Vorne brachte er die deutsche Mannschaft beim EM-Auftakt gegen die Ukraine in Führung, hinten unterliefen ihm aber auch einige Fehler: Shkodran Mustafi ist einer der umstrittensten Spieler im DFB-Team. Immerhin beruht die Diskussion über seine Können in diesem Jahr nicht mehr nur auf vorschnellen Urteilen.

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Die Geschichte von Shkodran Mustafi in der deutschen Nationalmannschaft lässt sich nicht ohne den Zufall erzählen. Der Zufall war es, der den heute 24-Jährigen im Vorfeld der WM 2014 in das Blickfeld von Bundestrainer Joachim Löw rückte.

Zwar hatte Mustafi seit der U15 sämtliche U-Nationalmannschaften durchlaufen und war 2009 U17-Europameister geworden, aber in Deutschland kannten ihn trotzdem nur wenige.

Er spielte damals in Italien für Sampdoria Genua – ein Klub, der in der deutschen Berichterstattung kaum vorkommt. In einem Interview mit "dfb.de" sagte er: "Mir war überhaupt nicht bewusst, dass man mich auf dem Zettel hatte." Vielmehr war er davon ausgegangen, "in Deutschland von der Bildfläche verschwunden" zu sein.

Rechtsverteidiger wider Willen

So aber gab er im Mai 2014 sein Debüt in der A-Nationalmannschaft und wurde in den vorläufigen Kader für die WM in Brasilien aufgenommen. Aus dem endgültigen Aufgebot wurde er zunächst gestrichen, bis erneut der Zufall nachhalf: Weil sich Marco Reus verletzte, beorderte Joachim Löw überraschend Mustafi zurück zum DFB-Team.

Während des Turniers füllte der gelernte Innenverteidiger die Lücke auf der rechten Abwehrseite: 17 Minuten gegen Portugal, 45 Minuten gegen Ghana, 70 Minuten im Achtelfinale gegen Algerien, in dem er sich schließlich einen Muskelbündelriss zuzog und für den Rest der WM ausfiel.

Kritiker spotteten damals, seine Verletzung sei ein Glücksfall für die deutsche Mannschaft. Mustafi konnte auf der für ihn eher ungewohnten Position nicht wirklich überzeugen, seine Nominierung war für viele Fans deshalb schwer nachzuvollziehen.

Wohl auch, weil sie ihn nicht schon aus etlichen Bundesliga-Spielen kannten und als Fußballer nicht entsprechend einordnen konnten. So bildeten sich viele auf der Basis weniger Eindrücke eine Meinung über Mustafi, die bis heute die Diskussion über seine Leistung prägt.

Shkodran Mustafi spielte kaum eine Rolle in der EM-Qualifikation

Nach der WM wechselte Mustafi von Genua in die spanische Primera Division zum FC Valencia. Dort etablierte er sich schnell als Stammspieler und bewies gelegentlich auch seine Torgefahr.

In der vergangenen Saison stand er für seinen Verein in der Liga und im spanischen Pokal sowie in der Champions League als auch in der Europa League auf dem Platz. In der EM-Qualifikation spielte er hingegen kaum eine Rolle; zumeist verfolgte er die Spiele nur von der Bank aus, lediglich im Hinspiel gegen Fußballzwerg Gibraltar agierte er in der Innenverteidigung.

Vor allem in Freundschaftsspielen der Nationalmannschaft waren seine Dienste in dieser Zeit gefragt. Mustafi spielte gegen Spanien und Australien, die USA sowie im Vorfeld der EM gegen Frankreich und Italien.

Dass er am vergangenen Sonntag bei Deutschlands erstem EM-Gruppenspiel trotzdem in der Startformation stand, hatte er wiederum dem Zufall zu verdanken.

Weil Mats Hummels, der zusammen mit Jerome Boateng in der Innenverteidigung gesetzt ist, nach einer Verletzung körperlich noch nicht wieder bei 100 Prozent war und sich sein Ersatzmann, Antonio Rüdiger, wenige Tage vor dem Turnierstart das Kreuzband gerissen hatte, musste Joachim Löw die Stelle neu besetzen. Shkodran Mustafi rückte von der Reserve in die erste Elf auf – wie immer kritisch beäugt von denen, die seine Tauglichkeit bezweifeln.

Starke Szenen und beinahe fatale Fehler

Im Spiel gegen die Ukraine war es dann ausgerechnet er, der die deutsche Mannschaft in Führung brachte. Einen Kroos-Freistoß köpfte Mustafi in den Torwinkel zum 1:0. Es war sein erstes Länderspieltor – offensiv war er im DFB-Trikot zuvor nur mit einer Vorlage gegen Gibraltar in Erscheinung getreten.

Generell lieferte Mustafi in der Viererkette, die so noch nie zusammen gespielt hatte, bei seinem EM-Debüt solide Arbeit ab. Er gewann viele Zweikämpfe, fing gegnerische Pässe und Flanken ab, schaltete sich bisweilen in die Offensive ein. Sein Tor gab ihm sichtlich Selbstvertrauen. So ist es neben einer großen Portion Glück und Manuel Neuers Klasse auch Mustafis Einsatz zu verdanken, dass Deutschland im ersten EM-Spiel ohne Gegentor blieb.

Bei allem Lob hatte sein Spiel jedoch auch Schwächen. Zu Beginn des Spiels hätte die Ukraine einen üblen Ballverlust von Mustafi beinahe zur Führung genutzt, doch Manuel Neuer im Tor der deutschen Mannschaft bügelte den Fehler seines Vordermanns aus. Bei einer ukrainischen Ecke nach 27 Minuten verlor Mustafi das Kopfballduell gegen seinen Gegenspieler Khacheridi – erneut war Neuer mit einem Weltklasse-Reflex zur Stelle.

Und wenige Minuten vor dem Abpfiff wollte Mustafi den Ball zurück zu Neuer köpfen, der hatte jedoch die Linie verlassen und war dem Ball weit entgegen geeilt. Ein Missverständnis, das beinahe zu einem Eigentor geführt hätte.

Wie der Rest des Teams wird sich also auch Mustafi noch steigern müssen. Wie immer kritisch beäugt.

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