Dass Nike ab 2027 DFB-Ausrüster wird und Adidas ablöst, hat für eine große Überraschung und viel Empörung gesorgt. Doch das US-Unternehmen nutzt eine Schwachstelle des Verbandes aus, um sich im deutschen Fußball breiter aufzustellen.

Eine Analyse
Dieser Text enthält eine Einordnung aktueller Ereignisse, in die neben Daten und Fakten auch die Einschätzungen von Andreas Reiners sowie ggf. von Expertinnen oder Experten einfließen. Informieren Sie sich über die verschiedenen journalistischen Textarten.

Adidas wird 2027 als Ausrüster des DFB abgelöst. Dass Nike den Zuschlag bekommen hat, schlägt hohe Wellen und sorgt für jede Menge Kritik, sogar deutsche Politiker schalten sich ein. Doch der Hauptgrund für den Wechsel liegt auf der Hand. Für Nike ist das ein Coup.

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Wenn ein Stück Fußball-Geschichte geht, ist die Empörung oft groß. Traditionen sind lieb gewonnene Hinterlassenschaften aus der Vergangenheit, denn sie sind meist identitätsstiftend, prägen Generationen, sind Konstanten in schwierigen und lebhaften Zeiten, als Fels in der Brandung sozusagen.

Adidas und die deutsche Nationalmannschaft sind so eine Konstante: Das ist nicht einfach nur ein Ausrüster und eine Nationalmannschaft. Das sind nicht nur drei Streifen für ein Team.

Adidas und der DFB - das ist Helmut Rahn, der aus dem Hintergrund schießen müsste. Das ist Herbert Zimmermanns legendäres "Tor, Tor, Tor, Tor". Das ist Wankdorf, das ist das Wunder von Bern, der WM-Titel. Das ist 1954, der sportliche Aufbruch nach dem Zweiten Weltkrieg. Das sind die Stollenschuhe von Adidas, die den Anfang der Zusammenarbeit zwischen dem Unternehmen von Adolf Dassler aus Herzogenaurach und dem Deutschen Fußball-Bund (DFB) symbolisieren.

70 Jahre lang blieb man sich treu, bildete eine enge Partnerschaft. Doch 2027 folgt eine Zeitenwende, die in dieser Woche offiziell eingeläutet wurde, denn der US-Riese Nike wird das deutsche Traditionsunternehmen Adidas als DFB-Ausrüster ablösen.

Sogar Politiker melden sich zu Wort

Der Aufschrei ist groß. Die Meldung sorgte sogar dafür, dass sich die Politik einmischt. "Ich kann mir das deutsche Trikot ohne die drei Streifen kaum vorstellen. Adidas und Schwarz-Rot-Gold gehörten für mich immer zusammen. Ein Stück deutscher Identität. Da hätte ich mir ein Stück mehr Standortpatriotismus gewünscht", polterte Wirtschaftsminister Robert Habeck. Und Gesundheitsminister Karl Lauterbach schrieb von einer Fehlentscheidung, bei der "Kommerz eine Tradition und ein Stück Heimat vernichte".

Auch andere Politiker kritisierten den DFB. Hessens Ministerpräsident Boris Rhein sagte: "Der Weltmeister trägt Adidas, nicht irgendeine amerikanische Fantasiemarke. (...) Ich kann mir nicht vorstellen, dass der DFB das am Ende durchhalten kann." Auch viele Fans können die Entscheidung nicht nachvollziehen.

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Zwei Faktoren sprachen für den Wechsel nach sieben Jahrzehnten. Zum einen hat "das mit Abstand beste wirtschaftliche Angebot abgegeben", sagte Holger Blask als Vorsitzender der Geschäftsführung der DFB GmbH & Co. KG. Wie das Handelsblatt berichtet, sollen es mehr als 100 Millionen Euro pro Jahr sein. Adidas zahlt aktuell rund 50 Millionen Euro. Daneben habe Nike "mit seiner inhaltlichen Vision überzeugt, die auch ein klares Bekenntnis für die Förderung des Amateur- und Breitensports sowie die nachhaltige Entwicklung des Frauenfußballs in Deutschland beinhaltet", so Blask weiter. Wie das Adidas-Angebot finanziell aussah, ist unklar.

Klar ist dafür, dass der Deal in der Branche für ein Beben sorgte und er für Nike ein voller Erfolg ist. Seit 1994 drängt der Sportartikel-Gigant in den Fußball, er hat Adidas als Dominator inzwischen abgelöst. 2006 hatte es das US-Unternehmen schon einmal beim DFB versucht, fing sich vom Verband aber einen Korb ein. Damals hielt der DFB dem langjährigen Partner die Treue, obwohl das Nike-Angebot besser dotiert gewesen sein soll.

Nike bejubelt Coup

Es sei "ein großartiger Beweis dafür, dass wenn wir unser Bestes bringen, uns niemand schlagen kann", sagte Konzernchef John Donahoe in einer Telefonkonferenz mit Analysten nach Vorlage aktueller Quartalszahlen zum Zuschlag durch den DFB. Man sei geehrt und habe sich von seiner besten Seite gezeigt, sagte Donahoe. Er verwies auf die Attraktivität des Sportausrüsters bei Design und Leistung, die sich auch ins Lifestyle-Geschäft ausweiten lasse und speziell auf den Frauenfußball, wobei er eine Verknüpfung zur Jugendkultur betonte. Zugleich habe Nike aber auch die Fähigkeit demonstriert, dass man das deutsche Team zu einer "globalen Marke" und die Fußballer zu "globalen Helden" machen könne, so Donahoe, der den DFB als "eine legendäre globale Kraft im Fußball" lobte. Unter dem Strich ist der prestigeträchtige Coup für Nike wichtig in wirtschaftlich herausfordernden Zeiten bei stagnierendem Umsatz. Ein kluger Schachzug.

