Der FC Bayern reist mit zwei Siegen und einer Niederlage im Gepäck zurück in die Heimat. Auch wenn Testspiele grundsätzlich nicht überbewertet werden sollten, steht fest: Die Bayern sind in der Vorbereitung erstaunlich weit.

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Die Transfer-Flaute, das mögliche Ende von Uli Hoeneß an der Spitze des FC Bayern, Treffen mit Football-Stars und Arnold Schwarzenegger - die US-Tour des FC Bayern wurde von Themen bestimmt, die jenseits des Fußballplatzes stattfinden. Dabei lohnt sich der vertiefte Blick auf die drei hochkarätigen Testspiele gegen den FC Arsenal (1:2), Real Madrid (3:1) und den AC Mailand (1:0). Kovac wechselte zwar munter durch, kann aber auch eine Reihe von positiven Erkenntnissen aus den Spielen mitnehmen.

Vier Lehren aus der US-Tour

Die Neuzugänge können weiterhelfen

Auf den verletzten 80-Millionen Mann Lucas Hernández müssen die Bayern-Fans weiter warten. Doch die weiteren Sommertransfers Benjamin Pavard und Jann-Fiete Arp zeigten zum Auftakt, dass mit ihnen zu rechnen sein wird.

Vor allem Pavard, den Kovac innen und rechts in der Viererkette spielen ließ, wusste zu gefallen. Der französische Weltmeister weiß, dass er sich hinten anstellen muss und arbeitet entsprechend hart um einen Platz.

Der Franzose wurde im Aufbauspiel aktiv gesucht. Ein Beweis, dass er schon jetzt das Vertrauen seiner Mitspieler hat. Sicheres Passspiel, Risikobereitschaft bei vertikalen Bällen, gute Zweikampfführung, gefährlich bei Standards im gegnerischen Strafraum. Ein gelungenes Debüt. Pavard war über drei Spiele gesehen sogar etwas stabiler als Niklas Süle, der als klare Nummer eins in der Hintermannschaft gilt.

Auch Arp deutete an, warum der FC Bayern den zuletzt in Hamburg ausgebooteten Offensivmann nach München lotste. Eine tolle Ballführung und gute Bewegungen in direkten Duellen zeichnen sein Spiel aus. Mit einem Treffer klappte es nicht. Auch ansonsten ging immer mal wieder etwas schief in seinen Aktionen, wie er sehr selbstkritisch festhielt. Arp hat viel Entwicklungspotenzial. Bayern sollte das nutzen.

Auch Corentin Tolisso kann übrigens wie ein Neuzugang behandelt werden. Der Franzose fiel mit einem Kreuzbandriss fast die gesamte Saison aus. Nun meldete der zentrale Mittelfeldspieler sich mit einem Tor gegen Real Madrid und seinem gewohnt dynamisch-bulligen Spiel zurück. Kovac hat damit eine Option mehr im zentralen Mittelfeld.

Der Flick-Effekt

Hansi Flick agiert seit dem Trainingsauftakt als neuer Co-Trainer an der Seite von Niko und Robert Kovac. Natürlich ist es schwer seinen Einfluss bereits nach wenigen Wochen nachzuweisen. Doch es war in allen drei Testspielen extrem auffällig, dass sich wesentliche Elemente in Bayerns Kombinationsspiel deutlich verbessert haben.

Im Spielaufbau gab es deutlich mehr Dreiecksbildungen, was schnelle Kombinationen erleichtert und dabei hilft, das gegnerische Pressing zu umspielen.

Auch am gegnerischen Strafraum waren die Bayern bemüht, unterschiedliche Wege in den Strafraum zu finden und nicht so schnell auf hohe und damit meist ungenaue Flanken zu setzen, wie in der Vergangenheit - deutlich zu sehen bei Kimmichs herrlichem Pass auf Goretzka vor dem 1:0 gegen Mailand. Oder bei einer herrlichen Kombination über Coman und Müller am Strafraumeck die zum 1:0 durch Tolisso gegen Real Madrid führte.

Ob es nun an Flick liegt oder nicht: Mehr Automatismen in Bayerns Kombinationsspiel sind im Vergleich zum Vorjahr dringend notwendig. Auch hier deuteten die Testspiele eine positive Entwicklung an.

Thiago wird der Boss

Der Spanier ist der Dreh- und Angelpunkt in Bayerns Spiel. Das zeigte sich auch in den USA. Um ihn herum sollte Kovac seine Formation und sein Spiel aufbauen. Thiago ist inzwischen 28 Jahre alt und rückt nach den Abgängen von Robben und Ribéry auch in der Mannschaftshierarchie weiter auf. Vor allem in der ersten Halbzeit gegen die mit Weltstars gespickten Madrilenen zeigte Thiago als Taktgeber im Dreiermittelfeld seine Klasse. Er ist unglaublich schwer vom Ball zu trennen, hat ein gutes Gefühl für Tempoverschärfungen und ist in der Lage eine Abwehr mit tiefen Bällen aus dem Fußgelenk auszuhebeln.

Es ist also kein Zufall, dass während der US-Tour bekannt wurde, dass Bayern-Boss Rummenigge darauf drängt, den noch bis 2021 laufenden Vertrag mit Thiago zu verlängern. Thiago entwickelt sich in der sich neu formierten Münchner Mannschaft immer mehr zum Boss.

Neue Variabilität

Niko Kovac genießt den Luxus, einen sehr variablen Kader zu haben. Auch wenn noch der ein oder andere Neue kommen soll, zeigte sich schon in den drei Tests, dass Kovac schon jetzt viele Möglichkeiten hat, zu variieren.

Pavard spielte in der Abwehr im Zentrum und rechtsaußen. Kimmich verteidigte meist rechts, rückte aber zum Beispiel gegen Madrid auch ins Mittelfeldzentrum. Dort spielt eigentlich Javi Martínez, der jedoch gegen Arsenal in der Innenverteidigung zum Einsatz kam. Flügelspieler Alphonso Davies verteidigte gegen Milan hinten links und machte seine Sache erstaunlich gut. Jann-Fiete Arp begann gegen Real Madrid auf dem Flügel und gegen den AC im Sturmzentrum. Und Thomas Müller spielte sowieso auf mindestens drei Positionen.

Für Kovac wird es mit diesem variablen Kader darauf ankommen, die richtige Balance zwischen notwendiger Eingespieltheit und hilfreicher Rotation zu finden. Das zeigten auch ein paar defensive Wackler, die die sportliche Bilanz insgesamt aber nur leicht schmälern. Möglichkeiten um zu variieren, hat Kovac jedenfalls genug.

Ohnehin wirkte der Bayern-Coach zum Abschluss der US-Tour gelöst. "Wir sind nicht nur zufrieden, wir sind außerordentlich zufrieden", gab Kovac zu Protokoll und gab seinen Spielern nach dem Rückflug erst einmal zwei Tage frei. Nach diesem ansprechenden Auftakt durchaus verdient.

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