Serge Gnabry wird beim klaren Sieg des FC Bayern gegen Chelsea schon wieder zum König von London, Robert Lewandowski beendet seine Mini-Flaute und die Bayern können das Viertelfinale planen.

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Serge Gnabry hat ja mal in London gelebt. Fünf Jahre lang hat er sich dort ausbilden lassen, der FC Arsenal war sein Verein. In dieser Zeit kam er nicht umhin, auch einige Male gegen die ungeliebte Nachbarschaft anzutreten.

Gegen Crystal Palace, den FC Fulham, die Tottenham Hotspur und den FC Chelsea. Neun Spiele hat der mit den Gunners in "seiner" Stadt bestritten gegen die unterschiedlichsten Gegner. Ein Tor ist Gnabry dabei nie gelungen.

In dieser Champions-League-Saison hat es den FC Bayern nun schon ein zweites Mal in die englische Hauptstadt verschlagen und Gnabry war nicht nur deshalb Teil der Reisegruppe, weil er einigermaßen ortskundig ist.

In der Gruppenphase hat er den Vorjahresfinalisten Tottenham mit vier Toren fast im Alleingang zu Klump geschossen und nun im Hinspiel der ersten K.o.-Runde an der Stamford Bridge den FC Chelsea (3:0) ebenfalls.

Gnabrys Doppelpack entschied nicht nur das Spiel, sondern wohl auch schon den Gesamtvergleich im Achtelfinale. Robert Lewandowskis Tor rundete das Ergebnis aus Münchener Sicht auf ein solides 3:0 ab (hier gibt es die Partie im Liveticker zum Nachlesen). Den Bayern ist ein Platz in der Runde der besten acht Mannschaften des Kontinents damit so gut wie sicher.

FC Chelsea letztlich überfordert

202 Sekunden hat Gnabry für seinen Doppelschlag nach der Pause benötigt und damit sein Torekonto in zwei Spielen mit den Bayern auf Londoner Boden auf sagenhafte sechs Treffer erhöht.

"Es scheint so, als würde es mir gut tun, hierher zurückzukommen. Ich habe ja auch noch viele Freunde hier, die verleihen mir vielleicht auch Kraft", sagte der Spieler des Spiels danach bei "Sky".

Auch Kollege Thomas Müller, hinter den beiden Torschützen der Strippenzieher im Mittelfeld, hatte keine einleuchtende Erklärung für Gnabrys London-Lust. "Arsenal fragt sich das vielleicht auch, wieso er jetzt wie am Schnürchen in London trifft. Ich bin jedenfalls froh, dass er es erst jetzt tut, sonst wäre er vielleicht gar nicht bei uns."

Eine Halbzeit lang konnte der Gastgeber das Spiel noch einigermaßen offen gestalten, hatte ein paar ordentliche Umschaltmomente oder profitierte von der einen oder anderen Fahrlässigkeit der Münchener.

Aber so richtig auf Augenhöhe spielten die Blues allenfalls in einigen wenigen Sequenzen der Partie. Chelsea steckt mittendrin in einem Umbruch, die Transfersperre vor einem Jahr hat dem Klub keinen Spielraum gelassen, weshalb Trainer Frank Lampard die Jungen ranlässt.

Spieler mit Potenzial, die ein Versprechen für die Zukunft sein können - gegen eine Mannschaft wie die Bayern in einem Europapokal-K.o.-Spiel aber letztlich chancenlos waren.

Schlüsselspieler fehlen dem FC Chelsea verletzt

Verletzte Schlüsselspieler wie N'Golo Kante, Ruben Loftus-Cheek und Christian Pulisic können die West-Londoner derzeit (noch) nicht auf höchstem Niveau kompensieren, gegen die Bayern wirkten einige Spieler mit dem Tempo und der Präzision des Gegners überfordert.

Mason Mount verlort auf seiner Seite jedes Sprintduell gegen Bayerns bärenstarken Linksverteidiger Alphonso Davies. Ross Barkley, immerhin englischer Nationalspieler, irrlichterte über eine Stunde über den Platz, ehe Lampard ihn erlöste.

