Der Machtkampf um die Nachfolge von Angela Merkel wird hitziger. Armin Laschet und Markus Söder führen inzwischen ein offenes Fernduell. Am Ende könnte Friedrich Merz der lachende Dritte werden. Eine Zahl markiert seine erstaunlich großen Chancen.

Dr. Wolfram Weimer
Eine Kolumne
Diese Kolumne stellt die Sicht von Wolfram Weimer dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Ginge es nach der aktuellen Mehrheitsmeinung in Deutschland, dann würde Markus Söder 2021 Kanzlerkandidat der Union. Nach der Coronakrise halten 45 Prozent der Deutschen den bayerischen Ministerpräsidenten für einen geeigneten Kandidaten.

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Auf Platz zwei der jüngsten Umfrage folgt Friedrich Merz mit 30 Prozent, obwohl er in der Krise weder Regierungsmandat noch Bühne hatte. Weit abgeschlagener Dritter ist Armin Laschet, den nur 19 Prozent der Deutschen für geeignet halten. In weiten Teilen der Bevölkerung hat Laschet mit seinem wankelmütigen Krisenmanagement offenbar an Ansehen verloren.

Im März galt Laschet noch als Favorit für den CDU-Vorsitz

Die miserablen Umfragewerte für Laschet sorgen in der CDU zusehends für Nervosität. Eigentlich war der nordrhein-westfälische Ministerpräsident im März als Favorit für den CDU-Vorsitz und die Kanzlerkandidatur gestartet. Er hatte den linken Flügel der Partei, das Merkel-Lager und viele CDU-Spitzenvertreter auf seiner Seite. Er galt mit seiner rheinisch-versöhnenden Art als der ideale Brückenbauer einer großkoalitionären Republik, er konnte mit Jens Spahn einen CDU-Hoffnungsträger für sich gewinnen und verkörperte als Ministerpräsident des größten Bundeslandes so etwas wie die natürliche Kontinuität der Macht.

Laschet bekam mit der Coronakrise schließlich sogar die große Chance zur nationalen Profilierung. Doch während Angela Merkel und Markus Söder die Situation stark meisterten und in Umfragen emporschnellten, hat Laschet seine persönliche Chance mit fahriger Führung verspielt. Unter seinen Gefolgsleuten macht sich nach dem Tönnies-Skandal Ernüchterung breit, in der gesamten CDU entsteht ein gefühltes Vakuum künftiger Macht.

Viele hatten sich schon auf Laschet eingestellt, nun sortiert sich die Partei neu, einige wollen Jens Spahn ermutigen, im Tandem mit Laschet nun den Lenker zu übernehmen. Andere würden Angela Merkel am liebsten überreden, doch noch einmal anzutreten. Die Unruhe ist in den vergangenen Tagen so groß geworden, dass die CDU-Führung nun dringend zur Disziplin aufruft: Man dürfe mit einem CDU-Erbfolgetheater die guten Umfragewerte der Union nicht ruinieren.

CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer warnt offen vor einer Eskalation der Lage in der Sommerpause. "Das Letzte, was wir jetzt brauchen, ist, dass sich die Kandidaten im parteiinternen Wahlkampf zerfleischen", mahnt auch der saarländische Ministerpräsident Tobias Hans.

An den Umfragen des Meinungsforschungsinstituts Civey kann jeder teilnehmen. In das Ergebnis fließen jedoch nur die Antworten registrierter und verifizierter Nutzer ein. Diese müssen persönliche Daten wie Alter, Wohnort und Geschlecht angeben. Civey nutzt diese Angaben, um eine Stimme gemäß dem Vorkommen der sozioökonomischen Faktoren in der Gesamtbevölkerung zu gewichten. Umfragen des Unternehmens sind deshalb repräsentativ. Mehr Informationen zur Methode finden Sie hier, mehr zum Datenschutz hier.

Markus Söder geht als Sieger aus der Coronakrise hervor

Dabei hat genau das bereits begonnen. Denn spiegelbildlich zum Niedergang Laschets hat sich der Aufstieg Söders vollzogen. Der CSU-Chef hat seinen nordrhein-westfälischen Konkurrenten in der Rolle des starken Krisenmanagers schlichtweg geschlagen. Auch innerhalb der CDU gewinnt er zusehends an Rückhalt. Selbstbewusst verkündet Söder daher: "Nur wer Krisen meistert, wer die Pflicht kann, der kann auch bei der Kür glänzen."

