Das in manchen Boulevard-Medien bisweilen hysterisch diskutierte Gebäudeenergiegesetz nimmt seinen Lauf - wo auch immer dieser endet. Anne Will diskutierte am Sonntagabend daher die Frage: "Das Ende von Öl- und Gasheizungen - Höchste Zeit oder überstürzter Plan?" Eine gute Frage, deren Klärung auch fast gelungen wäre - wäre ein Gast nicht nur zum Schlagwort-Platzieren gekommen.

Christian Vock
Eine Kritik
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Das Gebäudeenergiegesetz hatte keinen guten Start. Es wurde in einem Entwurfsstadium an die Presse durchgesteckt, was zu übertriebener Berichterstattung in Boulevard-Medien und dann mutmaßlich zu Verunsicherung bei den Bürgern führte. Anne Will wollte am Sonntagabend Licht ins Dunkel bringen und sprach mit ihren Gästen über das Gesetz an sich, die Umsetzung, die Kommunikation, Technologieoffenheit, aber auch über Dringlichkeit beim Klimaschutz.

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Mit diesen Gästen diskutierte Anne Will

  • Klara Geywitz (SPD). Die Bundesministerin für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen sagt zur Frage der Geschwindigkeit des Gesetzes: "2045 soll und muss Deutschland klimaneutral sein. So eine neue Heizung hält locker mal 20, 25 Jahre. Das heißt, es ist höchste Zeit, dass wir den Einstieg schaffen, in den Ausstieg, Fossiles zu verbrennen." Man müsse sich nicht nur zum Klimaschutz bekennen, sondern auch etwas dafür tun, urteilt Geywitz über die Vorgängerregierung und sagt: "Das Bundesverfassungsgericht hat uns aufgefordert, das nicht nur gut zu meinen mit dem Klimaschutz, sondern tatsächlich Maßnahmen zu ergreifen." Dass das Gesetz ab 2024 komme, sei auch für den Wettbewerbsstandort Deutschland wichtig. Die deutsche Heizungsindustrie habe Geywitz gesagt: "Wir brauchen Planungssicherheit. Halten Sie bitte an dem Datum 1.1.2024 fest, unsere Milliardeninvestitionen von Mittelständlern fußen auf diesem Datum."
  • Jens Spahn (CDU). Bis vor kurzem noch Gesundheitsminister, ist Spahn nun in der Unions-Fraktion für die Themen Wirtschaft, Klima, Energie, Mittelstand und Tourismus zuständig. "Was wirklich gilt, ist immer noch nicht klar", behauptet Spahn über das Gebäudeenergiegesetz. Über den Zeitpunkt des Gesetzes behauptet Spahn weiter: "Ob Sie es jetzt zum 1.1.2024 oder zum 1.1.2025 machen, ist für den Klimaschutz in der Welt kein großer Unterschied." Für die Akzeptanz mache es aber einen Unterschied, so Spahn.
  • Hermann-Josef Tenhagen. Wirtschaftsjournalist Tenhagen ist Chefredakteur bei "Finanztip". Er sagt über das Gesetz: "Jetzt haben wir eine Situation, wo eigentlich das Gesetz per se gar nicht so verkehrt ist." Man müsse nur dafür sorgen, dass die Leute nicht vorschnell und zu überteuerten Preisen ihre Heizung umstellen. Die eigentliche Frage sei für Tenhagen nämlich: "Was erzählt man den Leuten über ihre Heizung?", kritisiert Tenhagen die unkorrekte und unvollständige Berichterstattung mancher Medien, aber auch die verbesserungswürdige Kommunikation der Bundesregierung.
  • Kai H. Warnecke. Warnecke ist Präsident des Zentralverbandes Haus & Grund Deutschland e. V. und sieht im Gesetz folgendes Problem: "Wir können diese individuellen Sanierungsfahrpläne, die man eigentlich bräuchte, die auch gefördert werden, derzeit nicht auf den Weg bringen, weil die Bundesregierung bei diesem Gesetz das Pferd von hinten aufzäumt." Erst müsse man klären, so Lobbyist Warnecke, mit welcher Energieart, also Fernwärme, Strom, Gas, oder Ähnlichem das eigene Haus versorgt wird, ehe die neue Heizung eingebaut wird.
  • Ann-Kathrin Büüsker. Die Hauptstadtkorrespondentin des Deutschlandfunks ist Expertin für Klima- und Energiepolitik und sagt über die Ansage aus dem FDP-Parteitag, mit der FDP werde es "kein Verbotsgesetz geben": "Die FDP möchte gerne bei der Landtagswahl in Bremen einigermaßen gut abschneiden, die am 14. Mai stattfinden wird." Dieses "Hochziehen" eines Themas habe man schon einmal beobachten können. "In den Redebeiträgen gestern war sehr viel Populismus zu hören", erklärt Büüsker über den Parteitag. "Viel Wahlkampftaktik", so das Fazit.

