Thomas Tuchel durchlebt mit dem FC Bayern eine schwierige Phase, kritisiert öffentlich seine Spieler und hat auch Unstimmigkeiten mit den Fans. Könnte ihm das gleiche Schicksal wie Julian Nagelsmann drohen, der vor zehn Monaten beim FC Bayern entlassen wurde? Matthäus erklärt, ab wann der Trainer zur Diskussion stehen könnte.

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Die 0:1 Niederlage gegen den SV Werder Bremen sorgte beim FC Bayern München für Ernüchterung. "Wir können sehr viel besser machen, es ist viel Luft nach oben", stellte Trainer Thomas Tuchel klar. Auch seine Vorgesetzten waren von der jüngsten Leistung enttäuscht. Der Vorstandsvorsitzende Jan-Christian Dreesen sprach von "langweiligem Fußball", Sportdirektor Christoph Freund von einem "blutleeren" Auftritt.

Tuchel kennt deren Ansichten: "Christoph Freund ist als Sportdirektor jeden Tag bei uns. Und Jan hat seine Meinung gesagt, mit der er recht hat. Das ist kein Problem." Ein Problem könnte es allerdings werden, wenn beim Nachholspiel gegen Union Berlin (Mittwoch, 20:30) kein souveräner Sieg gelingt und sich die Krisenstimmung ausweitet.

Die Kritik an Trainer und Mannschaft nehmen jedenfalls zu. Der frühere Bayern-Spieler Lothar Matthäus erklärte in der Sendung "Sky 90" die Schwäche des FC Bayern: "Die Mannschaft hat keine Lockerheit, keine Stabilität und steht nicht kompakt." Der Grund dafür sei nicht, dass der Mannschaft bestimmte Spielertypen fehlen würden.

Vielmehr hänge es damit zusammen, "dass diese wunderbaren Spieler, die der FC Bayern von Nummer 1 bis Nummer 16 besitzt, einfach keine Einheit auf dem Platz sind. Sie sind einfach nicht stabil. Wenn es läuft, gewinnen sie auch mal 4:0 oder 5:0. Aber die Stabilität in den Leistungen zeigt mir, dass der FC Bayern noch nicht da ist, wo sie eigentlich hinwollen."

Matthäus erklärt, wann der "Trainer zur Diskussion" steht

In seiner Sky Kolumne kritisierte Matthäus auch die Außendarstellung von Tuchel: "Wenn ein Trainer sich nach einer Niederlage hinstellt und die Schuld nur bei den Spielern sucht, so wie es Thomas Tuchel nach dem 0:1 gegen Werder Bremen gemacht hat, dann ist das für die Spieler eine ziemliche Ohrfeige. Ich finde, man kann sich als Trainer auch mal selbst hinterfragen, aber davon habe ich bei Thomas am Sonntag nichts gehört."

Der Rückstand des FC Bayern auf Tabellenführer Bayer Leverkusen beträgt aktuell sieben Punkte. Selbst wenn sie das Nachholspiel am Mittwochabend gegen den 1. FC Union Berlin gewinnen, wären sie bei einem Rückstand von vier Punkten noch immer nicht in Schlagdistanz.

Laut Matthäus steht Tuchel unter Druck: "Die Meisterschaft ist der ehrlichste Titel, und wenn dieser Titel, der letztes Jahr schon mit Glück geholt wurde, dieses Jahr verpasst wird, steht - jetzt noch nicht, aber natürlich auch irgendwann - der Trainer zur Diskussion."

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Julian Nagelsmann als warnendes Beispiel

Wie schnell sich das Blatt wenden kann, musste in der vergangenen Saison Julian Nagelsmann feststellen. Die Freistellung erfolgte nach einer 1:2-Niederlage gegen Bayer Leverkusen. Dabei hatte der FC Bayern zuvor nur eines von 17 Bundesligaspielen verloren, war zudem noch in der Champions League und im DFB-Pokal vertreten. Tuchel hingegen hat sich mit dem FC Bayern bereits aus dem Pokal verabschiedet.

Auffällig ist, dass sich der FC Bayern zwischen vielen guten Spielen immer wieder Blackouts leistet. Dies fing mit der Niederlage im DFB-Pokal gegen den Drittligisten 1. FC Saarbrücken an und setzte sich in der Bundesliga fort.

Der frühere Bayern-Spieler Thomas Helmer schreibt in seiner "kicker"-Kolumne: "Der Auftritt gegen Werder am Sonntag war erschreckend, vielleicht auch eine Konsequenz der letzten, spielerisch eher ausbaufähigen Auftritte." Auch er stellt mangelnde Konstanz beim FC Bayern fest: "Ausrutscher wie dieses 0:1 gegen Bremen oder in der Hinrunde das 1:5 in Frankfurt sind die Spiele, die sich Leverkusen noch nicht erlaubt hat. Und womöglich auch nicht erlauben wird."

Verliert Tuchel den Rückhalt der Fans?

Erschwerend kommt für Tuchel hinzu, dass er auch den Rückhalt der Fans zu verlieren droht. Der Trainer bemängelte nach dem Jahresauftakt gegen die TSG Hoffenheim öffentlich die mangelnde Unterstützung der Fans und sagte: "Es wird mal wieder Zeit für ein Heimspiel mit Enthusiasmus." Die Fankurve reagierte beim darauffolgenden Heimspiel gegen Bremen mit einem Spruchband darauf: "Die Kurve lebt auch von Protest und Widerstand – Enthusiasmus gibt es nicht auf Knopfdruck."

Der Hintergrund: Die Fans des FC Bayern haben sich an den bundesweiten Protestaktionen beteiligt, die sich gegen die DFL-Zustimmung für mögliche Investoreneinstiege in der Bundesliga richtet. Dass Tuchel dafür kaum Verständnis zeigt, dürfte ihn Beliebtheitswerte kosten.

"Sie finden keinen Trainer, der es nicht als Nachteil empfindet, dass es während des Spiels einen Stimmungsboykott gibt. Gerade in Momenten, in denen es etwas schwerer ist. Das zieht sich nun schon sehr lange", sagte Tuchel jetzt am Dienstag noch einmal. Über die Ursachen der Proteste sagte er lediglich: "Wenn es Gründe für den Boykott gibt, dann ist es so."

Mangelnde Wertschätzung in Deutschland?

Überhaupt gab Tuchel zuletzt Aussagen von sich, die in Deutschland nicht unbedingt gut ankamen. "Ich habe in England mehr Wertschätzung gespürt, ja", sagte er erst kürzlich in einem Interview mit "ESPN". Dass er und die Mannschaft selbst nach Siegen teilweise kritisiert werden, bezeichnete er zudem als "eine deutsche Sache".

All dies sind Aussagen, die man zwar durchaus von sich geben kann. Wenn es allerdings sportlich nicht läuft - der FC Bayern sogar die Meisterschaft zu verspielen droht - könnte sich dies ganz schnell rächen.

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