• Sportlich sind die Bayern über alle Zweifel erhaben und stellen nun auch offiziell die beste Mannschaft der Welt.
  • Die Verantwortlichen der Münchener können mit der Spitzenklasse ihres Teams aber schon lange nicht mehr mithalten.
  • Ganz im Gegenteil.
Eine Analyse

Mehr Fußballthemen finden Sie hier

Mehr News zur Bundesliga

Nun sind es also sechs Titel in einer Saison geworden, natürlich hat sich der FC Bayern im fernen Katar auch die Klub-Weltmeisterschaft unter den Nagel gerissen. Die Allesgewinner sind jetzt auch ganz offiziell die beste Mannschaft des Planeten.

Es könnte alles so schön sein in der Bayern-Welt - wenn da nur die regelmäßigen Aufreger nicht wären, die den Rekordmeister in der öffentlichen Wahrnehmung nicht wie den größten Klub seit der Erfindung des Fußballs erscheinen lassen, sondern wie eines dieser Quengelkinder, das partout immer und überall seinen Willen durchsetzen und Recht behalten will.

Derzeit vergeht keine Woche, ohne dass ein Bayern-Verantwortlicher abseits des Sports in die Schlagzeilen rückt und dabei mächtig viel Porzellan zerdeppert. So stimmig das Bild der Mannschaft auf dem Rasen auch nach einer Saison der Superlative im Großen und Ganzen immer noch ist, so schief ist jenes des Klubs bei nahezu allen Themen drumherum. Zuletzt setzte sogar der eigentlich für seine angenehme Zurückhaltung bekannte Trainer Hansi Flick zum rechten Haken an. Eine Übersicht über die Bayern-Fettnäpfchen der vergangenen Wochen:

1. Hansi Flick gegen Karl Lauterbach

Aus einer normalen Presserunde wurde am Sonntag eine Attacke Flicks gegen den SPD-Abgeordneten Karl Lauterbach. "Der Herr Lauterbach hat immer zu allem einen Kommentar abzugeben. Wenn ich nicht in der Verantwortung stehe und mir nur das Ergebnis anschaue, kann ich das immer leicht bewerten", zürnte Flick und redete sich in knapp drei Minuten regelrecht in Rage.

"Ein sogenannter Experte" wie der Herr Lauterbach solle sich mit den Politik-Kollegen doch bitte endlich mal "zusammensetzen und eine Strategie entwickeln, dass man irgendwann Licht am Ende des Tunnels sieht. Das ist aktuell zu wenig!" Überhaupt gehe es den Politikern derzeit in erster Linie darum, "dass jeder aus der Situation seinen Profit schlagen will und darauf schaut: Wie kann er bei der nächsten Wahl ein paar Prozentpunkte mehr machen. Das ist weit an dem vorbei, was sie als Aufgabe haben: Gemeinsam zu arbeiten, dass es irgendwann zu einer Normalität kommt."

Bayern-Coach Flick kann Kritik von Lauterbach & Co. nicht verstehen

In der hitzigen Debatte um Auslandsreisen im Fußball und einem Sonderstatus der Profis bezieht Hansi Flick ungewöhnlich klar Stellung. Die Kritik an Bundeskanzlerin Merkel findet der Bayern-Trainer "krass". Er appelliert an Experten und Politiker. Fotocredit: Stefan Matzke_sampics_Pool_via_Sportphoto by Laci Perenyi

Mag sein, dass Flick damit vielen Bürgern auch aus der Seele spricht, wenn er die Corona-Politik und ihre Protagonisten kritisiert. Die Kompetenzüberschreitung eines Fußballtrainers und gelernten Bankkaufmanns hinein in die hochsensiblen Bereiche der Politik, Medizin und Epidemiologie ist aber für sich schon zweifelhaft. Einen Arzt, sowie studierten Epidemiologen und Gesundheitsökonomen und ehemaligen Direktor des Instituts für Gesundheitsökonomie und Klinische Epidemiologie der Uni Köln als "sogenannten Experten" darzustellen, ist - mit Verlaub – frech. Ganz unabhängig davon, wie man Lauterbachs Politik oder seine Präsenz in den Medien findet. Denn dass der Mann sehr oft etwa in TV-Talkshows sitzt, hat einen recht einfachen Grund: Lauterbach ist Arzt, Epidemiologe und Politiker in einer Person - und davon gibt es in Deutschland nicht besonders viele. Medizinische und politische Zusammenhänge lassen sich so ja vielleicht leichter erklären.

