Die Jungen proben den Aufstand gegen Horst Seehofer. Am Wochenende forderte die bayerische Junge Union seinen Rücktritt. Seinen Widersacher Markus Söder brachten sie dabei demonstrativ in Stellung. Ein denkbar schlechter Zeitpunkt. Denn die Rebellion wird Seehofer nicht so schnell aus dem Sattel werfen – aber sie schadet den Jamaika-Verhandlungen.

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Markus Söder muss sie genossen haben, die Landesversammlung der bayerischen Jungen Union (JU) in Erlangen. Fast schon zufrieden wirkte sein in die Runde schweifender, forscher Blick – die linke Hand an den Mund gelegt, den Mundwinkel leicht nach oben gezogen. Um ihn herum waren viele Parteifreunde geschart, "MP Söder"-Plakate in ihren Händen. Sie wünschen sich einen Ministerpräsidenten Söder an Seehofer statt.

Offen forderten die Jungen als erster großer Parteiverband Horst Seehofers Rückzug spätestens im kommenden Jahr. Man müsse die Konsequenzen aus dem niederschmetternden Ergebnis der Bundestagswahl ziehen – so die Begründung. Ein "Weiter so" dürfe niemand mehr hinnehmen.

"Für einen Erfolg bei der Landtagswahl im kommenden Jahr braucht es einen glaubwürdigen personellen Neuanfang", heißt es in einem Papier, das unserer Redaktion vorliegt.

Söder zollte der JU Respekt für deren Mut. Er wünsche sich eine gemeinsame personelle Zukunftslösung für die CSU. Die JU zeige Rückgrat in der Partei. "Toll gemacht", sagte der bayerische Finanzminister.

"Alle sind Taktiker"

Angekündigt hatte sich die Revolte schon am Freitag. Da sagte Seehofer kurzfristig seine Teilnahme in Erlangen ab und verärgerte damit die Jungen.

"Es ist schon ein unüblicher Vorgang, dass der Parteivorsitzende der Diskussion mit der JU-Basis ausweicht. (...) Ob das jetzt unbedingt die schwelende Personaldiskussion beruhigt, darüber wird es unterschiedliche Sichtweisen geben", sagte JU-Chef Hans Reichert prophezeiend.

Vielleicht hat Seehofer genau das kommen sehen. Doch angeblich wurde Reichert wohl selbst vom Antrag auf den Rücktritt tags darauf überrascht, wie er dem Bayerischen Rundfunk mitteilte. Eine dynamische Entwicklung also, die der Absage Seehofers geschuldet ist?

Politikexperte Heinrich Oberreuter mag das nicht glauben. "Im Grunde sind alle Taktiker. Der Chef der JU, Reichert, ist da sicher subtil genug. Zu sagen, er sei überrollt worden, ist die klügere Position", so der CSU-Experte im Gespräch.

Dass er komplett überrascht worden ist, halte er für unwahrscheinlich. "Schon allein deswegen, weil die JU immer für eine Verjüngung der Partei steht."

Oberreuter hält die Rücktrittsforderungen und den Auftritt Söders in Erlangen für inszeniert. "Die Plakate sind sicher erst zehn Minuten vor dem Auftritt gedruckt worden", merkt er ironisch an.

Es sei völlig klar, was Söders Auftritt bedeute. "Er hat seinen Anspruch bestätigt, Seehofer aus dem Amt zu drängen und seine Nachfolge anzutreten." Und diejenigen, die sich am Wochenende gegen Seehofer geäußert haben, hätten das im Sinne Söders getan.

Auch Politikexperte Oskar Niedermayer hält Söders Auftritt vom Wochenende für inszeniert. "Damit zeigt er, dass mit ihm zu rechnen ist."

Söders Sprungbrett auf den Thron?

Könnte der Paukenschlag vom Wochenende jetzt womöglich Söders Sprungbrett auf den Thron sein? Es gebe immer mal Landesversammlungen, die hätten "eine Wirkung", resümierte der bayerische Finanzminister mit dem siegessicheren Blick.

Die Politik-Experten Oberreuter und Niedermayer halten das für unwahrscheinlich beziehungsweise verfrüht. Söders Vorgehen vom Wochenende sei taktisch unklug, "weil er sich in den letzten vier Wochen diesbezüglich zurückgehalten hat", meint Oberreuter.

Außerdem sei "das ganze Revolutionsgerede ein publizistisches Produkt". Die halbe Führungsriege sei gegen Söder, die halbe Basis auch.

Seehofers Stellung in der Partei sei außerdem noch lange nicht so geschwächt, gibt Niedermayer zu bedenken. "Er hat immer noch seine Bataillone." Innerhalb der CSU wird Söder auch nicht als der bessere Kandidat gesehen.