Nike stellt sich nun im Fußball wieder etwas breiter auf, nachdem man zuletzt etwas weniger aggressiv vorgegangen war. Der weltbekannte "Swoosh" prangt zum Beispiel auf den Trikots von Rekordweltmeister Brasilien, Frankreich, England, den Niederlanden oder Portugal, insgesamt bei sechs Teams aus den Top Ten der FIFA-Weltrangliste. In Deutschland beziehungsweise in der Bundesliga ist das Bild seit einiger Zeit eindeutig: Nike steht in Sachen Klub-Ausrüster an der Spitze. Seit 2018/129 pendelt die Anzahl der verschiedenen Ausrüster in der Bundesliga laut dem Branchenmagazin Spobis zwischen acht und zehn pro Saison, 2023/24 sind es neun Ausrüster für die 18 Klubs.

Nike in der Bundesliga noch führend

Nike hat in den vergangenen Jahren immer zwischen fünf und sieben Teams ausgerüstet und war damit stets führend, aktuell sind es noch vier Vereine: Der VfL Wolfsburg, Eintracht Frankfurt, der SC Freiburg und RB Leipzig. Laut Spobis zahlt Nike dafür zusammen 13,2 Millionen Euro pro Saison. Kommt der von Spobis kolportierte Wechsel in Leipzig im Sommer von Nike zu Puma zustande, würden die Herzogenauracher mit dann vier Mannschaften an dem US-Riesen (noch drei) vorbeiziehen.

Der finanzielle Aufwand von Nike ist angesichts der Partner-Klubs vergleichsweise gering. Adidas ist in der Bundesliga zweimal vertreten, beim FC Bayern und Union Berlin. Doch alleine für den bis Sommer 2030 laufenden Vertrag mit dem FC Bayern soll Adidas rund 60 Millionen Euro pro Jahr zahlen. Insgesamt sind es laut Spobis 61,5 Millionen Euro, die das Unternehmen hinlegt. Puma steht mit 38,5 Millionen Euro an zweiter Stelle, hier macht Borussia Dortmund mit angeblich rund 30 Millionen Euro den größten Posten aus. Nike belegt Rang drei. In der 2. Bundeliga rüstet das US-Unternehmen drei Klubs aus (Hertha BSC, 1. FC Kaiserslautern und SV Elversberg). Auch hier steht man an der Spitze, gemeinsam mit Puma und Adidas.

Ein heftiger Schlag

Für Adidas ist das DFB-Aus im Kampf gegen Branchenführer Nike ein herber Verlust, nachdem der Konzern jüngst erst vermeldete, dass man bei einem Umsatz von 21,4 Milliarden Euro einen Verlust von 75 Millionen Euro hinnehmen musste. "Im Weltmarktkampf ist das ein herber Rückschlag", sagte Klaus Jost, Branchenkenner und ehemaliger Präsident des Sporthändlerverbunds Intersport International, dem Handelsblatt.

Zwar spare der Konzern nun Geld. Doch sei es immer schlecht, im Heimatmarkt angegriffen zu werden. Offen bleibt die Frage, wie sehr Adidas auf eine Fortsetzung der Partnerschaft erpicht war. Offenbar nicht um jeden Preis. Hier hat Nike offensichtlich die Chance erkannt und zugleich einen Schwachpunkt des Verbandes für ein Ausrufezeichen im Markt ausgenutzt.

Die finanzielle Situation des DFB hat sich in den vergangenen Jahren deutlich verschlechtert. Nicht umsonst betonte Schatzmeister Stephan Grunwald die Funktion des DFB als gemeinnützigen Verein. "Der DFB ist mit den 7,3 Millionen Menschen, die er repräsentiert, eine zentrale gesellschaftliche Einrichtung und hat unter den Sportverbänden ein Alleinstellungsmerkmal: Er unterstützt seine Mitglieder finanziell und wird nicht von diesen finanziert", so Grunwald. Dies helfe, den Fußball als Volkssport zu erhalten und Vereinsmitgliedschaften zu vergleichsweise günstigen Beiträgen anbieten zu können, sagte Grunwald. "Wir sind dankbar, aufgrund des von Nike zugesagten Engagements als Verband wieder in eine wirtschaftlich stabile Zukunft blicken zu können."

Finanzielle Schieflage

Denn die aktuelle Lage ist äußerst instabil, um es freundlich auszudrücken. Eine jahrelange Misswirtschaft, hohe Kosten für den neu gebauten DFB-Campus und die sportlich mageren Jahre der Nationalmannschaft, dem Aushängeschild des DFB und die Einnahmequelle Nummer eins, haben dem Verband finanziell schwer zugesetzt.

Der DFB muss sich nun Vorwürfe gefallen lassen, seine Seele zu verkaufen. Doch als Verband steht man in der Pflicht, die bestmöglichen Entscheidungen im Sinne der Mitglieder zu treffen. Der Ausrüsterwechsel zeigt damit auch, dass die Realität im Milliarden-Business Fußball inzwischen sehr unromantisch ist. Denn Tradition oder Standortpatriotismus alleine lösen keine finanziellen Probleme. Der lukrative Deal mit Nike schon eher.

Verwendete Quellen

Rudi Völler

DFB will Sportdirektor Völler halten

Über die Heim-EM hinaus: Sportdirektor Rudi Völler soll dem Deutschen Fußball-Bund erhalten bleiben. Der 63-Jährige bestätigte das Interesse der DFB-Verantwortlichen im Gespräch mit der "Süddeutschen Zeitung" - und äußerte sich auch zur Zukunft von Bundestrainer Julian Nagelsmann.
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