So skurril es auch anmutet, aber ab Samstag geht es tatsächlich wieder um die deutsche Fußball-Meisterschaft. Welches Team hat die besten Chancen? Wer kämpft noch mit Problemen? Und wem gelingt am Ende "wenigstens" der Einzug in die Königsklasse?

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Die neue, zuletzt auffällig oft propagierte Bescheidenheit der Bundesliga, drückte Karl-Heinz Rummenigge in der "Sport-Bild" so aus: "Die Bundesliga schafft es nun, als erste große Liga weltweit den Spielbetrieb wieder aufzunehmen. Und wenn die Bundesliga als einzige Liga rund um den Globus im TV übertragen wird, dann gehe ich davon aus, dass wir auf der ganzen Welt ein Milliardenpublikum haben werden."

Die Wiederaufnahme des Spielbetriebs am kommenden Wochenende zeige, so Bayerns Vortstandsboss weiter, dass "'Made in Germany' wieder ein absolutes Gütesiegel" sei.

Es wird ein ziemliches Bohei geben um die deutsche Bundesliga, dabei ist der Sinn und Zweck der Veranstaltung, nämlich aus rein finanziellen Gründen den Fortbestand einiger seiner massiv gefährdeten Mitglieder zu sichern, ein ganz profaner.

Die komplett veränderten Bedingungen werden wohl zu etwas "anderen" Spielen führen als jene, die der Fan gewohnt war zu sehen - was in letzter Konsequenz auch auch die rein sportlichen Aspekte abfärben wird. Auch im Titelrennen wird sich das bemerkbar machen, die bisher gültigen Parameter dürften dabei etwas modifiziert werden, andere Schlüsselqualifikationen stärker zutage treten.

Was also ist zu erwarten im Kampf um die deutsche Meisterschaft, welche Mannschaft kommt mit der neuen Situation am besten klar, wer profitierte womöglich sogar von der erzwungenen Corona-Pause? Ein Powerranking mit vielen Variablen:

Bayer Leverkusen (Platz 5, 47 Punkte, Tordifferenz +15)

Die Werkself dürfte mit der Vergabe der Meisterschaft nichts mehr zu tun haben, dafür ist der Abstand viel zu groß und es mischen zu viele Teams noch mit. Für Leverkusen geht es vor allem gegen Borussia Mönchengladbach aber noch um Platz vier und damit den Sehnsuchtsort Königsklasse.

Vor der Corona-Pause war Bayer das formstärkste Team der Liga, siegte in neun der letzten zehn Pflichtspiele (bei einem Remis in Leipzig) und kam so richtig auf Touren. Das große Fragezeichen wird nun also sein, ob und wie schnell die Mannschaft von Peter Bosz an diese Phase wird anknüpfen können.

Der Trainer hat seit rund einer Woche wieder seine komplette Mannschaft beisammen, davor war Leverkusen einer der ersten Klubs, die entgegen der DFL-Empfehlung bereits seit Anfang April wieder in Kleinstgruppen trainierte.

Die Angst vor einer Infektion war in Leverkusen besonders beim Trainer in den ersten Tagen groß, Bosz gehört als Asthmapatient zur Risikogruppe. Die Bedenken seien nun aber bei ihm und auch jenen Spielern, die zunächst noch Einwände hatten, zerstreut.

Knüpft Bayer an die Leistungen und Ergebnisse vor der Krise an, ist ein Champions-League-Platz sicher. Dafür muss angesichts der starken Konkurrenz aber alles passen.

Borussia Mönchengladbach (Platz 4, 49 Punkte, Tordifferenz +19)

Gladbach dürfte im Kampf um die deutsche Meisterschaft allenfalls noch eine Außenseiterchance haben. Allerdings gibt es auch ein paar Gründe, weshalb die Borussia ihre bis dato starke Saison am Ende zumindest mit dem Champions-League-Platz veredeln könnte.

Die Borussia hat als Teilnehmer des ersten Geisterspiels der Bundesligageschichte gegen Köln einen kleinen Wissensvorsprung vor seinen Kontrahenten, die Mannschaft weiß schon einigermaßen, wie sich so ein Spiel anfühlt und wie die Gegebenheiten die Vorbereitung beeinflussen könnten.