Und Seehofer hat noch ein mögliches Ass im Ärmel: Die Jamaika-Verhandlungen könnten ihn gestärkt aus dem Machtkampf mit Söder hervorgehen lassen. Mit Blick auf die Gespräche seien die Querelen zwar problematisch, aber "die CSU hat keinen außer Seehofer, der die Gespräche erfolgreich führen kann", gibt Oberreuter zu bedenken.

In Berlin sei allen sehr daran gelegen, Seehofer zu halten. "Jede Auswechslung des Verhandlungspartners wird von denen gefürchtet wie die Pest. Vor allem, weil in der CSU keiner da ist mit Seehofers bundespolitischer Kompetenz, Verhandlungsgeschick, Personalkenntnis und Zielstrebigkeit."

Jamaika für Seehofer extrem wichtig

Hat Seehofer Erfolg, dann gebe es auch keinen Grund mehr, ihn abzusägen. "Dann kann er sich auf dem Parteitag gut präsentieren. Dann kann er sagen: Wem habt ihr es zu verdanken? Mir. Wer ist der Größte? Ich. Damit kann er die Revolution abschmettern."

Die innerparteilichen Querelen schaden Niedermayer zufolge der CSU bei den Jamaika-Verhandlungen nicht. "Sie schaden aber den Verhandlungen."

Seehofer wird, um sich als Partei- und/oder Spitzenkandidat zu behaupten, wohl noch härter, noch kompromissloser auftreten. Die Verhandlungen mit CDU, FDP und den Grünen werden jetzt noch schwerer werden. "Denn das bayerische Hemd ist für die CSU immer wichtiger als der bundespolitische Rock", so Niedermayer.

Und auch wenn die Verhandlungen für die CSU in Berlin schlecht ausfallen würden, Söder nützen würde das momentan nicht. Es wäre "für Söder gut, nicht damit in Verbindung gebracht zu werden", sagt Niedermayer. Söder müsse sich viel eher fragen, was er zu gewinnen hat – und was zu verlieren.

"Er kann sich momentan nicht sicher sein, wie der Parteitag im Dezember laufen wird. Das hängt eben ein Stück weit davon ab, wie gut oder wie schlecht die Sondierungsgespräche in Berlin laufen."

Seehofers kluger Schachzug

Söder aber ist nicht Teil der Verhandlungsriege. "Von Seehofer war es insofern klug, Söder außen vor zu lassen, wenn das Verhandlungsergebnis für die CSU gut ausfällt und Seehofer es dann allein für sich reklamieren kann."

Schon bald Seehofer beerben zu wollen, kann für Söder brandgefährlich werden – insbesondere mit Blick auf die Landtagswahlen. Denn die CSU läuft Gefahr, ihre absolute Mehrheit zu verlieren.

Das könnte Söder angelastet werden. "Klüger wäre es, Seehofer die mögliche Niederlage ausbaden zu lassen und danach das Ruder zu übernehmen", so Niedermayer.

Söder aber taktiert, hat sich am Wochenende in Stellung gebracht. Da klingt sein Satz vom Sonntag, "Politik ist wie Fußball: Du brauchst starke Einzelspieler, aber wenn der Mannschaftsgeist nicht stimmt, wirst du nicht erfolgreich sein", fast schon wie Hohn. Denn eine offene Personaldebatte zum jetzigen Zeitpunkt scheint dem Mannschaftsgeist der CSU wenig zuträglich.

"Am Sonntag noch beschwört Söder den Mannschaftsgeist und tags zuvor spielt er sich als Individualist auf und spielt Foul." Söder solle sich an das halten, was er selber sagt "und Fair Play spielen", sagt Oberreuter.

Seehofers Abrechnung kommt

Ob die Rebellion der CSU am Ende schadet, kommt nun ganz darauf an, was die Partei daraus macht. Momentan ist eines ganz deutlich: "Die CSU ist gespalten und läuft Gefahr, Harakiri zu begehen", sagt Oberreuter. Sie muss das Thema also schnell beenden.

Und Seehofer? Der warf seinen Kritikern in der "Bild am Sonntag" vor, Schaden anzurichten. "Obwohl im Parteivorstand einstimmig beschlossen wurde, dass eine Personaldiskussion während der Gespräche in Berlin nicht erfolgen soll, erlebe ich seit der Bundestagswahl ein ununterbrochenes Trommelfeuer gegen meine Person aus der eigenen Partei", klagte er. "Das ist ohne Frage schädlich."

Nach den Sondierungsgesprächen mit CDU, FDP und Grünen werde es von ihm "eine klare und deutliche Reaktion geben".

Seehofer werde jede vernünftige Chance abzurechnen wahrnehmen, meint Oberreuter. "Der Seehofer zieht nicht einfach den Schwanz ein, weil der Söder ihn angeht. Diese Abrechnung kommt."

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