Wenig verwunderlich setzte es gegen die in der zweiten Halbzeit überragenden Bayern auch deshalb die höchste Heimniederlage in der langen Geschichte des Klubs.

"Wir haben nicht das gespielt, was wir können. Die Bayern waren uns überlegen, sie haben mit ihrer individuellen Qualität unsere Defizite schonungslos aufgedeckt. Man hat gemerkt, dass wir auf diesem Level schon seit einiger Zeit nicht mehr gefordert wurden", sagte ein sichtlich konsternierter Frank Lampard am "Sky"-Mikrofon.

Die Bayern haben es wie auf Knopfdruck mal wieder geschafft, das eine Problem aus der Liga gar nicht erst mit nach London zu schleppen.

In der Bundesliga gab es zuletzt immer wieder eine gute und eine weniger gute Halbzeit der Bayern, fast immer folgte auf einen Turbostart dann im zweiten Durchgang ein Durchhänger, der das Ergebnis noch gefährdete.

An der Bridge war es diesmal genau umgekehrt - ohne dass die Bayern aber eine schwache erste Halbzeit gespielt hätten. Nur drehte die Mannschaft nach der Pause erst so richtig auf und hatte in Müller, Gnabry und Lewandowski den deutlich gefährlicheren Angriff als die insgesamt doch altbackenen und harmlosen Blues.

Robert Lewandowski bereitet zwei Tore vor

Die Mini-Diskussion um Lewandowskis Ladehemmung in K.o.-Spielen der Königsklasse ist mit dem Treffer des Polen zu den Akten gelegt, dazu legte der gerne als Einzelkämpfer verschriene Lewandowski beide Gnabry-Treffer auf, statt in aussichtsreicher Position selbst den Abschluss zu suchen.

Es sind diese kleinen Dinge, die auffallen und die Bayern nach einem schweren Herbst wieder auf Kurs gebracht haben. "Über 90 Minuten war es eine sehr konzentrierte Mannschaftsleistung. Wir haben den Gegner schon in der ersten Halbzeit unter Druck gesetzt und das Spiel bestimmt", sagte Trainer Hansi Flick bei "Sky" und erhöhte dann angesichts der drei Tore und des klaren Ergebnisses auf eine "sensationell gute Mannschaftsleistung".

Das Viertelfinale dürfte "a gmahde Wiesn" sein, wie der Bayer sagt. Die Münchener müssten nun mindestens vier Gegentreffer in der Allianz Arena zulassen, um doch noch aus dem Wettbewerb zu purzeln.

Gegen einen Gegner, der kaum mithalten konnte und dem neben den Verletzten im Rückspiel auch das Gehirn Jorginho (Gelb-Sperre) und Außenverteidiger Marcos Alonso verzichten muss. Der Spanier flog nach einer Tätlichkeit gegen Lewandowski mit Rot vom Platz.

Trotz der großen Aufholjagd in der Bundesliga hängen die entscheidenden Fragen beim FC Bayern vom Abschneiden in der Champions League ab: Wie verhalten sich die Bayern auf dem Transfermarkt? Was wird aus Trainer Flick?

Und: Sind die Bayern schon wieder reif für die oberste Riege des europäischen Fußballs? Der FC Chelsea war nach dem ersten von zwei Spielen noch kein echter Gradmesser, trotzdem wird die Konkurrenz das Aufbegehren aus München aufmerksam verfolgen.

Thomas Müller: "Mit uns ist zu rechnen"

Der Rest, also die anderen Favoriten, könne davon halten, was er wolle, sagte zwar Thomas Müller und verwies auf den Respekt, der vor dem FC Bayern immer da sei. "Vielleicht hat unser Ruf zuletzt auch ein bisschen gelitten, weil wir nicht mehr so dominanten und überragenden Fußball gespielt haben."

Dem fügte der 30-Jährige noch hinzu: "Aber wir haben uns in der Liga an die Spitze gekämpft, sind in der Champions League ohne Niederlage - mit uns ist zu rechnen, auch wenn letztlich immer das Quäntchen Glück dazu gehört. Wir sind nicht perfekt, aber wir wissen wo wir stehen." In einer ziemlich bequemen Lauerstellung.

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