Mit Niko Kovac und dem FC Bayern trafen zwei Welten aufeinander. Der Trainer hat es nie geschafft, seiner Mannschaft ein tragfähiges taktisches Konzept zu vermitteln, das den hohen Ansprüchen in München genügt. So war das Ende nur eine Frage der Zeit.

Eine Analyse

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Das Ende war seit Wochen absehbar. Und als es dann am Sonntagabend gegen 21:00 Uhr so weit war, machten die Bayern das, was sie in letzter Zeit immer häufiger machen: Sie gaben Rätsel auf.

"FC Bayern trennt sich von Niko Kovac", war im Twitter-Kanal des Rekordmeisters zu lesen. In der entsprechenden Pressemitteilung zur Entlassung des Trainers hieß es dann aber: "FC Bayern und Niko Kovac trennen sich". In gegenseitigem Einvernehmen habe man sich getrennt, was dann doch etwas anders klingt, als die Botschaft, dass die Bayern den Kroaten hinausgeworfen haben.

FC Bayern entlässt als erster Verein der laufenden Saison den Trainer

Fast drei Monate lang haben die Vereinsbosse der Bundesliga stillgehalten, es gab bis Kovac in dieser Saison noch keinen Trainerwechsel. Jetzt ist der Anfang gemacht - und das ausgerechnet in München, wo Trainerentlassungen nicht gerade an der Tagesordnung sind.

Andererseits hat sich gerade in München deutlich abgezeichnet, was unweigerlich passieren musste. Natürlich kann man im Nachgang immer schlau daherreden. Aber in diesem Fall ist es offensichtlich, dass die Liaison zwischen dem FC Bayern und Niko Kovac sogar schon vor dem ersten Tag eine schwierige war - siehe die Querelen um seine Entscheidung oder seinen Abgang aus Frankfurt.

Aber eine große Frage zog sich als so ziemlich einziger roter Faden durch Kovac' Amtszeit und das war die nach der Eignung des Trainers für dieses übergroße Amt. Nicht nur, weil die Bayern und ihr Sammelsurium an Weltstars durchaus eine sehr spezielle Mischung als Mannschaft darstellen, sondern auch weil ebendiese Mannschaft nach einem neuen inhaltlichen Input lechzte.

Von Taktik bei Kovac kaum etwas zu sehen

Vorstandsvorsitzender Karl-Heinz Rummenigge hatte nicht zufällig Thomas Tuchel als Nachfolger des ewigen Jupp Heynckes präferiert - einen ausgewiesenen Fußballlehrer, einen von Taktik und Spielvorbereitung besessenen Nerd.

Hoeneß sah eher die Vorzüge der heimeligen Bayern-Familie und beharrte auch deshalb auf Kovac. Ungeachtet der Tatsache, dass Kovac in Frankfurt eine Underdog-Mannschaft trainiert hatte, die mit einem sehr kampfbetonten, umschaltlastigen Ansatz der Bundesliga das Fürchten lehrte.

Kovac hat nie einen Hehl daraus gemacht, dass ihm taktische Maßnahmen allenfalls ein Mittel zum Zweck sind und nur eines von mehreren Utensilien, um eine Mannschaft zum Erfolg zu führen. Das ist auch nicht falsch. Nur verortete er sie in seinem Kanon so weit nach hinten - hinter Mentalität, Einstellung, Kampf, Disziplin -, dass davon am Ende fast gar nichts mehr zu sehen war.

Schon unter dem Italiener Carlo Ancelotti (2016/17) wurden die von Heynckes und Pep Guardiola einstudierten Muster verwässert. Kovac legte am Ende nur noch den Mantel des Pragmatismus über alles, eine spielerische Entwicklung der Mannschaft fand kaum noch statt.

Defensivtrainer trifft auf Offensivmannschaft

Man hätte sich das durchaus denken können, dass der Defensivtrainer Kovac mit einer offensiv ausgerichteten Mannschaft wie der des FC Bayern und der Vorgeschichte von Heynckes und Guardiola irgendwann massive Probleme bekommen würde.

Kovac war nicht der richtige Trainer für diese Zeit, in der sich beim Rekordmeister nach und nach alles umwälzt oder bald umwälzen wird. Hoeneß wird bald abtreten, Rummenigge folgt in zwei Jahren. Die Mannschaft hat im Sommer einige Ikonen verloren und soll neu aufgebaut werden. Und natürlich nebenbei die Titel einfahren, an die man sich in München so gewöhnt hat.

Kovac hat zumindest das in der vergangenen Saison geschafft. Das Double ist alles andere als eine Selbstverständlichkeit, auch wenn das der eine oder andere Bayern-Fan gar nicht mehr so wahrhaben mag. Aber schon da wurden immer mal wieder Stimmen aus der Mannschaft laut, die mit dieser Art des Hauruck-Fußballs, mit Flügelangriffen und zahllosen Flanken nicht besonders viel anfangen konnten.

Das Münchener Spiel ist beliebig geworden. So wie es in den 80er- und 90er-Jahren lange Zeit beliebig war und eigentlich nur einen Kern hatte: Ein frühes Tor erzielen und dann den Gegner kontrollieren, bis irgendwann Mitte der zweiten Halbzeit ein zweites Tor fällt. So funktioniert der Fußball aber allenfalls noch an kleineren Standorten, in München aber nicht mehr.

Die schwache Bundesliga und zwei, drei starke Leistungen in wichtigen Spielen überlagerten die offensichtlichen, sehr grundsätzlichen Probleme. Und spätestens, als eher neutrale Spieler wie Manuel Neuer erstaunlich oft und offen über die Schwierigkeiten der Mannschaft sprachen, war Kovac allenfalls noch geduldet.

Jetzt ist die Mannschaft gefordert

Hans-Dieter Flick, bisher Co-Trainer von Kovac, übernimmt nun die Mannschaft, was zweierlei bedeuten wird: Nach einem Trainerwechsel ist immer auch die Mannschaft in der Pflicht - bei den Bayern in diesem Fall aber ganz besonders. Natürlich ist der Kader nicht gut konzipiert, Hasan Salihamidzic als verantwortlicher Sportdirektor hat keinen besonders glücklichen Job gemacht.

Aber die Mannschaft sollte immer noch gut genug sein, um auch in Unterzahl und gegen Frankfurt nicht gleich fünf Gegentreffer zu kassieren. Die notorischen Nörgler dürfen jetzt zeigen, dass sie zu Unrecht auf der Bank schmoren mussten.

Und mit Flick bekommen die Bayern eine Übergangslösung, die ziemlich sicher wieder mehr Wert legen wird auf taktische und fußballerische Inhalte, als es Kovac getan hat. Im Drei-Tages-Rhythmus bis zur Winterpause wird es jedoch schwer werden, das verschüttet gegangene Potenzial der Mannschaft in diesem Bereich neu zu fördern.

Aber spätestens zur Rückrunde sollte wieder eine Mannschaft auf dem Platz stehen, die einen Gegner auch mal wieder durch das Zentrum und die Halbräume auseinanderspielen kann und nicht mehr abhängig ist von ein bisschen Serge Gnabry und ganz viel Robert Lewandowski.

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