Dazu kommt der kleine Punkte-Vorsprung vor Bayer und auch das Restprogramm: Bis auf das Auswärtsspiel bei den Bayern und der Heimbegegnung gegen Leverkusen spielt Gladbach "nur" noch gegen Teams aus dem Mittelfeld oder dem Tabellenkeller.

Gladbachs Konstanz ist ein weiteres Plus, bisher leistete sich die Mannschaft von Marco Rose noch keine zwei Niederlagen in Serie in der Liga. Und: Es ist davon auszugehen, dass besonders die erfahrenen Spieler in den letzten Wochen der Saison einen großen Einfluss haben werden, insbesondere im Coaching ihrer jüngeren Nebenleute.

Gladbach stellt mit im Durchschnitt 27,6 Jahren den ältesten Kader der Liga. Gladbach hat alles selbst in der Hand Platz vier zumindest zu verteidigen.

Borussia Dortmund (Platz 2, 51 Punkte, Tordifferenz +35)

Das große Plus zuerst: Der BVB dürfte nach den Bayern sowohl qualitativ als auch quantitativ den besten Kader der Liga haben. Das wiederum könnte sich in den letzten Spielen und weil nicht wenige Athletiktrainer und auch Ärzte deutlich mehr Verletzte als gewöhnlich prophezeihen, noch ein ganz wichtiger Faktor werden.

Aber auch der gut situierte BVB hat einige Personalsorgen: Gleich zum Auftakt gegen Schalke fehlen Axel Witsel und Emre Can, also das Herzstück der Mannschaft im defensiven Mittelfeld.

Bei der Borussia wird es spannend sein zu beobachten, wie die Mannschaft ohne den für sie besonders wichtigen Rhythmus zurechtkommt. Trainer Lucien Favre legt unabhängig der Grundordnung immer noch eher wert auf ein behutsames Aufbauspiel mit vielen Überzahlsituationen in Ballnähe, um den Gegner auszuspielen.

Besonders in Partien gegen spielschwächere Gegner, die tiefer stehen, wird darauf ein großer Fokus liegen. Das Umschalten nach Ballgewinnen dagegen erfolgt in der Regel ohnehin eher situativ und ist wegen der herausragenden Geschwindigkeit einzelner Spieler auch ohne große mannschaftstaktische Vorübungen eine Waffe.

Wie einige andere Klubs auch holte sich Dortmund in einem zusätzlichen Sportpsychologen für die kommende Zeit Unterstützung. Ex-BVB-Keeper Alexander Laux wird die Mannschaft ab sofort betreuen. Im Mannschaftstraining befindet sich der BVB seit dem 6. Mai wieder, Trainer Favre hat zur Kaderaufstockung und um auf wirklich alle Eventualitäten vorbereitet zu sein einige Nachwuchsspieler zu den Profis hochgezogen.

Das große Aber: Marco Reus wird - anders als etwa Robert Lewandowski in München - bei den ersten Spielen noch fehlen. Der Kapitän ist nach seiner Adduktorenverletzung noch nicht spielfit. Außerdem dürften der Borussia die Fans am meisten fehlen. Die Festung Westfalenstadion gibt es in der Art nun nicht mehr. Nimmt man die frappierende Auswärtsschwäche der Mannschaft dazu, könnte der BVB durchaus noch einige Probleme bekommen.

RB Leipzig (Platz 3, 50 Punkte, Tordifferenz +50)

In der Tabelle liegt der Brauseklub zwar "nur" auf Rang drei, im Powerranking hat es Leipzig aber auf Platz zwei geschafft. Der SC Paderborn war der erste Klub der Liga, der wieder ins Mannschaftstraining einsteigen durfte, auf Grund einer Sondergenehmigung des Landes Sachsen zog Leipzig nur einen Tag später, am 5. Mai, nach.

Gerade für Leipzig mit der jüngsten Mannschaft der Liga und seinem doch sehr kraftraubenden Spielstil ist die etwas längere Vorbereitungszeit Gold wert.

Wie andere Teams auch simuliert Leipzig einen Spieltag komplett durch, inklusive der Vorbereitung am Tag davor. Damit sollen alle Eventualitäten bereits im Vorfeld ausgeschlossen werden.

