Das Machtwort kam von höchster Stelle und es kam zur rechten Zeit. "Wir haben unsere Sicht der Dinge direkt nach dem Spiel mit dem Schiedsrichter besprochen, er hat uns anschließend versichert, wie leid es ihm tut. Damit ist die Sache für uns erledigt", sagte Dortmunds Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke am Sonntag.

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In seiner Erklärung auf der Vereinsseite appellierte Watzke zudem an die eigenen Fans: "Anfeindungen jeder Art, Verunglimpfungen oder Drohungen, sei es persönlich oder anonym über Social-Media-Kanäle, können wir – aller Enttäuschung zum Trotz – aber nicht einmal im Ansatz tolerieren."

Watzke stellte sich damit schützend vor Schiedsrichter Sascha Stegemann und Video-Assistent Robert Hartmann, die nach zumindest einer krassen Fehlentscheidung beim Spiel in Bochum in den Fokus teils nicht tolerierbarer Kritik geraten waren – inklusive Morddrohungen gegen Hauptschiedsrichter Stegemann und dessen Familie.

Beim BVB selbst hatte sich unmittelbar nach dem Spiel und auch noch am Samstag sehr viel Wut aufgestaut, nicht nur Trainer Edin Terzic und Sportchef Sebastian Kehl fanden dabei harte Worte. Dass die Borussia dann aber noch am Wochenende einen anderen Umgang mit dem Thema finden wollte, darf als schlauer Schachzug interpretiert werden.

Dortmund hat hausgemachte Probleme

In Bochum war die Schiedsrichterleistung sicherlich ein Baustein für das enttäuschende Remis, aber eben nicht der Hauptgrund für zwei verlorene Punkte im Titelrennen. Wieder einmal hat es die Mannschaft nicht geschafft, bei einem Abstiegskandidaten dreifach zu punkten. Nach den Remis auf Schalke und in Stuttgart gingen dem BVB beim 1:1 im kleinen Revierderby die Punkte fünf und sechs in diesen vermeintlich leichteren Spielen verloren.

Nimmt man die blutleeren Auftritte in der Champions League in London und im Pokal bei RB Leipzig dazu, hat die Mannschaft nun seit sechs Auswärtsspielen nicht mehr gewonnen. In der Heimbilanz ist der BVB mit 37 Punkten aus 14 Spielen Erster, in der Auswärtstabelle aber mit 24 Punkten bei 16 Spielen nur Vierter.

Dass in Bochum zehn zum Teil hochkarätige Torchancen nur zu einem Treffer führten, ist ein weiteres Problem, das die Mannschaft besonders bei ihren Auswärtsspielen einfach nicht abstellen kann. Die fehlende Dortmunder Effizienz hatte bereits auf Schalke und in Stuttgart die Partien jeweils offen gelassen für die Gegner und am Ende Punkte gekostet.

Es gibt also genug hausgemachte Probleme, auf die es sich zu konzentrieren lohnt. Und die der BVB – anders als jede Schiedsrichterentscheidung – auch selbst in der Hand hat. Weshalb sich die Borussia dazu entschlossen haben dürfte, die leidigen Thema Diskussionen über den Referee und den VAR so schnell wie möglich zu beenden und sich den kommenden Aufgaben zu widmen.

Gute Dortmunder Kommunikation

Nach der offensiv formulierten Titelansage vor zwei Wochen, unmittelbar nach dem Stuttgart-Debakel, ist das schon die zweite geschickte Lösung, die sowohl die interne als auch die externe Kommunikation betrifft. Und die für die nötige Ruhe und auch Fokussierung sorgen soll.

Denn mit der nötigen Selbstkritik sparten auch Teile der Mannschaft zuletzt nicht. Es sei "bitter, dass wir es nicht hinbekommen haben, die drei Punkte mitzunehmen. Wir müssen uns auf uns fokussieren und machen, was wir machen können", sagte Julian Ryerson. "Wir müssen das Spiel angesichts der vielen großen Chancen für uns entscheiden. In solchen Momenten musst du cool bleiben und das Tor machen", kritisierte Jude Bellingham, während Julian Brandt sich "mehr über das ärgere, was man selbst beeinflussen kann: Und das waren die Chancen."

Der BVB gibt sich selbstkritisch, das ist ein gutes Zeichen. Und es unterscheidet sich unter anderem zu dem, was beim großen Rivalen um die Meisterschaft derzeit so los ist. Während der Rauch in Dortmund trotz der maximalen Enttäuschung schnell verzogen scheint und die Mannschaft sich selbst ins Gebet nimmt, statt die Schuld nur bei anderen zu suchen, bleibt es in München innerhalb und um die Mannschaft herum latent unruhig.

Es ist noch lange nicht vorbei

Zwar hat Thomas Müller nach dem Sieg über Hertha BSC eine klare Ansage formuliert, die auch dem Selbstverständnis der Bayern entspricht. So ein bisschen klingt das aber wie das berühmte Pfeifen im Walde. Die Bayern haben in ihren Spielen größere Probleme als der BVB und mit den Partien gegen Leipzig am vorletzten und beim 1. FC Köln am letzten Spieltag mindestens noch zwei große Stolpersteine auf ihrem Weg.

Die Borussia dagegen darf noch dreimal zu Hause antreten, es scheint sich einiges auf die einzige Auswärtspartie beim FC Augsburg zuzuspitzen: Noch ein Abstiegskandidat, ein zu erwartend schwieriges Spiel – aber auch die nächste Chance, es endlich besser zu machen.

Die Borussia ist jetzt wieder einen Punkt zurück, entschieden ist aber noch nichts. Dafür spielen die Bayern viel zu inkonstant. Also hält der BVB den Druck so hoch wie möglich, auch verbal. "Wir lassen uns von keinem Gegner, von keinem Schiri, von keiner Krankheit aufhalten", sagt Youssoufa Moukoko. "Wir glauben daran, wir sind fest davon überzeugt. Die Mannschaft hat Bock darauf, der Trainer, die Menschen hier, die Stadt – alle."

Verwendete Quellen:

  • bvb.de: Watzke: "Drohungen nicht zu tolerieren"
  • bvb.de: Und du stehst immer wieder auf
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