Olaf Thon tut sich als gebürtiger Gelsenkirchener schwer, im Titelkampf Borussia Dortmund die Daumen zu drücken. Thon aber ist von der Entthronung seines Ex-Klubs Bayern München überzeugt. Der Titelverteidiger sei keine Einheit mehr. Das gilt nicht für Schalke 04. Trotzdem brauche Thons Herzensverein in Leipzig "ein kleines Wunder" zur Rettung, schreibt er in seiner Kolumne.

Eine Kolumne
Diese Kolumne stellt die Sicht von Olaf Thon dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Für einen Schalker ist es natürlich schwer, Dortmund die Daumen zu drücken. Es sieht aber alles danach aus, dass die Borussia meine Unterstützung am letzten Spieltag nicht braucht. Sie werden das Spiel gegen Mainz klar gewinnen.

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Von einem Sieg der Bayern in Köln bin ich nicht überzeugt. Die Bayern waren in den vergangenen Wochen immer anfällig, abgesehen von dem kleinen Höhepunkt des 6:0 über Schalke. Nach einer 1:0-Führung gegen Leipzig nicht das 2:0 zu machen und so zu verlieren, das ist nicht Bayern-like. Das zeigt mir, dass es in der Mannschaft nicht stimmt. Beispiel: Sadio Mané ist ein Weltklassespieler, der nur eingewechselt wird, der gegen Leipzig keinerlei Impulse mehr setzt und an keinem Gegenspieler mehr vorbeikommt. Er konnte in dieser Saison wegen Problemen und Verletzungen dem FC Bayern gar nicht helfen. Eines kommt zum anderen. In der Defensive hat zum Beispiel auch Dayot Upamecano sehr viele Fehler gemacht.

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Olaf Thon: "Uli Hoeneß muss eingreifen"

Der Klub schleppt einen riesengroßen Rucksack mit sich herum. Das gilt nicht nur für die Spieler, sondern vor allem auch für den Vorstand. Zu Recht kommt wieder Uli Hoeneß ins Gespräch. In einem solchen Ausnahmefall muss er als Aufsichtsrat eingreifen. Er macht das ja nicht, weil er Spaß daran hat. Der FC Bayern präsentiert sich nicht mehr als Einheit oder Familie. Kein "Mia san mia" mehr.

Immer, wenn der FC Bayern zuletzt keine Titel gewonnen hat, sind anschließend mehrere Köpfe gerollt. Es wird auch diesmal den einen oder anderen im Vorstand treffen. Wer aber soll es machen? Oliver Kahn und Hasan Salihamidzic sind in die großen Fußstapfen von Uli Hoeneß und Karl-Heinz Rummenigge getreten. Solche Leute sind nicht eins zu eins zu ersetzen, und in kurzer Zeit schon gar nicht. Kahn sollte bleiben.

Lothar Matthäus über den FCB: "So kann es nicht weitergehen"

Beim FC Bayern München wurden zu viele Fehler gemacht, erklärt Rekordnationalspieler Lothar Matthäus. Auf und neben dem Platz. Unabhängig vom Ausgang des Bundesliga-Titelkampfs fordert er weitreichende Veränderungen.

Olaf Thon: Tuchel muss nach der Nagelsmann-Pleite aufräumen

Und Thomas Tuchel muss als Trainer nach der Nagelsmann-Pleite die Aufräumarbeiten übernehmen. In den letzten zehn Jahren schwappte der FC Bayern von einer Euphorie-Welle zur anderen. Der Verein kannte nur den Weg nach vorn. Irgendwann aber kommt der Punkt, nicht mehr die Nummer eins zu sein. Das hat auch Juventus Turin in Italien erlebt.

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Das ist für den FC Bayern aber nur eine Momentaufnahme. Er verliert seine Vormachtstellung vorläufig und braucht jetzt ein reinigendes Gewitter. Ich sehe es nicht zu dramatisch. Für die derzeit Verantwortlichen aber ist es eine schwierige Situation.

Olaf Thon: Die Reaktion der Bayern-Fans gegen Leipzig war typisch

Die Bayern-Fans sind sehr verwöhnt und müssen auch wieder mitgenommen werden. Es ist typisch, dass viele Fans im Heimspiel gegen Leipzig vorzeitig gegangen sind. Sie sind maßlos enttäuscht, werden es aber überleben, einmal nach zehn Jahren einen Deutschen Meister zu sehen, der nicht Bayern München heißt.

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Sportlich ist das erklärbar: Die Bayern haben keinen Weltklasse-Mittelstürmer mehr, und mussten ihren Weltklasse-Torhüter ersetzen. Das sind zwei wichtige Positionen, zwei Führungsspieler mit Robert Lewandowski und Manuel Neuer, die weggebrochen sind. Alle anderen Spieler sind ungefähr auf Augenhöhe und charakterlich ähnlich. Joshua Kimmich versucht, ein Führungsspieler zu sein. Ihm fehlt aber auch die Unterstützung. Und er ist vielleicht nicht hart genug in seinen Äußerungen und auch fußballerisch alleine nicht in der Lage, das Kommando zu führen. Dazu kommt eine Trainer-Entlassung in der entscheidenden Saisonphase. Wir sehen jetzt, was dabei herumkommt.

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Der FC Bayern hat deshalb den Sack im Meisterkampf nicht zugemacht, obwohl Dortmund Schwächen gezeigt hat. Aber der BVB war auch stark. In der Rückrunde wurden Sebastien Haller und Donyell Malen zu Unterschiedsspielern. Hätten sie Erling Haaland noch in ihren Reihen gehabt, wären sie schon seit dem 30. Spieltag Meister - und das verdient. Der BVB etabliert sich an der Spitze, und er wird versuchen, sich für die kommende Saison noch besser personell aufzustellen. Allerdings werden sie für Jude Bellingham wohl Ersatz brauchen.

Olaf Thon: Schalke hat in der Rückrunde "Berge versetzt"

Dass man aber auch ohne Stars, als Mannschaft, Berge versetzen kann, haben meine Schalker unter Thomas Reis gezeigt. Wir hatten neun Punkte nach der Hinserie. Mittlerweile sind es 31. Immer wieder ist die Mannschaft nach Rückständen zurückgekommen. Das beweist, dass sie intakt ist. Sollten die Schalker absteigen, haben sie es in der Hinserie vermasselt.

Sie haben in Leipzig allerdings schlechte Karten. Dort zu gewinnen, wird sehr schwer. Ich gehe parallel von einem Stuttgarter Sieg gegen die schon gesicherten Hoffenheimer aus. Und Bochum ist der Sieg daheim gegen Leverkusen auch zuzutrauen. Schalke braucht ein kleines Wunder. Der Fußball-Gott hat sich im Verlauf der Rückrunde schon mehrmals auf Schalke gezeigt. Warum dann nicht auch für Schalke in Leipzig?

Redaktionell bearbeitet von Jörg Hausmann
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