Täterermittlung und Datenschutz stehen in Deutschland in einem Spannungsfeld. Bei "Markus Lanz" sprach Bundesjustizminister Marco Buschmann am Mittwochabend über die Aufgaben des Rechtsstaats. Dabei geriet der FDP-Politiker in eine kontroverse Debatte mit Polizist Dirk Peglow.

Eine Kritik
Diese Kritik stellt die Sicht von Natascha Wittmann dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Deutsche Strafverfolgungsbehörden stehen aufgrund des strengen Datenschutzes immer wieder vor großen Hürden. Bei "Markus Lanz" wurde am Mittwochabend unter anderem über die steigende Kriminalitätsrate und die Schwierigkeit der Täterermittlung diskutiert. Vor allem zum Erhalt der Datensouveränität lieferte sich FDP-Politiker Marco Buschmann ein hitziges Wortgefecht mit Polizist Dirk Peglow.

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Das ist das Thema bei "Markus Lanz"

Die Spannungen innerhalb der Ampel-Koalition sind seit Längerem ein Dauerthema im politischen Diskurs. Bei "Markus Lanz" äußerte sich FDP-Politiker Marco Buschmann offen über den Zustand seiner Partei und den der Koalition.

Außerdem erklärte er, wie er die Entwicklung der deutschen Kriminalitätsstatistik bewertet. Dabei lieferte sich der Bundesjustizminister eine hitzige Debatte mit dem langjährigen Polizisten Dirk Peglow, der unter anderem die digitalen Hürden bei der Täterermittlung anprangerte.

Das sind die Gäste

  • Marco Buschmann, FDP-Politiker und Bundesjustizminister: "Wir sehen, dass die unfassbare Zumutung der Corona-Pandemie viele Menschen auf die schiefe Bahn geleitet hat."
  • Henrike Roßbach, Journalistin und stellvertretende Leiterin der SZ-Parlamentsredaktion: "Die Grünen nicht allzu groß werden zu lassen in der Regierung, ist mit Sicherheit ein Nebenziel der SPD."
  • Dirk Peglow, Polizist und Vorsitzender des BDK (Bund Deutscher Kriminalbeamter): "Kriminalität ist nicht eine Frage der Herkunft, sondern eine Frage des Milieus, in dem man sich bewegt."
  • Anette Dowideit, Investigativ-Journalistin der "Welt", recherchierte über Leihmutterschaft in der Ukraine: "Das Auswärtige Amt und die Botschaft in Kiew schauen weg."

Das ist der Moment des Abends bei "Markus Lanz"

Zu Beginn der Sendung stichelte Markus Lanz mit Blick auf FDP-Politiker Marco Buschmann: "Wir freuen uns sehr, dass dieser 'Lauterbach-Albtraum' heute hier sitzt." Der Bundesjustizminister gab sich zunächst neutral, sagte aber offen über die Spannungen innerhalb der Ampel-Koalition: "Ich bin nicht in die Partei eingetreten, um ein Koalitionspartner zu sein. Wer mir bei meiner liberalen Politik hilft, das ist mir am Ende scheißegal."

Journalistin Henrike Roßbach ergänzte, dass die Spannungen vor allem zwischen der SPD und den Grünen mit Blick auf die nächste Bundeskanzler-Wahl entstanden seien, denn: "Ich glaube schon, dass der SPD klar ist, dass ihr Konkurrent nicht die FDP oder Christian Lindner wird. Das ist bei Robert Habeck ein bisschen anders. Die Grünen nicht allzu groß werden zu lassen in der Regierung, ist mit Sicherheit ein Nebenziel der SPD."

Ein Verdacht, den Marco Buschmann so nicht stehenlassen wollte. Er beschwichtigte am Mittwochabend: "Kein Teil der Koalition tut sich selbst einen Gefallen damit, wenn man von Gewinnern und Verlierern spricht."

Markus Lanz lenkte daraufhin das Gespräch auf politische Problemfelder wie die angebliche steigende Kriminalität im Land. "Was denken Sie darüber?", wollte der ZDF-Moderator von dem FDP-Politiker wissen. Buschmann reagierte erneut nüchtern: "Man muss die Dinge auch im Zeitverlauf sehen. Im Corona-Jahr hatten wir bei bestimmten Delikten einen Abwärtstrend. Jetzt normalisiert sich wieder vieles oder wird nachgeholt."

Gleichzeitig gab der Politiker jedoch auch zu: "Ich glaube, dass wir in der Jugendkriminalität ein Phänomen sehen. Wir sehen, dass die unfassbare Zumutung der Corona-Pandemie viele Menschen auf die schiefe Bahn geleitet hat."

Journalistin Anette Dowideit stimmte zwar grundsätzlich zu, gab aber auch zu verstehen, dass sich dahinter keine neuen Phänomene versteckten: "Durch Corona sind gewisse Straftaten erst mal zurückgegangen, was ein Glück war, aber das Thema gab es schon vorher."

Markus Lanz fragte daraufhin fassungslos: "Kriegen wir das nicht mehr in den Griff?" Polizist Dirk Peglow erklärte mit ernster Miene: "Wir müssen da mehr die Wissenschaft beteiligen, um Kriminalitätsbilder zu entwickeln. Die Corona-Phase hatte auf Kinder und Jugendliche besondere Auswirkungen. Sie mussten mehr Druck ertragen."

Henrike Roßbach fügte hinzu: "Der Umgang mit Kindern und Jugendlichen in den Corona-Jahren wird uns sowieso noch lange beschäftigen. Wenn man sagt, wir müssen präventiv anfangen, geht es auch darum, wie gut die Schulen und Kindergärten ausgestattet sind. Da fängt es an." Eine Aussage, die bei "Markus Lanz" für eine Grundsatzdiskussion sorgte.

