Der Richtungsstreit in der CDU geht nach dem angekündigten Rückzug von Parteichefin Annegret Kramp-Karrenbauer und dem Thüringer Wahl-Beben weiter. Als Keil, der die Spaltung zu vertiefen droht, machen mehrere CDU-Spitzenpolitiker die Werteunion aus. Doch die gibt sich selbstbewusst.

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Der angekündigte Rückzug von Annegret Kramp-Karrenbauer vom Amt des CDU-Parteivorsitzes und ihr Verzicht auf eine Kanzlerkandidatur sorgen weiter für Spannungen innerhalb der Partei.

Vor allem das Verhalten der Werteunion stößt manchem Unionspolitiker übel auf. Zum Beispiel Tobias Hans. Der saarländische Ministerpräsident hat die ultrakonservative Gruppierung in der CDU scharf attackiert.

"Ein Bekenntnis zur Werteunion ist eine Beleidigung für alle CDU-Mitglieder", sagte Hans der "Rheinischen Post" (Dienstag).

CDU-Ministerpräsident Hans: "Es braucht keine Werteunion"

Die CDU mache Politik auf den Fundamenten ihrer Werte. "Es braucht keine Werteunion", unterstrich der CDU-Politiker. Jeder in der Werteunion müsse sich überlegen, ob sein Platz noch in der Union sei. "Wenn nicht, müsste er konsequenterweise sein Parteibuch zurückgeben", verlangte Hans.

Alexander Mitsch, Vorsitzender der Werteunion, hielt im SWR dagegen: "Ohne uns wird die Partei zukünftig keine Wahlen gewinnen können." Man wisse, "dass wir als Konservative und Wirtschaftsliberale, die sich in der Werteunion organisiert haben, wichtig für die Partei sind".

Bereits zuvor hatten mehrere CDU-Politiker als Konsequenz aus dem Zuspruch der Werteunion zur Wahl des Thüringer FDP-Ministerpräsidenten Thomas Kemmerich gefordert, den Zusammenschluss aus der Partei zu drängen.

Kemmerich war mit den Stimmen von CDU und AfD gewählt worden, was bundesweit Empörung ausgelöst hatte. Er trat am Samstag als Regierungschef zurück und ist nur noch geschäftsführend im Amt.

"Wir brauchen keine AfD-Hilfstruppe in unseren Reihen"

Der Vizechef der Christlich Demokratischen Arbeitnehmerschaft (CDA), Christian Bäumler, brachte einen Unvereinbarkeitsbeschluss der CDU gegenüber Mitgliedern der konservativen Splittergruppe ins Spiel. "Wer die Werte der CDU nicht teilt, hat in der CDU nichts zu suchen. Wir brauchen keine AfD-Hilfstruppe in unseren Reihen", sagte Bäumler dem "Handelsblatt".

Der frühere CDU-Generalsekretär Ruprecht Polenz unterstützte das. Die Werteunion habe seit Wochen darauf hingearbeitet, Thüringens linken Ministerpräsidenten Bodo Ramelow "mit Hilfe der faschistischen AfD abzuwählen und feiert das Ergebnis".

Es sei "höchste Zeit, dass der CDU-Bundesvorstand seine Forderung nach Auflösung der Werteunion durchsetzt". Der CDA-Vorschlag sei dafür ein möglicher Weg.

Mitsch sagte dazu: "Ein linker Ministerpräsident ist Herrn Bäumler also lieber als einer von der FDP. Es ist eine Schande, dass solche Positionen in der Partei Adenauers und Kohls heute unverhohlen vertreten werden."

"Friedrich Merz wäre ein hervorragender Kanzlerkandidat"

Den Verzicht von CDU-Chefin Kramp-Karrenbauer auf Kanzlerkandidatur und Parteivorsitz hatte Mitsch begrüßt. "Ich finde es sehr lobenswert, dass sie ihre eigenen Karrierepläne hintanstellt und nicht aus machtpolitischen Gründen auf diese Kandidatur besteht, sondern den Weg freimacht für eine Lösung, die für die Union erfolgversprechend ist", sagte Mitsch am Montag der Deutschen Presse-Agentur (dpa).

Die CDU habe nun die Möglichkeit, sich neu aufzustellen und alle Strömungen zu integrieren. "Wichtig wäre, dass der jahrelange Linkskurs der vorherigen Vorsitzenden Merkel nun nachhaltig korrigiert wird."

Die Union dürfe mit der Frage der Kanzlerkandidatur nicht bis zum Bundesparteitag im Dezember warten, weil sonst eine Hängepartie drohe und die Union Zeit verlieren würde, um sich zu profilieren. In der Frage müsste bald eine Entscheidung fallen, "damit die Union sich mit dem neuen Kanzlerkandidaten und der Mannschaft optimal präsentieren kann".

Auch die Mitglieder sollten eingebunden werden, etwa durch eine Mitgliederbefragung, mindestens aber durch Vorstellungsrunden der Kandidaten. "Wir sind der Meinung, dass Friedrich Merz ein hervorragender Kanzlerkandidat wäre", sagte Mitsch. Der habe große Fachkompetenz, könne der Union wieder ein klares politisches Profil zurückgeben und Konservative und Wirtschaftsliberale zurückgewinnen.

Sammelbecken für "Pegida-Versteher" und Nähe zur AfD

Die Werteunion sieht sich als Vertretung der konservativen Strömung in der Union, ist aber keine offizielle Parteigliederung. Nach Angaben Mitschs hat sie mehr als 4.000 Mitglieder. Mitsch wirbt seit Längerem für einen konservativeren Kurs in der CDU, für eine Erneuerung an der Parteispitze und Merz als Kanzlerkandidaten.

Der Organisation gehören auch der heftig umstrittene und als "Pegida-Versteher" geschmähte Dresdner Politikwissenschaftler Werner Patzelt sowie der ehemalige Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen an.

Der war im November 2018 in den Ruhestand versetzt worden, nachdem er anlässlich migrantenfeindlicher Ausschreitungen in Chemnitz gesagt hatte, es habe dort keine "Hetzjagden" gegeben, und nachdem er vor internationalem Geheimdienstpublikum behauptet hatte, in der SPD seien teilweise "linksradikale Kräfte" am Werk.*

Auch Prof. Max Otte gehört der Werteunion an. Er macht deren Nähe zur AfD offenkundig: Otte ist nicht nur CDU-Mitglied, sondern auch Vorsitzender des Kuratoriums der AfD-nahen Desiderius-Erasmus-Stiftung. Vor der letzten Bundestagswahl hat er per Twitter verkündet, die AfD zu wählen. (hub/dpa/AFP)

*In einer früheren Version des Textes wurde Rainer Wendt, Chef der Deutschen Polizeigewerkschaft, ebenfalls als Mitglied der Werteunion genannt. Dies stimmt nicht. Wendt ist Mitglied der CDU und trat lediglich als Redner beim Bundestreffen der Werteunion im Juni 2019 auf.
Annegret Kramp-Karrenbauer, Rücktritt

AKK verzichtet auf Kanzlerkandidatur und will bald CDU-Vorsitz abgeben

Die CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer will nicht Kanzlerkandidatin der Union werden und den CDU-Vorsitz in absehbarer Zeit abgeben. Das soll sie laut Parteikreisen in einer CDU-Präsidiumssitzung mitgeteilt haben. Erst am 7. Dezember 2018 war sie zur CDU-Parteichefin gewählt worden.
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