Die schwache EM mit null Toren in sechs Spielen und einem kläglich verschossenen Elfmeter haben an Thomas Müller genagt und viele Experten rätseln lassen. Jetzt ist der Bayern-Star aber wieder voll da. Und hat noch lange nicht genug.

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Die Nacht von Marseille, sie schmerzt noch immer. Das Halbfinal-Aus gegen Frankreich ist jetzt zehn Wochen her und war am Sonntag in Oslo doch wieder so allgegenwärtig. Deutschland hatte Norwegen eben locker und leicht mit 3:0 bezwungen, Thomas Müller hatte dabei zwei Tore erzielt.

Jener Müller, der bei der Europameisterschaft im Sommer keinen Möbelwagen aus fünf Metern Entfernung getroffen hätte, geschweige denn im Halbfinale gegen Frankreich ins Tor. "Ein paar solcher Tore hätten wir da ganz gut gebrauchen können", sagte Joachim Löw und lächelte dazu etwas zerknirscht.

Die gute Nachricht ist: Thomas Müller ist wieder da. Er hat doch noch nicht ganz verlernt, Tore zu schießen im Nationaldress. Vor zehn Monaten hatte er zuletzt in einem Pflichtspiel getroffen, bei der EM wurde sein Killerinstinkt schmerzlich vermisst.

Die Tatsache, dass er in zusammen elf EM-Turnierspielen 2012 und 2016 ohne eigenen Treffer blieb, hat ihn gewurmt. Dazu der verschossene Elfmeter im Drama gegen Italien. Und die nächste Chance ergibt sich schließlich erst wieder in vier Jahren.

Löw: "Es hat an ihm genagt"

Jetzt aber ist der EM-Zyklus vorbei und die Weltmeisterschaft, also zumindest ihr Qualifikationsmodus, hat begonnen. Und sofort ist der alte Müller wieder voll zur Stelle. "Es ist ja wieder WM-Zeit, WM-Qualifikation. Da trifft er sowieso regelmäßig. Ich denke, dass ihn das erste Tor bei der Nationalmannschaft nach längerer Zeit erleichtert hat", sagte Löw.

"Das wird ihm wieder Auftrieb geben. Thomas hatte in Frankreich das Pech an den Füßen kleben. Es hat an ihm genagt, gerade weil er die Chancen auf Tore hatte."

Viele hatten gegrübelt und gerätselt, was denn nur los sei mit diesem immer unbeschwerten Gute-Laune-Müller, der auf einmal auch verkrampft und belastet schien. Vielleicht auch Müller selbst, auch wenn er das so nicht zugeben wollte.

"Du kannst dich vorbereiten, du kannst dranbleiben, manchmal hat man Glück und trifft eine richtige Entscheidung, der Pass muss kommen. Aber ich habe nie an der grundsätzlichen Qualität meines Abschlusses gezweifelt", sagte er selbst.

Ein originales Müller-Tor

Und wie als Beweis dieser unerschütterlichen Zuversicht und Selbstgewissheit erzielte er in Oslo also ein Tor, wie es in dieser Mannschaft der Feingeister wohl nur Müller erzielen kann.

Seinem erlösenden Treffer ging ein abgeblockter Schuss voraus. Dann fiel Müller hin, er stand wieder auf, versuchte es etwas ungelenk erneut. Der Ball wurde abgefälscht und hoppelte wie einst der kümmerliche Schuss von Oliver Bierhoff anno 1996 neben dem rechten Pfosten ins Tor. Ein originaler Müller, selbst der große Gerd wäre stolz auf so ein Murmeltor gewesen.

Bei der EM, so darf man vermuten, wäre der Ball an den Innenpfosten und von dort zurück ins Feld gesprungen. Jetzt fällt so ein Bastard von einem Schüsschen halt einfach ins Tor. Das gehört wohl zum Schicksal eines Angreifers. "Thomas sagt zwar immer, die Tore sind für ihn nicht wichtig. Aber deswegen freue ich mich trotzdem - weil er jemand ist, der Spiele entscheiden kann", sagt Teammanager Oliver Bierhoff, früherer Beruf: Angreifer.

Müller übernimmt Götzes Job

Dass es einen gab, der das einseitige Spiel auch mit der einzig wahren Währung des Fußballs dokumentierte, war umso wichtiger, da etwa Kollege Mario Götze über den Platz wandelte wie eine schlechte Karikatur seiner selbst. Götze sollte eigentlich im Sturmzentrum agieren, die Bälle fordern, ablegen, weiterpassen, Räume schaffen und wenn möglich auch noch die Tore erzielen. Er kam seinen Aufgaben aber eher schlampig nach, war fast unsichtbar.

Müller dagegen ging da hin, wo es sprichwörtlich weh tut. Und zwar dem Gegner. Das 0:1 wurschtelte er so ins Tor, vor seinem zweiten Treffer zum 3:0 zeigte er Flankengeber Sami Khedira die gewünschte Richtung des Zuspiels an, ging mit Verve in den Ball und köpfte ihn wie aus dem Lehrbuch (und noch leicht abgefälscht) flach ins rechte Eck.

Ein echtes Stürmertor eben. So eines, wie es Götze derzeit nicht fertig bringen würde. Dass Müller die Torpremiere von Joshua Kimmich mit einem feinen Pass in die Tiefe vorbereitete, machte seinen starken Auftritt gegen allerdings auch erschreckend harmlose Norweger perfekt.

Die schlechte Chancenverwertung wurde in der EM-Analyse als ein zentraler Kritikpunkt an der Mannschaft formuliert. Wenngleich in diesem Zusammenhang auch keine Einzelspieler genannt werden, war doch auch klar, dass die Schelte in Richtung Thomas Müller ging.

Der Bayern-Star hat sich nicht besonders lange Zeit gelassen, um den Gegentrend einzuläuten. Und er hat mit seinen Länderspieltoren 33 und 34, ganz nebenbei, zwei der ganz Großen in der ewigen Torschützenliste des DFB überholt: Klaus Fischer und Fritz Walter. "Und ein paar Järchen werde ich ja auch noch spielen", sagte Müller. In einer Woche wird er 27 Jahre jung.

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