Hans-Wilhelm Müller-Wohlfahrt kehrt offensichtlich erneut zum FC Bayern zurück. Mit der Rückholaktion legen die Bayern auch ihre Pläne vom personellen Umbruch ad acta: Die alte Crew ist endgültig wieder vereint.

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Jetzt wäre eigentlich nur noch die Frage zu klären, wann Franz Beckenbauer endlich als Libero zu den Bayern zurückkehrt. So oder so ähnlich gehen die Witzchen, die sich spätestens seit Montagmorgen in den sozialen Netzwerken entspinnen.

Der Adressat der höhnischen Kommentare ist der FC Bayern München, der seine Führungscrew entgegen aller Trends noch einmal kräftig veraltet hat.

Hans-Wilhelm Müller-Wohlfahrt wird ganz offenbar zum FC Bayern zurückkehren. Der Wunder-Doc nimmt seinen dritten Anlauf beim FCB, zwischen 1977 und 2008 und zwischen 2009 und 2015 hat "Mull", wie der Heiler genannt wird, bereits für die Münchener gearbeitet.

Jetzt füllt Müller-Wohlfahrt nach dem ebenso überraschenden wie nebulösen Rücktritt des bisherigen Mannschaftsarztes Dr. Volker Braun die vakante Stelle mit seinem Team auf.

Nach der Rückkehr des 72-jährigen Jupp Heynckes, sowie dessen Assistenten Peter Hermann (65) und Klub-Ikone Hermann Gerland (63) als Zuarbeiter im Trainerteam, ist Müller-Wohlfahrt der nächste "Rentner", der bei der Neuausrichtung der Bayern einen entscheidenden Beitrag leisten soll. Müller-Wohlfahrt ist 75 Jahre alt.

Sonderbehandlungen bei Müller-Wohlfahrt

Von allen sportlichen Entscheidungsträgern beim Welt-Klub von der Säbener Straße fällt nur Hasan Salihamidzic aus der Reihe.

Der Sportdirektor ist mit 40 Jahren ein regelrechter Jungspund im Kreis der Generation Ü60, auch die Bosse Uli Hoeneß (65) und Karl-Heinz Rummenigge (62) bestätigen die Regel bei den Bayern, dass Alter nicht vor Leistung schützen soll.

Immerhin bringt Müller-Wohlfahrt für den täglichen Trainingsbetrieb und die meisten Spiele mit seinen Kollegen Peter Ueblacker (45), Lutz Hänsel (47) und Jochen Hahne (39) ein eingespieltes Ärzte-Team mit, alle drei arbeiten als Unfallchirurgen und Orthopäden in Müller-Wohlfahrts Münchener Praxis.

Hahne ist dazu schon länger für Bayerns Basketballer zuständig und arbeitet wie Müller-Wohlfahrt selbst auch noch für die deutsche Nationalmannschaft. Der soll bei Bedarf auch freie Hand haben in der Auswahl externer Spezialisten, falls dies in Zukunft erforderlich sein wird.

Damit schließt sich für die Bayern auch im Hinblick auf ein in den letzten Jahren dauerhaft schwelendes Problem der Kreis. Die medizinische Abteilung des Rekordmeisters schaffte es häufiger als gewünscht in die Schlagzeilen.

Zuletzt wegen der Verletzungen von Manuel Neuer und Franck Ribéry und weil Müller-Wohlfahrts Vorgänger Dr. Braun bei Jerome Boateng und David Alaba eine andere Diagnose stellte als Müller-Wohlfahrt selbst.

Dass die Stars auch weiterhin bei den überaus häufigen Muskelverletzungen und anderer Wehwehchen bei Müller-Wohlfahrt vorstellig wurden und damit automatisch Brauns Kompetenzen in Frage stellten, stieß dem Bayern-Doc wohl sauer auf.

Dazu kamen heftige Debatten über etwa die Verletzung von Neuer. Dessen Mittelfußbruch wurde im Frühjahr auf Anraten von Braun konservativ behandelt. Nach Neuers Comeback im September brach der Mittelfuß dann aber erneut.