Jedenfalls stach Flick mit seiner Attacke mitten hinein in ein Wespennest, das Lauterbach erst kurz zuvor auch noch einmal explizit öffentlich machte: Die Anfeindungen in den sozialen Medien gegen seine Politik und seine Person hätten längst alle Grenzen überschritten. "Erneut rollt eine Hasswelle über mich im Internet, mit Morddrohungen und Beleidigungen, die schwer zu ertragen sind", schrieb Lauterbach bei "Twitter". Hansi Flicks Worte dürften am Wochenende dazu noch einmal wie ein Brandbeschleuniger gewirkt haben.

Lesen Sie auch: Karl Lauterbach im Exklusiv-Interview: Möglich, dass wir die AHA-Regeln überdenken müssen

2. Karl-Heinz Rummenigge und das Impfen

"Beim Thema Corona-Impfungen fallen zwei Sachen auf: Aktuell haben wir offensichtlich noch zu wenig Impfstoff, und ein Teil der Bevölkerung betrachtet das Impfen aus Sorge vor möglichen Nebenwirkungen noch kritisch. Hier kann der Fußball aber etwas ganz Wichtiges leisten und mit gutem Vorbild vorangehen. Lässt sich beispielsweise ein Spieler des FC Bayern impfen, wächst das Vertrauen in der Bevölkerung. Denn ich weiß als ehemaliger Fußballer, was der Körper für einen Sportler bedeutet: Alles! Wir wollen uns überhaupt nicht vordrängen, aber Fußballer könnten als Vorbild einen gesellschaftlichen Beitrag leisten." Das sagte Karl-Heinz Rummenigge vor wenigen Tagen in einem Interview mit "Sport1" und erntete zu großen Teilen heftigste Kritik aus allen Bereichen.

Selbst aus der ansonsten eher loyalen Bundesliga-Blase kam Gegenwind, Spieler wie Funktionäre äußerten das exakte Gegenteil von dem, was Rummenigge da etwas ungelenk formuliert hatte. Vielleicht mag die Intention mit bekannten Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens als eine Art Rollenmodell für die Bevölkerung beim sensiblen Impf-Thema gar nicht verkehrt sein. Die Darreichungsform Rummenigges war aber schlicht unseriös.

Rummenigge: Fußballer als mögliche Vorbilder beim Impfen

Fußballprofis könnten nach Ansicht von Karl-Heinz Rummenigge Vorbilder bei der Impfung gegen das Coronavirus sein. Laut dem Bayern-Vorstandsvorsitzenden könnten die Spieler so einen gesellschaftlichen Beitrag leisten.

Und auch hier schimmerte durch, was als latente Forderung interpretiert werden könnte. "Je mehr geimpft wird, desto mehr Zuschauer könnten eines Tages ohne jegliche Angst ins Stadion zurückkehren. Wir beim FC Bayern sind daran interessiert, nicht nur aus finanziellen, sondern aus Gründen der Fußballkultur, Atmosphäre und Emotionen in die Stadien zurückzubringen", sagte Rummenigge weiter und fügte zudem an: "Wir werden gemeinsam mit der Politik Konzepte möglich machen, sodass Zuschauer wieder zurückkehren. Ich glaube, dass es spätestens ab Mitte des Jahres die realistische Chance gibt, wieder mit Zuschauern zu spielen. Das ist wichtig, notwendig und richtig."

Rummenigge ist Vorstandsvorsitzender des größten Bundesliga-Klubs des Landes und als solcher in gewisser Weise eine wichtige Person. Das Vorpreschen in der Debatte um die Rückkehr von Fans in die Stadien mit einem gleichzeitig formulierten Termin, wann das wieder möglich sein könnte, erinnert stark an die Worte seines Freundes Dietmar Hopp, der im letzten Frühjahr einen Impfstoff "seines" Biopharma-Unternehmens für den vergangenen Herbst in Aussicht stellte. Beide, Hopp und Rummenigge, überinterpretierten dabei aber offenbar ihre Kompetenzen und ihren Einfluss.