Das ist das Rede-Duell des Abends

ZDF-Moderator Markus Lanz wollte unter anderem von seinen Gästen wissen, warum bei vielen Straftaten die rechtlichen Konsequenzen häufig zu wünschen übrig lassen. Er sprach daraufhin "die Frage mangelnder Konsequenz und die Frage der Integration" offen in der Runde an.

Journalistin Anette Dowideit prangerte unter anderem an: "Die Polizei kann den meisten Tätern nichts anhaben." FDP-Mann Marco Buschmann wollte sich auf die Debatte jedoch nicht ganz einlassen und reagierte prompt: "Es gibt immer Leute, die sagen, wir müssen die Strafgesetze immer weiter verschärfen." Lanz verteidigte sich: "Aber das habe ich ja gar nicht gesagt."

Der Bundesjustizminister zeigte sich daraufhin verständnisvoller und fügte hinzu: "Wir haben diese Strafrahmen, und ich würde mir schon wünschen, dass sie schuldangemessen auch ausgereizt werden. Bei Gewalt an Polizisten haben wir die Möglichkeit, diese Menschen zehn bis 15 Jahre ins Gefängnis zu stecken." Lanz konterte: "Das passiert aber nicht." Marco Buschmann stimmte zu und sagte: "Das sollte aber in angemessenen Fällen passieren. Ich kann deshalb nur an alle Gerichte appellieren: Nutzt die Strafrahmen aus, die der Rechtsstaat auch zur Verfügung stellt! Wir müssen zeigen, dass wir unsere Rechtsordnung ernst nehmen. Wir dürfen auch nicht übertreiben und können nicht jeden sofort ins Gefängnis werfen. Das wäre auch nicht sinnvoll. Wir sind aber ein Rechtsstaat, und deshalb muss unser Recht auch durchgesetzt werden."

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Eine Ansage, die in der Runde am Mittwochabend schweigend akzeptiert wurde. Dirk Peglow, der seit 34 Jahren bei der Polizei arbeitet, appellierte dennoch bei "Markus Lanz", dass man Täter nicht über einen Kamm scheren sollte: "Kriminalität ist nicht eine Frage der Herkunft, sondern eine Frage des Milieus, in dem man sich bewegt. Das sollten wir immer wieder deutlich sagen." Gleichzeitig kritisierte der Polizist eindrucksvoll, wo die gravierenden Hürden in der Täterermittlung liegen: "Datenschutz ist manchmal auch Tatenschutz. Wir wünschen, dass es endlich eine Regelung in Deutschland gibt, auf die wir uns verlassen können."

Anette Dowideit stichelte daraufhin in Richtung Marco Buschmann: "Wir hängen am Tropf von ausländischen Geheimdiensten. Wir wollen Datenschutz als wichtigstes Gut im Land haben, gleichzeitig nutzen wir die Hinweise von ausländischen Geheimdiensten." Markus Lanz stimmte mit ein und hielt dem Liberalen vor: "Der Datenfetisch ist ein FDP-Thema in erster Linie."

Dies wollte Marco Buschmann nicht unkommentiert lassen und verteidigte sich mit Verweis auf die Rückstände in der Digitalisierung: "Die dicken Papierakten müssten wir eigentlich auf die Liste der bedrohten Tierarten setzen. Aber ich finde es nicht schlecht, wenn wir eine gewisse Datensouveränität behalten. Wir leben in einem Land, das zweimal unter einer Diktatur gelitten hat. Dass wir deshalb in unserem Land sensibel sind und uns fragen, ob der Staat auf unsere Daten zugreifen kann, ist doch normal."

So hat sich Markus Lanz geschlagen

Markus Lanz schaffte es am Mittwochabend nur bedingt, einen roten Faden durch die Sendung laufen zu lassen. Zu häufig schweifte er in Gesprächen mit Marco Buschmann und Dirk Peglow in Details ab, die am Ende zu keiner klaren These führten. Vor allem im Bereich der Digitalisierung schaffte es der ZDF-Moderator nicht, den FDP-Politiker mit gezielten Fragen aus der Reserve zu locken. Die angeregte Diskussionen zwischen Peglow und Buschmann verlief schlussendlich aufgrund Mangels an Zeit im Sand, und Markus Lanz beendete die Sendung mit den ernüchternden Worten: "Wir werden uns da heute nicht einigen können. Ich bin da an dem Punkt jetzt nicht schlauer geworden."

Das ist das Fazit

Sei es der immer wieder aufkochende Streit innerhalb der Ampel-Koalition oder die erschreckende Entwicklung der deutschen Kriminalstatistik: Bei "Markus Lanz" stand am Mittwochabend vor allem FDP-Politiker und Bundesjustizminister Marco Buschmann im Fokus. Er musste nicht nur beim Thema Digitalisierung Rede und Antwort stehen, sondern auch, als es ums Thema "steigende Kriminalität in Deutschland" sowie um die schnelle Täterermittlung und den damit zusammenhängenden Datenschutz ging. Der Politiker schaffte es nur bedingt, Licht ins Dunkel zu bringen und versprach am Ende der Sendung, sich um einen digitalen Wandel - nicht nur im Gesundheitswesen - zu bemühen.

Dennoch warnte er die Gesprächsrunde in Bezug auf die Ermittlung und Verbreitung persönlicher Daten: "Was wir im analogen Bereich nicht akzeptieren, das würden wir sicher auch nicht im digitalen Bereich akzeptieren.  © 1&1 Mail & Media/teleschau

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