Der Schlagabtausch des Abends

Es beginnt damit, dass Anne Will von Ann-Kathrin Büüsker wissen möchte, ob das Gesetz zu überstürzt ist. Die erinnert daran, worum es eigentlich geht: "Besser wäre es gewesen, wenn wir das schon vor fünf oder zehn Jahren gesehen hätten, so wie Frau Geywitz eben gesagt hat", erklärt Büüsker und verweist auf die aktuellen Temperaturen von 43, gefühlten 54 Grad in Thailand. Daraufhin wiederholt Spahn seine Behauptung, das eine Jahr Verzögerung würde für das Weltklima keinen großen Unterschied machen.

Da erinnert ihn Büüsker daran, dass diese Verzögerungstaktik bei der Union Tradition hat: "Von Technologien nur zu reden bringt nichts, man muss sie auch umsetzen." "Aber das passiert doch", unterbricht Spahn, doch Büüsker entgegnet: "Sie haben gerade davon gesprochen, dass Sie die Heizung um ein Jahr verschieben wollen […]. Ich finde es ganz bemerkenswert, dass Ihre Partei immer wieder solche Ausreden 'Wir können es ja ein Jahr später' hat. Ihr Parteikollege, Herr Kretschmer, sagt das gleiche beim Kohleausstieg: Nee, ziehen wir nicht vor, müssten wir, um unsere Emissionsminderungsziele im Energiesektor zu erreichen. Aber nein, auch das möchte er später machen."

So schlug sich Anne Will

Im Prinzip gut. Fiel Will ihren Gesprächspartnern anfangs noch unnötig ins Wort, schritt die Moderatorin an einer wichtigen Stelle resolut ein. Als Spahn nämlich wieder erklärte, das eine Jahr Verzögerung mache keinen Unterschied, macht Will klar: "Diese Klimaziele sind ja nicht verhandelbar. Das ist ja nicht einfach mal lustig in die Welt gerufen und muss auf Akzeptanz treffen - das ist Gesetzeslage. Da gibt es auch internationale Verpflichtungen."

Das Fazit

Es hätte tatsächlich eine Diskussion werden können, in der in aller Ruhe und Sachlichkeit die wichtigsten Fragen des Gesetzes geklärt, der Zuschauer also mit einer Einordnung, Fakten und Ratschlägen aus der Show gegangen wäre. Klara Geywitz und Hermann-Josef Tenhagen gaben sich jedenfalls Mühe, das Gesetz und dessen Details sachlich zu erklären. Dass es nichts mit einem größeren Erkenntniszuwachs für den Zuschauer wurde, lag zu einem nicht unerheblichen Teil an Jens Spahn.

Der CDU-Politiker war nämlich offenbar nicht gekommen, um sich einem sachlichen Austausch zu stellen, sondern um möglichst viele populistische Schlagworte zu platzieren. Die "Wärmewende" deklarierte er zur "Chaoswende", Bau-Ministerin Geywitz diffamierte er als "Baustopp-Ministerin". Das ist nicht nur ein inhaltsloser, sondern auch ein billiger Diskussionsstil, vor allem aber dürfte er alle verunsicherten Zuschauer noch mehr verunsichert haben, obwohl sich Spahn doch eigentlich als deren Anwalt präsentieren wollte.

So wiederholt Spahn etwa seine Behauptung, es herrsche Chaos, weil niemand, der ein Haus bauen möchte, wisse, was denn nun gilt. Geywitz räumt Spahns Behauptung mit einem einfachen "Es gilt immer der Bauantrag" weg, doch Spahn redet weiter von "massiver Verunsicherung", statt mit einem "Ach so" diese Verunsicherung einfach aufzulösen. So klingt nicht jemand, der sich um die Verunsicherung der Bürger sorgt, sondern jemand, der diese Verunsicherung gerne mit kerniger Rhetorik am Leben halten will.

Irgendwann ist diese durchschaubare Schlagwort-Platzierung auch Ann-Kathrin Büüsker zu lästig, so dass sie dem ehemaligen Gesundheitsminister vorschlägt: "Wollen wir ein Trinkspiel machen? Jedes Mal, wenn Sie 'Brechstange' sagen, trinken wir einen Schnaps. Ich glaube, dann schaffen wir die komplette Sendung nicht unbedingt."

Besonders absurd wird es, als Anne Will Spahn erklärt: "Kann man mit dem Klima irgendwelche Verhandlungen treffen? Nein!" Entweder versteht Spahn hier Wills Aussage nicht oder er hat ein ganz spezielles Verhältnis zu Naturwissenschaften, denn er antwortet: "Erstmal möchte ich vom Politikverständnis her festhalten: Grundsätzlich ist alles verhandelbar, was gesetzlich geregelt wird."

Nein, Jens Spahn war nicht gekommen, um die Verunsicherung, die er bei den Menschen festgestellt haben will, zu beseitigen, sondern trägt zu dieser Verunsicherung an diesem Abend selbst bei.

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