• Der FC Bayern empfängt zum Achtelfinal-Rückspiel der Champions League an diesem Mittwoch (21 Uhr, hier im Live-Ticker) PSG.
  • Im Interview erklärt der französische Sportjournalist Alexis Menuge, warum Paris ohne Neymar besser dran ist.
  • Und weshalb alles von Kylian Mbappé abhängt.
Ein Interview

Herr Menuge, in Paris ging es zuletzt turbulent zu. Dann schlug PSG Olympique Marseille auswärts 3:0.

Alexis Menuge: Ich frage mich, ob der hohe Sieg in Marseille nicht der Wendepunkt war. Mit allen drei Superstars vornedrin – Neymar, Lionel Messi und Kylian Mbappé – kannst du in der Champions League nichts erreichen, weil sie alle bei Ballverlust vorne stehen bleiben. In Marseille hat man gesehen: Ohne Neymar blieben mit Mbappé und Messi nur zwei Spieler vorne. Sie haben einen Spieler mehr, der defensiv mithilft. Das macht die Mannschaft stabiler. Es war ein Schlüsselmoment für Trainer Christophe Galtier. Das 4-4-2 und das 3-5-2 sind seine DNA, damit wurde er mit Lille 2021 Meister.

Neymar fällt verletzt aus.

Ich glaube, dass sie nun in einem 3-5-2 spielen werden. Heißt, mit Achraf Hakimi rechts und mit Nuno Mendez links, damit das Mittelfeld deutlich kompakter ist und sie die Bayern besser im Griff haben. Wenn Mbappé einen Sahnetag erwischt, hat Bayern keine Chance. Die Münchner werden Mbappé im Kollektiv verteidigen. Nur so bekommst du ihn in den Griff. Mbappé kann Paris aber alleine ins Viertelfinale schießen.

Selbst gegen den FC Bayern?

Für beide Klubs steht extrem viel auf dem Spiel. Beim Verlierer wird es im Sommer Konsequenzen geben. Im Kader und vielleicht auch auf der Trainerbank. Wenn die Bayern mit dem Rücken zur Wand stehen, liefern sie immer eine Antwort. Wie gegen Union Berlin (3:0, Anm. d. Red.). Nichtsdestotrotz habe ich das Gefühl, dass Paris für Bayern ein Angstgegner ist. Die Münchner haben im Hinspiel die Chance verpasst, alles klarzumachen. Weil Paris nicht anwesend war, bis Mbappé auf den Platz kam. Bayern hätte zwei, drei Tore mehr machen können. Bei einem 1:0 bleibt für PSG alles möglich, erst recht mit Mbappé von Anfang an.

Alexis Menuge: "Mbappé spricht nicht oft vor der Presse, aber wenn, dann gibt er Stoff"

Weil er in wirklich jeder Situation ein Tor schießen kann?

Er ist mit 24 Jahren der beste Spieler der Welt. In Deutschland wird er gerne mit Erling Haaland gleichgestellt. Aber Haaland liefert in großen Spielen nicht. Mbappé hat keine Angst vor dem Gegner, je mehr Druck er hat, desto mehr liefert er. Er ist geil auf seinen Beruf, zeigt immer klare Kante. Mbappé spricht nicht oft vor der Presse, aber wenn, dann gibt er Stoff. Er sagt nichts aus Zufall. Als er nach dem Hinspiel den Platz im Prinzenpark verließ, hat er gesagt: 'Das ist nicht schlimm, wir kommen schon weiter.'

Als es um seine Vertragsverlängerung ging, soll der französische Staatspräsident Emmanuel Macron für einen Verbleib in Paris geworben haben. Er elektrisiert die Stadt.

Mittlerweile. Es gab Zeiten, in denen er nicht so beliebt war, weil er mit einem Wechsel geliebäugelt hat. Aber seit er sich mehr identifiziert, hat sich das geändert. Sergio Ramos und Lionel Messi werden wohl nicht verlängern, damit wird er noch mehr Macht im Klub bekommen. Präsident Macron weiß, dass Mbappé für Frankreich und für die Stadt ein Aushängeschild ist. Im Sommer 2024 hat Paris die Olympischen Spiele. Mbappé würde gerne mitspielen. Das war sicher ein Hintergedanke Macrons, dass Mbappé mindestens bis zu den Sommerspielen in Paris bleibt. Für die Repräsentation.

Mbappé ist in Paris geboren. Als er gegen Bayern eingewechselt wurde, stand der Prinzenpark kopf. Auch, weil nach dem milliardenschweren Investment der Katarer Identifikation zum Thema wird?