Dauerstreit mit Guardiola

"Ich kann versichern, dass er die allerbesten Methoden angewandt hat, welche die moderne Medizin ermöglicht", versuchte Neuer mit einem Facebook-Post die Dynamik aus der Diskussion um Braun zu nehmen.

Da war die Maschinerie aber längst in vollem Gange. Die unterschiedlichen Bewertungen der Verletzungen von Boateng und Alaba - Braun hatte für beide Spieler das Aus bis zur Winterpause diagnostiziert, Müller-Wohlfahrt "lediglich" eine Muskelverhärtung - sollen das Fass dann zum Überlaufen gebracht haben.

Die offizielle Version mit dem freiwilligen Rücktritt Brauns wird aufrechterhalten, obwohl die Indizien klar dafür sprechen, dass dieser auf Druck der Bosse sein Amt niedergelegt hat.

Salihamidzic soll sich mit Braun überworfen haben und damit Hoeneß' Arbeit im Hintergrund den nötigen Anlass zur Rochade geliefert haben. Hoeneß hatte seit Monaten um eine Rückholaktion Müller-Wohlfahrts gekämpft.

Als der vor zweieinhalb Jahren im Streit mit dem damaligen Cheftrainer Pep Guardiola ging, saß Hoeneß im Gefängnis und konnte nicht eingreifen. "Guardiola hat seinen Kompetenzbereich überschritten und mir die Schuld an Niederlagen in die Schuhe geschoben", sagte Müller-Wohlfahrt damals nach einer regelrechten Schlammschlacht mit Guardiola.

Der hatte immer wieder auf die schnelle Rückkehr verletzter Spieler gedrängt, es gab Kompetenzgerangel, Guardiola stellte Müller-Wohlfahrt mit hämischem Applaudieren bloß, als sich Medhi Benatia bei einem Spiel in Leverkusen verletzte.

Guardiola schickte verletzte Spieler wie Thiago zur Behandlung nach Spanien - ohne Rücksprache mit Müller-Wohlfahrt. Die Verletzungsmisere im Frühjahr 2015 führte dann zur Eskalation und zum endgültigen Bruch.

Ein umstrittenes Phänomen

Die Bayern holen sich den Mann mit den goldenen Händen nun also zurück. Müller-Wohlfahrt gilt als Phänomen. "Ich vertraue meinen Händen mehr als dem Kernspin oder dem Ultraschall", sagt er über sich selbst. Er könne sich binnen weniger Sekunden in die Muskulatur des Sportlers reinfühlen und so eine rasche Diagnose noch auf dem Platz stellen.

Der heilenden Wirkung seiner Hände und des einen oder anderen Präparats vertrauten nicht nur die Bayern oder die deutsche Nationalmannschaft, sondern auch andere Superstars wie Usain Bolt, Cristiano Ronaldo, Fabian Hambüchen oder Boris Becker.

Dass Müller-Wohlfahrt auf das Wundermittel Actovegin setzt, welches das Wachstum und die Vermehrung von Muskelzellen fördert und höchst umstritten ist, macht ihn in der Medizin auch zu einer einigermaßen streitbaren Person.

Eigentlich wurde Actovegin zur Behandlung von Durchblutungsstörungen des Gehirns nach Schlaganfällen oder bei Demenz entwickelt, die positiven, aber nicht illegalen Nebenwirkungen werden aber längst auch für den Spitzensport genutzt. Trotzdem firmiert die Behandlung in der Szene auch als "Frankenstein-Experiment".

Die Bayern haben sich einen der weltbesten Ärzte direkt vor der Haustür wieder in die Säbener Straße eingeladen. Damit ist die alte Crew nun endgültig wieder zusammen.

Den ursprünglichen Plan der Bayern, den Klub auch personell in eine neue Epoche zu führen, legen die Verantwortlichen damit aber wohl endgültig zu den Akten. Der erforderliche Umbruch ist mal wieder auf Eis gelegt.


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