Laschet und Söder verhalten sich zueinander mittlerweile so wie Borussia Dortmund und Bayern München - in herzlicher Abneigung und giftigem Wettbewerb. Immer offener werden rhetorische Schüsse aufs gegnerische Tor abgefeuert, fliegen Flanken mit vergifteten Komplimenten zwischen NRW und Bayern hin und her, versteckte Fouls sollen den Gegner aus dem Tritt bringen, das politische Spiel der Kanzleranwärter wird nickliger und ruppiger.

Wo Laschet ein Führungs- und Umfrageproblem hat, besteht Söders Handicap in einer Verfahrensfrage. Gäbe es einen gemeinsam Krönungsparteitag von CDU und CSU, dann wäre ihm die Kanzlerkandidatur bei derzeitiger Stimmungslage kaum zu nehmen. Tatsächlich aber gibt es im Dezember nur einen CDU-Parteitag, auf dem der neue Vorsitzende gewählt wird. Der aber wird kein Steigbügelhalter für Söder sein können (auch wenn Norbert Röttgen sich in dieser Rolle übt). Dafür ist die CDU zu groß, zu stolz und zu mächtig.

Wenn also Merz oder Laschet zum neuen Vorsitzenden mit Kanzlerpotential gewählt werden, wieso sollte einer der beiden hernach der viel kleineren CSU den Vortritt lassen? Das ginge nur, wenn der neue CDU-Vorsitzende miserable Umfragewerte, also schlechte Wahlchancen hätte. Den aber würde die CDU erst gar nicht zum Vorsitzenden wählen. Dieses Szenario lastet fatal auf Laschet.

Friedrich Merz könnte der lachende Dritte werden

Damit wird eine Konstellation wahrscheinlicher, dass im Streit zwischen Laschet und Söder am Ende ein lachender Dritter als Überraschungsgewinner hervortreten könnte: Friedrich Merz. Der CDU-Wirtschaftspolitiker hält sich aus den Streitereien bislang geschickt heraus, er war in der Coronakrise notgedrungen sogar abgetaucht.

Nun aber kommt er mit Macht zurück, weil die Sorgen vor einer gewaltigen Rezession größer werden und sein Part als Wirtschaftsexperte plötzlich wieder gefragt ist. Merz liegt in Umfragen klar vor Laschet, besetzt zugleich den strategischen Zielpunkt des Wahlkampfs - eine schwarz-grüne Regierung 2021.

Manches an Merz erinnert an Sebastian Kurz in Österreich. Beide treten in ihren Parteien als souveräne Solitäre gegen das Partei-Establishment auf, beide verfügen über klare bürgerliche Profile, beide sind Projektionsflächen für Erneuerungssehnsüchte, beide sind aber offen für schwarz-grünen Pragmatismus.

In der Führung von CDU und CSU wird Merz - auch das ähnelt der Kurz-Geschichte - gleichwohl unterschätzt, weil ihm der Rudelgeruch der jüngsten Profijahre fehlt. Schon vor zwei Jahren war das so, als Merz gegen Spahn und AKK antrat. Damals deklassierte er den hochgelobten Spahn und scheiterte nur hauchdünn gegen AKK. Merz holte dabei - das betonen seine Unterstützer immer wieder - trotz massiver Mobilisierung des Merkel-Lagers die Hälfte des CDU-Parteitages.

Alle diejenigen, die ihn vor zwei Jahren gewählt haben, werden dies nun erst recht tun. Merz startet diesmal also bei 48,3 Prozent. Diese Zahl markiert das unterschätzte Merz-Potential in der CDU. Sollte Laschet - so angeschlagen wie jetzt im Sommer - tatsächlich in die Kampfkandidatur ziehen, dann hätte Merz größte Chancen zu gewinnen. Jeder weitere Schlagabtausch zwischen Söder und Laschet kann ihm also nur recht sein.

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