3. Eine Nacht im BER

Was war das für ein Getöse vor einer Woche! Die Bayern wollten zur Klub-WM, spätnachts nach dem Auswärtsspiel in Berlin sollte es noch ins Emirat gehen. Und dann: Nachtflugverbot, weil die Bayern wohl ein paar Minuten zu spät dran waren. Die Reaktionen der Bayern darauf so, wie sich deren Dauer-Kritiker das genauer nicht hätten ausmalen können: uneinsichtig und von oben herab. Während ein Flieger der Deutschen Post noch landen durfte, musste der Bayern-Tross am Boden bleiben.

"Wir fühlen uns von den zuständigen Stellen bei der brandenburgischen Politik total verarscht. Die Verantwortlichen wissen gar nicht, was sie unserer Mannschaft damit angetan haben. Was da passiert ist, ist Slapstick, eine lächerliche Nummer. In Brandenburg ist irgendjemand, der uns nicht mag", polterte Rummenigge in der "Bild". Tags darauf sprach Uli Hoeneß im Bayerischen Rundfunk von einem "Schildbürgerstreich" und einer "Unverschämtheit der Verantwortlichen" des Berliner Flughafen BER. Die Bayern würden schließlich den deutschen Fußball bei der Klub-WM vertreten.

Der Gedanke daran, dass ihre Spieler ein paar Stunden in einem Flugzeug der Luxusklasse verbringen mussten und dann nicht mal nonstop fliegen durften, muss Rummenigge und Hoeneß nahezu so unerträglich vorgekommen sein, dass sie die sich bietende Chance einfach übersahen. Statt nur zu poltern hätten die Bayern auch den sagenhaften Komfort und die Rundumbetreuung ihrer Fluggesellschaft loben können. Ein paar wohlfeil formulierte Sätze hätten sich bei den nächsten Verhandlungsrunden ganz wunderbar einbringen lassen. Das war der eigentliche Skandal: Dass die sonst doch immer so geschäftstüchtigen Bayern diese große Gelegenheit einfach so haben liegen lassen.

4. Die Bayern und das Coronavirus

Thomas Müller ist nun schon der sechste Bayern-Spieler, der positiv auf Corona getestet wurde. Nach Leon Georetzka und Javi Martinez wurde Müller zum dritten Bayern-Spieler, der das Finale der Klub-WM wegen eines positiven Corona-Tests verpasste. Die Mannschaft spielte das Finale trotzdem.

Müllers Rückkehr aus Katar, in einem Flieger der Ambulanz, im Ganzkörperanzug und mit Schuh-Überziehern, das Gepäck in einen Müllsack gestopft, wie "blick.ch" berichtet, führte zu den nächsten hitzigen Debatten. Die Bayern, aber auch Wolfsburg oder Hoffenheim, haben und hatten nun schon mehrere erkrankte Spieler - eine Partie der Bundesliga wurde deshalb aber noch nicht abgesagt. Während in anderen Sportarten das Prinzip der Gruppen-Quarantäne gilt und schon etlichen Handball- oder Eishockeyspiele abgesagt und verlegt wurden, spielt der Fußball trotz positiver Befunde einfach weiter.

Handball-Ligachef Frank Bohmann erwartet aber "durch die Gesundheitsämter eine Gleichbehandlung aller Berufssportler" und bekommt dabei Unterstützung von seinem Basketball-Kollegen Stefan Holz. Die Ämter würden es sich "vielleicht dreimal mehr überlegen, eine Mannschaft in Quarantäne zu schicken und damit ein Fußball-Bundesligaspiel abzusagen als ein Handball-, Drittliga- oder Basketballspiel".

Über diese Debatten sieht der Bundesliga-Betrieb und sehen die Bayern seit Wochen und Monaten geflissentlich hinweg. Auch das ist ein Teil des Problems der Bayern in diesen Tagen: Es wird gerne und heftig ausgeteilt. Aber einstecken wollen die Münchener partout nicht.

Verwendete Quellen:

  • "ran.de": Nach Bayern-Kritik: Flick schießt gegen Corona-Experten Lauterbach
  • Twitteraccount von Lauterbach
  • "Sport1.de": Impf-Debatte: Das meint Rummenigge
  • "Bild.de": Bayern-Stars verbrachten Nacht im stehenden Flieger
  • "blick.ch": Müller-Odyssee löst Stunk aus
Interessiert Sie, wie unsere Redaktion arbeitet? In unserer Rubrik "Einblick" finden Sie unter anderem Informationen dazu, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte kommen.
JTI zertifiziert JTI zertifiziert

"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.