Der Führungsstil von Olaf Scholz wurde in den vergangenen Monaten immer wieder kritisiert, dem Bundeskanzler wird Zögerlichkeit und Kommunikationsschwäche vorgeworfen. Im Interview in der ZDF-Talkshow "Maybrit Illner" präsentierte sich der SPD-Politiker betont gelassen und verkaufte seine Unaufgeregtheit als Stärke in turbulenten Zeiten. Nur bei einem Vorwurf zu seiner Ukraine-Politik reagierte Scholz emotional.

Eine Kritik
Diese Kritik stellt die Sicht von Christian Stüwe dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Am 8. Dezember 2021 wurde Olaf Scholz als Bundeskanzler vereidigt, am 24. Februar 2022 marschierten russische Truppen in die Ukraine ein. Fast die gesamte bisherige Amtszeit des Kanzlers steht also unter dem Eindruck des Krieges in der Ukraine.

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Am Vorabend des ersten Jahrestags des russischen Überfalls auf die Ukraine war Scholz am Donnerstag in der ZDF-Talkshow "Maybrit Illner" zu Gast und diskutierte mit Illner über Waffenlieferungen, seinen oft kritisierten Kommunikationsstil und die Friedensinitiative von Sahra Wagenknecht und Alice Schwarzer

Dabei präsentierte sich Scholz einmal mehr äußert bedacht und ruhig. Nur bei einer Frage geriet der Bundeskanzler aus der Fassung.

Das war das Thema bei "Maybrit Illner":

Anders als sonst in dem Talkformat üblich war Scholz am Donnerstag der einzige Gast in der Sendung, in einem knapp einstündigen Interview wurde er von Maybrit Illner zum Thema "Krieg, Krisen, Koalition - wie gut führt der Kanzler?" befragt. Immer wieder war in den letzten Monaten Kritik am Führungsstil des Kanzlers aufgekommen, Zögerlichkeit und Kommunikationsschwäche waren die zentralen Vorwürfe.

Scholz, der schon vor 20 Jahren aufgrund seiner oft monotonen Antworten den Spitznamen "Scholzomat" verpasst bekommen hatte, war sehr darauf bedacht, seine Unaufgeregtheit als Zeichen der Stärke in turbulenten Zeiten zu verkaufen. "Die Bürger und Bürgerinnen unseres Landes können sich darauf verlassen, dass ich mich nicht kirre machen lasse", stellte Scholz klar und fügte an, dass er sich "von einer großen Mehrheit" der Bürgerinnen und Bürger getragen fühle.

Unter Druck lasse er sich von niemandem setzen, so Scholz, das Verhältnis zum ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj, der immer wieder öffentlich mehr Waffen und schnellere Lieferungen fordert, sei freundschaftlich. "Wir sind fest entschlossen, im Einklang mit unseren Verbündeten zu handeln. Deswegen wehre ich mich auch gegen alle, die sagen, dass man vorpreschen soll, dass man einen Alleingang wagen soll", sagte der SPD-Politiker. Dass alle Entscheidungen in enger Abstimmung mit den USA getroffen wurden, sei ihm "persönlich sehr wichtig", erklärte Scholz.

Auch dass es zwischen ihm und der deutlich forscher auftretenden Außenministerin Annalena Baerbock (Bündnis 90/Die Grünen) Differenzen gebe, dementierte der Kanzler. "Man muss mit dieser Medienberichterstattung irgendwie locker umgehen. Denn tatsächlich ist es so, dass wir sicherlich unterschiedliche Persönlichkeiten sind, aber sehr eng miteinander abgestimmt sind, eng kooperieren", sagte Scholz.

Das war der emotionalste Moment des Abends bei "Maybrit Illner":

Mit einer Frage gelang es Illner dann doch, Olaf Scholz zu einem kleinen Gefühlsausbruch zu bringen. Die Talkmasterin konfrontierte den Kanzler mit einer Aussage des polnischen Ministerpräsidenten Mateusz Morawiecki, der Deutschlands Ukraine-Politik als einen Versuch bezeichnet hatte, "halbschwanger" zu sein.