Ja, klar. Die Fans haben nie verstanden, warum PSG die jungen Juwelen gehen ließ: Christopher Nkunku (RB Leipzig), Moussa Diaby (Bayer Leverkusen), Kingsley Coman (Bayern) oder Adrien Rabiot (Juve). Sie gingen alle ablösefrei, was im Nachhinein ein Kardinalfehler war. In naher Zukunft wollen die Bosse Spieler zurückholen und mehr auf junge französische Spieler setzen. Ein Beispiel: Randal Kolo Muani war letzten Sommer kostenlos zu haben. Dass er jetzt bei Eintracht Frankfurt auftrumpft und plötzlich 80 bis 100 Millionen Euro Ablöse kostet, ist für PSG eine Riesenniederlage. PSG hat kürzlich zum ersten Mal seit zwölf Jahren ein öffentliches Training gemacht, vor 33.000 Fans. Das war eine Initiative der Bosse auf dem Höhepunkt der Krise. Sie hoffen, dass Mbappé seine ganze Karriere lang in Paris bleibt. Weil er sich dermaßen mit den Fans und mit der Stadt identifiziert.

Weil er zum Beispiel was tut?

Er hat ein Foto zum Tod von Just Fontaine (1. März, Anm. d. Red.) gepostet, der bei der WM 1958 für Frankreich 13 Tore geschossen hat. Sowas macht Mbappé dem Vernehmen nach selbst. Das machen nicht Social-Media-Mitarbeiter. Er weiß, wie es geht, sich zu identifizieren. Er weiß, wie die Branche läuft – von A bis Z. Er hat alles verstanden.

Sein Trainer auch? Beim 4:3 gegen Lille stürmte der Technische Direktor Luis Campos von der Tribüne in die Coaching Zone, um selbst der Mannschaft Anweisungen zu geben.

Ohne das knappe 4:3 gegen OSC Lille wäre der PSG-Trainer in der Münchner Allianz Arena wohl ein anderer. Luis Campos wurde auf den großen Wunsch von Mbappé hin angestellt. Das war eine Bedingung für seine Vertragsverlängerung. Beide wurden mit Monaco 2017 Meister, Campos gilt als sein Ziehvater. Campos und Galtier dachten im Sommer, sie könnten Neymar verkaufen. Dann hätten sie die Mannschaft anders zusammenstellen können. Galtier wusste, dass die WM für ihn zum Problem werden würde, weil sich alle Superstars besonders vorbereitet hatten. Neymar hat seine Verletzung danach nie wirklich auskuriert. Auch Messi hatte nach der WM Probleme. Ich denke, dass PSG für Galtier eine Nummer zu groß ist. Für die kommende Saison kursieren schon die Namen Thomas Tuchel und Zinédine Zidane.

Neymar? "Vertragsverlängerung war der größte Fehler von PSG"

Sie klingen sehr überzeugt davon, dass der als launisch bekannte Neymar nicht mehr der Richtige für PSG ist.

Klub-Präsident Nasser Al-Khelaifi hat erklärt, dass sie dieses Spektakel drumherum nicht mehr wollen, sondern dass sie eine verschworene Einheit auf dem Platz wollen. Damit hat er Neymar angesprochen. Der größte Fehler von Paris Saint-Germain in den letzten Jahren war die Vertragsverlängerung mit Neymar bis 2027. Was man hört, spielt er die ganze Nacht Poker und erscheint müde im Training. Und dass er nicht die beste Ernährung hat. Er schreit Mitspieler auf dem Platz an, behandelt sie nicht mit Respekt und sorgt für Reibungen. Deswegen wäre mancher erleichtert, wenn er geht.

Ist PSG gegen Bayern ohne Neymar somit stärker?

Paris wird dadurch gefährlicher. Sie können stabiler auftreten. Die Bayern werden gemäß ihrer DNA vor heimischem Publikum das Spiel machen und Freiräume lassen. Sobald Mbappé bedient wird, wünsche ich Dayot Upamecano und Matthijs de Ligt viel Spaß. Sie werden viel Arbeit haben.

Zur Person: Alexis Menuge wurde in einem Vorort von Paris geboren, verbrachte seine Jugend in der französischen Hauptstadt und zog mit 20 nach München. Heute pendelt der 47-Jährige zwischen der Metropole an der Seine und der bayerischen Landeshauptstadt. Aus München berichtet er für die "L‘Équipe" über den FC Bayern, aus Paris für die "F.A.Z." und für "Sport1" über PSG. Im April 2014 brachte er eine Biografie über Franck Ribéry mit dem Titel "Franck" heraus. Menuge hatte den Ex-Bayern-Star dafür jahrelang sehr nah begleitet.

Mehr News zum FC Bayern München

Interessiert Sie, wie unsere Redaktion arbeitet? In unserer Rubrik "So arbeitet die Redaktion" finden Sie unter anderem Informationen dazu, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte kommen. Unsere Berichterstattung findet in Übereinstimmung mit der Journalism Trust Initiative statt.
JTI zertifiziert JTI zertifiziert

"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.