• Die AfD hält sich für die alleinige Vertreterin einer "normalen" Politik in Deutschland.
  • Darauf zielt auch ihr Slogan für die Bundestagswahl ab.
  • Mitten in der dritten Corona-Welle versammelt sie in Dresden Hunderte Mitglieder, um sich für Wahl warmzulaufen.

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"Deutschland. Aber normal" lautet der Slogan, mit dem die AfD im Bundestagswahlkampf punkten will. Dass in der AfD auch rund acht Jahre nach ihrer Gründung noch einiges nicht normal läuft, hat der Bundesparteitag in Dresden allerdings deutlich unter Beweis gestellt. Ein Antrag, den Parteivorsitzenden Jörg Meuthen vorzeitig abzuwählen, schafft es zwar nicht auf die Tagesordnung. Der Parteivorstand, in dem Meuthen die Mehrheit der Mitglieder hinter sich hat, gerät am Samstag aber dennoch heftig unter Beschuss.

Auch die Frage, wie ernst man die Bedrohung durch das Coronavirus nehmen sollte, ist in der AfD stark umstritten. Auf dem Podium will ein Bundesvorstandsmitglied den Ehrenvorsitzenden Alexander Gauland auf dem Podium per Handschlag begrüßen. Doch der winkt ab. Auch unten in der Halle nehmen es nicht alle so genau mit Abstand und Maske, weshalb sich die Versammlungsleitung genötigt sieht, an die Hygiene- Regeln zu erinnern. Das Dresdner Ordnungsamt hat die Einhaltung der Auflagen kontrolliert und bei Missachtung Konsequenzen angekündigt.

Während sich Meuthen in seiner Eröffnungsrede auf den Wahlkampf konzentriert, teilt der Co-Vorsitzende Tino Chrupalla aus. Er kritisiert Meuthen für dessen Brandrede auf dem Bundesparteitag im vergangenen November. Meuthen hatte in Kalkar gefordert, auf krasse Positionen und krawalliges Auftreten zu verzichten. Auch ein Parteivorsitzender dürfe seine Gedanken öffentlich aussprechen, sagt Chrupalla, aber "bestimmte Dinge sollten intern und nicht in der Öffentlichkeit diskutiert werden". Während Meuthen von "Strömungen" in der Partei spricht, fordert Chrupalla: "Schluss mit dem Lager-Denken!"

Höcke macht dem Bundesvorstand Vorwürfe wegen Hartwig

Der Thüringer AfD-Landesvorsitzende Björn Höcke tritt häufiger ans Saalmikrofon als bei früheren Bundesparteitagen. Dem Bundesvorstand wirft er vor, er habe den Bundestagsabgeordneten Roland Hartwig als Leiter einer Arbeitsgruppe, die sich mit dem Verfassungsschutz beschäftigt, "aus machtpolitischen Gründen abberufen". Dabei habe Hartwig in dieser Rolle eine "großartige Leistung" erbracht.

Die Arbeitsgruppe war im September 2018 gegründet worden. Sie hat den Auftrag, sich mit dem Thema einer "möglichen Beobachtung durch Landesämter oder das Bundesamt für Verfassungsschutz" zu befassen. Damals hieß es, ihre Aufgabe werde es sein, Gegenstrategien vorzubereiten, sowohl rechtlich als auch argumentativ.

Die Parteispitze hatte im Dezember auf Antrag Meuthens den Rechtsanwalt Knuth Meyer-Soltau aus Nordrhein-Westfalen zum neuen Leiter der Gruppe gewählt. Chrupalla stimmte damals gegen Hartwigs Ablösung. Inzwischen sind einige Landesverbände der AfD bereits auf dem Radar der Verfassungsschützer gelandet. Der 2015 von Höcke gegründete und mittlerweile formal aufgelöste "Flügel" wird vom Bundesamt für Verfassungsschutz als rechtsextremistische Bestrebung eingestuft. Hartwig hält dies für ungerechtfertigt.

Dass sich schließlich eine knappe Mehrheit der rund 560 anwesenden Delegierten dafür ausspricht, die Personalie Hartwig auf dem Parteitag zu diskutieren, werten manche Beobachter als Hinweis darauf, dass die Anhänger des sogenannten "sozialpatriotischen Flügels" um Höcke in der Partei inzwischen Mehrheiten organisieren können. Heftig gestritten wird auch, weil der Bundesvorstand wohl zuletzt die Aufnahme etlicher neuer Mitglieder in Sachsen-Anhalt verhindert hatte. Darüber, was für AfD-Interessenten da abgelehnt wurden, lässt sich nur mutmaßen. Die Kritik am Parteivorstand kam allerdings auch in diesem Fall von Anhängern des Rechtsaußen-Flügels.

AfD will Signal der Geschlossenheit und des Aufbruchs vermitteln

Einig sind sich viele Redner, dass Uneinigkeit der AfD im Wahlkampf nur schaden kann. Deshalb plädieren sie wie der sächsische AfD-Chef Jörg Urban dafür, innerparteiliche Konflikte unter der Decke zu halten. "Lasst uns von Dresden aus ein Signal der Geschlossenheit und des Aufbruchs vermitteln", ruft Urban den Delegierten fast schon beschwörend zu. In manchen Parteitagsreden sind allerdings versteckte Seitenhiebe zu erkennen, die den Eindruck erwecken, dass nach der Wahl wohl intern abgerechnet wird. Spätestens bei der geplanten Neuwahl des Bundesvorstandes Ende November.

Draußen vor der Tür machen etwa 150 Demonstranten lautstark klar, was sie von AfD insgesamt halten - mit Sprechchören und Plakaten. Auf dem Weg vom Parkplatz zur Messehalle müssen die Delegierten direkt an der Menge vorbei. Es ist wie ein kleiner verbaler Spießrutenlauf. Rosa von Striesen, Sprecherin eines Protest-Bündnisses mehrerer Initiativen, hält den Slogan der AfD-Wahlkampagne "Deutschland. Aber normal" für einen ideologischer Offenbarungseid der Partei. Das sei "der Versuch Hass und Hetze weiter zu normalisieren", sagt sie. (dpa/fra)  © dpa

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