Seit mehr als zwei Jahren liefern die Amerikaner der Ukraine Waffen, um sich gegen Russland zu verteidigen. Bislang unter der Bedingung, dass Kiew das Material nicht nutzt, um russisches Territorium zu attackieren. Doch laut einem Medienbericht gerät dieses Verbot nun ins Wanken.

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Einem Bericht der "New York Times" (NYT) zufolge könnte es zu einem Strategiewechsel der USA bei ihrer Unterstützung der Ukraine kommen. Wie die Zeitung berichtet, plädiert US-Außenminister Antony Blinken dafür, der Ukraine zu erlauben, mit amerikanischen Waffen auch Angriffe auf russisches Staatsterritorium durchzuführen.

Bislang sind Waffenlieferungen der Amerikaner an die Ukraine mit der Einschränkung verbunden, genau diese Regel nicht zu brechen. Dem Bericht zufolge soll Blinken jetzt allerdings eine Debatte angestoßen haben, dieses Verbot aufzuheben. Hintergrund dafür seien Gespräche zwischen ihm und dem ukrainischen Präsident Wolodymyr Selenskyj gewesen.

Blinken hatte Selenskyj Mitte Mai in Kiew getroffen. Dabei habe der ukrainische Präsident dem US-Außenminister dargelegt, wie Russland das Verbot der Amerikaner zu seinem taktischen Vorteil nutze.

So seien etwa russische Truppen direkt hinter der nordöstlichen ukrainischen Grenze in Stellung gebracht worden, die von dort die Region Charkiw angreifen. Die Ukraine könne aufgrund der Zusage an die USA diese Angriffe nicht mit Material aus den USA beantworten. Gegenschläge der Ukraine müssten deshalb deutlich schwächer ausfallen als eigentlich möglich.

Debatte über Ende des Verbots wohl noch in früher Phase

Der Strategiewechsel ist laut der "New York Times" allerdings noch keine ausgemachte Sache. Die Zeitung beruft sich bei ihrem Bericht auf nicht namentlich genannte Quellen aus Washington, die in die Überlegungen involviert seien. Diese berichteten zwar, dass sich Blinkens Position zu dem Verbot geändert habe, der Plan sei aber US-Präsident Joe Biden noch nicht formal vorgelegt worden.

Biden hat der Ukraine in der Vergangenheit immer wieder die Unterstützung der USA zugesichert. Wie andere westliche Staaten auch sind die USA darauf bedacht, nicht direkt in den Krieg hineingezogen zu werden. Unklar ist der NYT zufolge zudem, wie viele Personen aus Blinkens innerem Zirkel den Vorstoß gutheißen. Matthew A. Miller, Sprecher des US-Außenministeriums, wollte zu dem Bericht keine näheren Auskünfte geben.

Neuer Schwung für die Taurus-Debatte?

Sollten die USA sich tatsächlich dafür entscheiden, dass die Ukraine mit amerikanischen Waffen russische Gebiete angreifen darf, könnte das auch der Debatte um deutsche Taurus-Lieferungen eine neue Dynamik verleihen. Bundeskanzler Olaf Scholz lehnt die Lieferung der Marschflugkörper bislang vor allem deshalb ab, weil die Ukraine mit ihnen auch Ziele innerhalb Russlands angreifen könnte.

Die Raketen haben eine Reichweite von bis zu 500 Kilometern. Scholz sagte Ende April, sie seien so präzise, "da können wir direkt ein Wohnzimmer ansteuern." Eine Taurus-Lieferung sei deshalb "nur verantwortlich, wenn wir die Kontrolle über die Zielsteuerung behalten". Nach Auffassung des Kanzlers käme dies aber einer Kriegsbeteiligung gleich und sei deshalb ausgeschlossen. (thp)

Verwendete Quellen:

  • New York Times: Inside the White House, a Debate Over Letting Ukraine Shoot U.S. Weapons Into Russia
  • Deutsche Presse-Agentur
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