Die Spannungen zwischen Deutschland und der Türkei nehmen zu und Maybrit Illner das zum Anlass zu fragen, ob sich Erdogan alles erlauben darf. Das Ergebnis: Ein AKP-Abgeordneter mischt die Sendung auf. Ein Zuschauer stört. Und Markus Söder fordert das Ende der EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei.

Eine Kritik
Diese Kritik stellt die Sicht von Patrick Mayer dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Gaggenau und Köln verbieten türkischen Ministern Wahlkampfauftritte für Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan und dessen geplantes Verfassungsreferendum, woraufhin Ankara den deutschen Botschafter einbestellt. Zuvor wurde der "Welt"-Korrespondent Deniz Yücel in der Türkei inhaftiert. Fertig ist die nächste diplomatische Krise zwischen Berlin und Ankara.

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Die Beziehungen sind derzeit wahrlich nicht leicht, leicht ist es auch für Maybrit Illner nicht, am Donnerstagabend durch ihre Sendung zu führen.

AKP-Politiker wettert gegen Demokratie in Deutschland

Der Grund heißt Mustafa Yeneroglu. Der deutsch-türkischer AKP-Abgeordnete attackiert Deutschland und die Bundesregierung hart - begleitet von einem unbeherrscht klatschenden Zuschauer. Es ist das zweite Mal binnen eines dreiviertel Jahres, dass Yeneroglu bei Illner zu Gast ist.

Schnell wird klar: Der selbstsicher bis arrogant anmutende AKP-Mann polarisiert auch diesmal. Die AKP ist die Regierungspartei Erdogans, er will die Türkei bekanntlich durch das geplante Referendum zu einem Präsidialsystem machen.

Yeneroglu führt Erdogans Wahlkampf stellvertretend bei Illner. Der Politiker, der 40 Jahre in Köln lebte, wettert drauflos. Er schildert angebliche Ermittlungsverfahren in Deutschland gegen Journalisten. Ein weiterer Vorwurf: Für kurdische Oppositionsparteien werde ständig geworben, AKP-Ministern dagegen das Reden verboten.

Als es um den jüngst inhaftierten deutsch-türkischen Journalisten Deniz Yücel geht, zieht er abenteuerliche Vergleiche zum NSU-Prozess in der Bundesrepublik. "Warum sterben plötzlich sechs, sieben Zeugen? Warum mussten neun Landsleute sterben?", meint er.

Abenteuerlich, wie gesagt. Und sowieso: Illner habe es ja auf ihn abgesehen. "Sie moderieren hier nicht unparteiisch, das sind subjektive Fragen, die Sie stellen", motzt Yeneroglu.

CSU-Politiker Markus Söder, ebenfalls zu Gast, und mancher Zuschauer im Publikum schütteln den Kopf.

Söder fordert Ende der EU-Beitrittsverhandlungen

Söder hat genug, fährt in der Sendung einen harten Kurs gegen die Türkei.

"Innertürkische Probleme müssen in der Türkei bleiben und dürfen nicht dauerhaft auf deutschem Boden ausgetragen werden", sagt der 50-Jährige und fordert ein Ende der EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei.

Das beeindruckt selbst den bis dato recht unbeeindruckbaren Yeneroglu, immer noch flankiert von einem recht unkontrollierbaren Zuschauer.

Söder: "Ich akzeptiere ihre Loyalität zu ihrem Präsidenten." Akzeptieren will er aber nicht, dass Ankara das Flüchtlingsabkommen als Blankoscheck für wiederholte Griesgrämerei heranziehe. Bei dieser Aussage wirkt Yeneroglu getroffen.

Deutlich moderater geht SPD-Politikerin Aydan Özoguz die Diskussion an. Die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung warnt, die Inhaftierung Yücels in einen Zusammenhang mit dem Flüchtlingsabkommen zu bringen.

Ein erfolgreiches Referendum ist für sie offenbar ein Worst-Case-Szenario, weil Erdogan dann Alleinherrscher wäre.

HDP-Abgeordneter nennt Yücels Inhaftierung "politische Geiselnahme"

Erdogan hat mit Yahya Kilicaslan, einem deutschen Unternehmer, einen weiteren Unterstützer in der Sendung. Dabei wirken Yeneroglu und Kilicaslan wie Mittelstürmer und Spielmacher, die sich gegenseitig die Bälle zuspielen.

Kilicaslan: "Wir haben in der Türkei ein Führungsproblem. Das wird aufgehoben mit der Präsidialdemokratie."

Bemerkenswert ist, dass mit Mithat Sancar ein Abgeordneter der prokurdischen Oppositionspartei HDP neben Yeneroglu sitzt – und damit politische Gegner nebeneinander. Es knistert förmlich.

So spricht der Staatsrechtler Sancar von Erpressung als einer Methode Erdogans und nennt die Inhaftierung Yücels eine "politische Geiselnahme". Freilich, auch er ist nicht unvoreingenommen.

An die Hau-drauf-Mentalität Yeneroglus kommt er lange nicht ran. Punktsieg Yeneroglu. Oder eher Punktsieg Erdogan.

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