Und täglich grüßt das Murmeltier: Wie zu jedem großen Fußballturnier wird auch bei der WM 2018 wieder die Frage diskutiert, weshalb Mesut Özil die deutsche Nationalhymne nicht mitsingt. Dabei hat er sein Schweigen schon längst erklärt.

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Derzeit ist Mesut Özil der wohl meist kritisierte Nationalspieler Deutschlands. Seit seinem Foto mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan scheint der Profi von Arsenal London es niemandem mehr recht machen zu können.

Allen voran versuchen sich besserwisserische Ex-Nationalspieler gegenseitig in ihrer Kritik an dem 29-Jährigen zu überbieten.

Während Lothar Matthäus in der "Bild" mutmaßt, Özil fühle sich im DFB-Trikot nicht wohl, attestiert ihm Mario Basler bei "Hart aber fair" die Körpersprache "von einem toten Frosch, jämmerlich, erbärmlich, grottenschlecht".

Hymnen-Singen als ultimative Identifikation?

Das dürfte Özil in seinem Medienboykott eher noch bestärken. Die Diskussion um seine Person ist längst nicht mehr leistungsabhängig, Özil-Bashing scheint zum Volkssport geworden zu sein.

Unweigerlich kehrt alle zwei Jahre zu einem großen Turnier auch die eine Frage wieder, die gefühlt schon diskutiert wird, seit sich Özil zum ersten Mal das Trikot der deutschen Nationalmannschaft überstreifte: Warum singt der eigentlich die Hymne nicht mit?

Das Mitsingen des Hoffmann-von-Fallersleben-Textes gilt vielen inzwischen als der ultimative Beweis für die Identifikation mit dem eigenen Land. Zuletzt hatte die AfD-Vorsitzende Alice Weidel diesen Anspruch bei Twitter bissig auf Özil projiziert.

Oder wie es Stefan Effenberg unlängst im "Sport1-Doppelpass" formulierte: "Wenn er so zu seinem Land, Deutschland, steht, dann muss er auch die Hymne mitsingen."

Ob Effenberg, Weidel und alle anderen Hymnen-Deuter wissen, dass beispielsweise auch Franz Beckenbauer häufig während der Nationalhymne schwieg?

Darum singt Özil die Hymne nicht mit

Auch egal, denn Özil hat schon längst erklärt, weshalb er die Hymne nicht mitsingt. Allein, seine Erklärung wird offenbar einfach immer wieder vergessen - oder verdrängt.

Im Magazin "Mission Titelverteidigung" des renommierten Sportjournalisten und Verlegers Oliver Wurm hat Özil nun erneut auf die Frage nach seinem Nicht-Singen geantwortet: "Während die Hymne gespielt wird, bete ich. Und ich bin sicher, dass diese Einkehr mir und damit auch meiner Mannschaft Kraft und Zuversicht gibt, um den Sieg nach Hause zu fahren."

Eine Tradition, die Özil schon seit seiner Kindheit pflegt: "Schon als kleiner Junge habe ich vor Spielen auf dem Fußballplatz gebetet. Und so halte ich es bis heute bei."

In seiner 2017 erschienenen Biografie "Die Magie des Spiels" liefert Özil auch den Text seines Gebets: "Allah, gibt uns für das heutige Spiel Kraft und schütze mich und meine Teamkollegen vor Verletzungen. Allah, Du kannst uns den Weg eröffnen und auch verschließen. Führe uns nicht vom rechten Weg ab. Amen."

Dass er sich immer wieder dafür rechtfertigen muss, findet Özil verständlicherweise nicht besonders toll: "Ich finde es schade, wenn ich oder ein Mitspieler dafür verurteilt werde – denn ich bin sicher, dass die Leute gar nicht wissen, warum nicht jeder lauthals mitsingt", verdeutlicht er im Interview mit "Mission Titelverteidigung".

Nun wissen jedenfalls wieder ein paar Leute mehr, weshalb Özil während der Nationalhymne schweigt und können sich hoffentlich wieder mehr auf das konzentrieren, was im Fußball wirklich zählen sollte: Özils Leistung auf dem Platz.

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