extremisten so den Nährboden zu entziehen.
Kretschmer

Kretschmer kritisiert Angriff auf Spitzenkandidat der SPD - und warnt

Am 3. Mai ist der Spitzenkandidat der SPD für die Europawahl, Matthias Ecke, Opfer eines brutalen Angriffs geworden. Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer kritisierte diesen bei "Caren Miosga" - und warnte. (Bildcredit: NDR/Claudius Pflug)
  • Elisabeth Niejahr: Die Geschäftsführerin der Gemeinnützigen "Hertie-Stiftung" sagte: "Bei den Bauern-Demos hätte ich mir ein viel härteres Einschreiten aller Parteien gewünscht – wenn beispielsweise so etwas wie Galgen gezeigt werden. Das sind genau die Gewöhnungseffekte, die gefährlich sind." Die Schwelle, ins Handeln zu kommen, werde immer kleiner.
  • Ilko-Sascha Kowalczuk: Der Historiker und Publizist analysierte: "Die Strategie der AfD ist, dass das Unsagbare immer sagbarer gemacht wird." Dieses Geschäft würden zunehmend auch Konservative betreiben. "Das konservative Milieu hat teilweise die Sprache und Denke der AfD übernommen – in dem treuen Glauben, dass man sie so gewissermaßen gegen die Wand drücken könnte", meinte er.
Caren Miosga
Caren Miosga (l.) mit ihren Gästen: Ilko-Sascha Kowalczuk (2.v.l.), Michael Kretschmer (CDU) und Elisabeth Niejahr. © NDR/Claudius Pflug

Das ist der Moment des Abends bei "Caren Miosga"

Historiker Kowalczuk kritisierte CDU-Politiker Kretschmer für seine Sprache. In der Vergangenheit hatte Kretschmer beispielsweise gesagt: "Wir müssen die Grünen loswerden." Aus Sicht von Kowalczuk hatte Kretschmer versucht, seine eigene Wortwahl und die seiner Parteimitglieder "wegzuargumentieren".

Dazu sagte der Ministerpräsident empört: "So zu tun, als würde ich hier irgendetwas wegreden, ist einfach unredlich." Es sei nicht in Ordnung, so zu tun, als ob eine demokratische Partei wie die CDU auch nur im Ansatz ein Thema wie Rechtsextremismus und Verfassungsfeindlichkeit ignorieren würde. "Das lasse ich mir und den Sachsen nicht anhängen. Das ist eine Frechheit!", echauffierte er sich. AfD und CDU in einen Topf zu werfen, werde das Phänomen vergrößern.

Das ist das Rede-Duell des Abends

Niejahr erinnerte an die hohen Zustimmungswerte der AfD bei Jugendlichen: "Die AfD ist gerade bei den unter 25-Jährigen besonders stark", sagte sie. Sie erschrecke, dass der AfD im Bereich Bildung gute Kompetenzwerte zugeschrieben würden. "Da muss die Regierung sich schon fragen lassen, ob sie die optimale Politik für Jugendliche macht", so Niejahr.

Kretschmer reagierte darauf: Es mangele an Lehrern, was eine große Herausforderung sei. Man habe nach dem Einzug der NPD die Stunden für Gemeinschaftskunde und Demokratie erhöht, aber: "Schule ist nicht der Reparaturbetrieb der Gesellschaft. Zumindest wird er es nicht allein leisten können." Man müsse sich die kurzen, massiven Botschaften, die auf TikTok vermittelt würden, genauer anschauen.

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So hat sich Caren Miosga geschlagen

Miosga gab eine gute Figur ab. Erst fragte sie Kretschmer: "Wie erklären Sie sich die enorme Aggressivität, besonders den Grünen gegenüber?", erinnerte den Ministerpräsidenten aber im selben Zuge auch an seine eigene Aussage: "Wir müssen die Grünen loswerden." Erfolgreich lieferte Miosga auch Gegenrede bei Kretschmers Ablenkungsversuchen und erinnerte mit Blick auf Sachsen: "Sie haben ein massives rechtsextremes Problem."

Zu weit weg vom eigentlichen Sendungsthema führte allerdings die Debatte über den Krieg in der Ukraine.

Das ist das Ergebnis bei "Caren Miosga"

"Die Alternative, nicht mehr miteinander zu reden, kann nur eine schlechte sein", konstatierte Kretschmer gegen Ende der Sendung und hielt damit ein wichtiges Ergebnis fest. Was die Runde allerdings auch betonte: Das "Wie" des Miteinander-Redens muss – gerade von der Union – noch umsichtiger und weniger populistisch erfolgen. Das bezog sich vor allem auf die Kritik an der Ampel.

Das Rezept gegen die AfD lautete schließlich so: Wenn die Demokratie die Probleme der Menschen lösen kann, verliert die AfD ihr Pfund. Allerdings müssen die demokratischen Parteien dabei an einem Strang ziehen.

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