Scholz verzog das Gesicht zu einem etwas spöttischen Grinsen. "Gestatten Sie mir, das ein bisschen lächerlich zu finden, wenn man sieht, wie viel Deutschland tut", sagte Scholz: "Es macht keinen besonderen Sinn, sich über die Größe und die Ernsthaftigkeit des deutschen Engagements zu mokieren oder irgendwelche Zweifel daran zu haben." Dies sei etwas, was man nicht auf sich sitzen lassen müsse. "Vor allem, wenn man sieht, dass es Mühe macht, jetzt alle dazu zu bewegen, dass sie die von ihnen selbst geforderten Aktivitäten auch tatsächlich unternehmen", schob Scholz eine Spitze in Richtung des polnischen Präsidenten hinterher und grinste nochmal kurz.

Das war der bedrückendste Moment des Abends bei "Maybrit Illner":

Wie groß seine Sorgen seien, dass man in einem Jahr wieder zusammensitze und immer noch über den Krieg reden müsse, wollte Illner wissen. Sekundenlang überlegte Scholz, bevor er schließlich eine ziemlich düstere Einschätzung der Lage gab. "Ganz offen, das ist eine meiner größten Sorgen, dass das ein sich sehr lange hinziehender Krieg mit unglaublichen Zerstörungen und Verlusten wird", antwortete Scholz und appellierte, weiter alles zu tun, um die Ukraine zu unterstützen.

So hat sich Maybrit Illner geschlagen:

Die Talkmasterin versuchte alles, um den Bundeskanzler mit kritischen Fragen aus der Reserve zu locken. Immer wieder hakte sie nach, sie zeigte Einspieler, in denen Scholz teilweise heftig kritisiert wurde. Der Kanzler blieb aber ruhig und wich immer wieder konkreten Fragen aus.

Das war das Ergebnis bei "Illner":

Als es beispielsweise darum ging, ob die Ukraine nach Kampfpanzern auch deutsche Kampfjets geliefert bekommen könnte, blieb Scholz vage. "Diese Frage macht gegenwärtig keinen Sinn. Wir sollten uns jetzt darauf konzentrieren, was aktuell zur Verteidigung der Ukraine nötig ist", antwortete er.

Ob die Ukraine den Krieg gewinnen müsse, wollte Maybrit Illner wissen und zeigte Einspieler, in denen Baerbock und Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) genau das gefordert hatten. "Ich lege Wert darauf, mich präzise auszudrücken", holte Scholz aus, tat dann aber genau das nicht. Die Ukraine müsse ihre Unabhängigkeit, ihre Integrität, ihre staatliche Souveränität und Freiheit verteidigen, führte Scholz aus. Der Satz, dass die Ukraine den Krieg gewinnen müsse, kam ihm aber nicht über die Lippen.

Ein Mann der großen Worte wird der Bundeskanzler wohl auch künftig nicht sein, das machte der Auftritt bei "Maybrit Illner" am Donnerstag deutlich. Mit seiner eher zurückhaltenden Art zu kommunizieren, wird Scholz weiter polarisieren.

Eine klare Meinung hatte der Kanzler allerdings zu dem Friedensaufruf von Linken-Politikerin Sahra Wagenknecht und der Feministin Alice Schwarzer, die Verhandlungen mit Russland statt Waffenlieferungen fordern. "Ich teile die Überzeugung dieses Aufrufs nicht", stellte Scholz klar. Putin akzeptiere derzeit nur die bedingungslose Kapitulation der Ukraine, was natürlich keine Option sei. "Der Moment, in dem sich eine Friedensperspektive eröffnet, muss erst entstehen", sagte der Bundeskanzler.

Verwendete Quellen:

  • ZDF: Sendung "Maybrit Illner" vom 23.02.2022
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