Der totale Fokus liege auf der Sicherung von mindestens Platz vier, der zur Champions League berechtigt. Trainer Julian Nagelsmann stellt seine Mannschaft deshalb auch eine Art Mini-Turnier ein. "Man hatte eine kurze Pause, dann eine lockere und jetzt eine schärfere Vorbereitung. Diese neun Spiele sind wie eine EM, und die wollen wir gewinnen", so Nagelsmann im "Kicker".

Leipzig hat bis auf den immer noch verletzten Kapitän Willi Orban alle Mann an Bord, auch Mittelfeldmotor Kevin Kampl kehrt nach langer Verletzungspause zurück.

Inwieweit das Hickhack um die Zukunft von Dayot Upamecano und Timo Werner noch Einfluss nehmen kann, wird man abwarten müssen. Was ebenfalls spannend wird: Wie sich der an sich sehr aggressive und laute Coaching-Stil von Nagelsmann in der völlig veränderten Kulisse bewähren oder verändern wird.

Leipzig sollte nach den Bayern das beste Gesamtpaket mitbringen und schielt bei einem günstigen Verlauf auf die Vizemeisterschaft.

FC Bayern (Platz 1, 55 Punkte, Tordifferenz +47)

Die Bayern arbeiteten in den letzten Wochen extrem antizyklisch. Während an fast allen anderen Standorten das Geld zusammengehalten wurde und wird, was angesichts der immer noch unsicheren Gesamtlage nicht die schlechteste Idee sein dürfte, war der Rekordmeister sehr umtriebig und machte Nägel mit Köpfen.

Die vielen Vertragsverlängerungen und angekündigten Spitzentransfers zeigen der Konkurrenz: Wir sind auch in diesen schwierigen Zeiten in der Lage, jederzeit handlungsaktiv zu bleiben - und ihr nicht.

Die Bayern starteten bereits am 6. April wieder mit ihrem Training in Kleingruppen, seit dem 8. Mai wird in voller Mannschaftsstärke trainiert. Damit liegen die Bayern im Vergleich mit ihren Kontrahenten voll im Soll, den letzten Schliff holen sie sich derzeit auf dem Campus des eigenen Nachwuchsleistungszentrums und in der Allianz Arena.

Die Bayern dürften neben ihrer herausragenden Ausgangslage mit vier Punkten Vorsprung plus einer um zwölf Treffer besseren Tordifferenz zum schärfsten Verfolger Dortmund und ihren "üblichen" Stärken noch zwei andere gravierende Vorteile gegenüber ihren Mitstreitern haben.

Zum einen ist besonders in den ersten Spielen mit durchaus ruckeligen Auftritten der Teams zu rechnen. Nach acht Wochen Trainings- und Wettkampfpause fehlt der Rhythmus komplett, die viel zitierten Automatismen müssen sich erst wieder einspielen.

Nun sind die Bayern aber europaweit das Team, das den jeweiligen Gegner so hoch und aggressiv presst wie kein anderes - nicht Liverpool, nicht ManCity, nicht der FC Barcelona - und damit hoch im Feld heftigen Druck ausübt. Gegen wenig eingespielte Gegner und solche, die grundsätzlich Fußball spielen wollen, dürften sich diese Effekte noch einmal ordentlich verstärken.

Und: Mit Robert Lewandowski ist der vielleicht wichtigste Spieler, ganz sicher aber der gefährlichste Torjäger, im Team wieder zurück. Eigentlich hätte der Pole drei, vier oder fünf Ligaspiele wegen einer Schienbeinverletzung verpasst, darunter wohl auch den Kracher bei Borussia Dortmund.

Nun ist Lewandowski aber wieder auskuriert und fit - und für die Bayern im Titelkampf ein ganz entscheidender Faktor. Die Bayern haben die mit Abstand besten Voraussetzungen, um einmal mehr am Ende den Titel nach München zu holen.

Verwendete Quellen:

  • faz.net: Rummenigge erwartet "Milliardenpublikum"
  • Kicker.de: Nagelsmann: "Wie eine EM - und die wollen wir gewinnen"
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