Sandra Maischberger macht irgendwas mit Groko, lädt sich die falschen Gäste ein - und dann auch noch zu viele. Was sie herausfinden will, weiß sie nicht. Und dann ist da noch Claus Strunz.

Eine Kritik
Diese Kritik stellt die Sicht von Christian Bartlau dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Gegen Mitternacht findet die Große Koalition bei "Maischberger" ihr sehr frühes Ende, für tot erklärt von Claus Strunz.

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"Die letzten 5 Minuten haben doch gezeigt, warum das nicht funktionieren kann", sagt der Star aus dem Frühstücksfernsehen, dem offenbar ein paar Minuten Diskussion in einer Talkshow reichen, um so etwas festzustellen. Aber schließlich hat er ja auch selbst mitgeredet, es muss also eine sehr gehaltvolle Debatte gewesen sein. Zumindest für Claus Strunz.

"Die Koalition der Verlierer: Drohen uns faule Kompromisse?", fragte Sandra Maischberger am späten Mittwochabend. Dabei war sie sich offenbar unsicher, was genau sie erfahren wollte: Wie es um CDU, CSU und SPD steht? Oder was von einer Neuauflage einer Groko politisch zu erwarten ist?

Sicherheitshalber hakte sie in Beamtenmanier alles fein säuberlich hintereinander ab - ein Ansatz, der zusammen mit der viel zu großen Talkrunde für einen Abend zum Abschalten sorgte.

Den Finger auf den Lippen

Es wird ein Geheimnis der Redaktion bleiben, warum sie alle Positionen quasi doppelt besetzt hat: Mit Friedrich Küppersbusch und Claus Strunz teilten sich zwei meinungsstarke Alphamänner mit Hang zur Co-Moderation eine Couch.

Ihnen gegenüber wurde Team Merkel aus der Unternehmerin Stephanie Bschorr und CSU-Frau Dorothee Bär platziert. Der gewohnt bräsige Klaus Wowereit und Oskar Lafontaine auf einer Ein-Mann-Mission komplettierten die Gästeliste.

Auf den Bildschirm hinter Maischberger hatte die Bildredaktion eine Collage von Seehofer, Merkel und Schulz, auf denen sie wohl beschmutzt und abgerissen aussehen sollten – es wirkte wie ein Filmplakat für "Angriff der Politzombies", und genauso erratisch wie der gemeine Untote wackelte auch die Diskussion voran.

Die Gastgeberin wagte gar nicht erst den Versuch einer Gesprächsführung, sie gab Friedrich Küppersbusch lieber eine Steilvorlage und schleuderte die Diskussion damit blindlings in die Bahn: "Machen Sie sich Sorgen um Deutschland?"

Einen Seufzer, ein "Ach Gott" später redete die Runde über dieses und jenes, wonach Küppersbusch und Claus Strunz eben gerade der Sinn stand.

Der Moderator des Kanzlerduells hat offenbar enorme Schwierigkeiten, Menschen ausreden zu lassen, insbesondere Frauen. Stephanie Bschorr, deren Stimme wegen einer Erkältung kurz vor dem Versagen stand, wurde häufiger zum Opfer seines Signature-Moves: Der ausgestreckte Zeigefinger, mittig auf die Lippen gelegt, als signalisiere er angestrengtes Zuhören und Mitdenken.

Dabei bedeutet diese Geste nur eins: Halt endlich die Klappe, ich habe wieder einen genialen Gedanken, ich kann ihn der Welt unmöglich auch nur noch eine Sekunde länger verschweigen.

Wowereits tiefschürfende Analysen

Zur Ehrenrettung des Claus Strunz sei gesagt: Auch andere redeten dazwischen, auch andere redeten nur, worüber sie wollten.

Weil Ex-Linken-Chef Lafontaine wenig Lust verspürte, über Jamaika, Neuwahlen, Horst Seehofer und "den ganzen Zirkus" zu diskutieren, nutzte er die erstbeste Frage, um für ein Regierungsprojekt für die "Verlierer der letzten Jahre" zu werben, zu denen er jene 40 Prozent der Bevölkerung zählt, die im Vergleich zu den 90er Jahren reale Einkommensverluste hinnehmen müssen.

Kein Anliegen, das Claus Strunz einfallen würde, aber prinzipiell stimmte der Moderator zu: Es brauche eine Idee, wo die Regierung das Land hinführen will – Bildungsnation Nummer Eins, Digitalisierungsnation, so etwas. "Stattdessen geht es nur darum, welches Amt Sigmar Gabriel bekommt."

Bei "Maischberger" ging es nicht einmal darum, sondern um die Situation in der SPD. Die hätte man auch in einem Satz zusammenfassen und weitermachen können.

Man kann aber auch den Gott des Larifari befragen, wenn man ihn schon einmal eingeladen hat. Also sprach Klaus Wowereit: "Es ist kein einfacher Job für Martin Schulz, aber er bleibt wahrscheinlich der einzige Kandidat für den Parteivorsitz.

Mit dem Scheitern von Jamaika wurde auf die SPD "Druck aufgebaut, den muss sie [die SPD, Anm.] aber aushalten".

"Hauptsache Ruck!"

Schlummer-Modus allenthalben, auf Maischbergers Frage an Dorothee Bär, ob ein schwacher Partner bei den Koalitionsverhandlungen gut sei, entgegnete die CSU-Frau empört: "Wer soll denn schwach sein?"

Dabei richtete sich die Frage nicht auf die CSU, sondern die SPD, auf die Bär hätte eindreschen können – Chance verpennt.

Bär gab den Genossen aber doch noch einen mit: Unverständlich sei es, dass die SPD sich nach der Bundestagswahl sofort in die Opposition verabschiedete, über den Flurfunk aber wissen lasse, dass sie im Falle des Falles bereit stehe.

Überhaupt ließ die CSU-Frau erstaunlich viel Interna heraus, die allerdings immer unglaubwürdiger wurden: Dass Angela Merkel in den Koalitionsverhandlungen alles andere als wie von Strunz behauptet saft- und kraftlos wirkte, das mag man noch glauben.

Dass in der CSU-Landtagsfraktion in der entscheidenden Sitzung zur Zukunft von Horst Seehofer Harmonie geherrscht haben soll, ist ungefähr so gut vorstellbar wie eine gemeinsame Weihnachtsfeier von FDP und Grünen.

Nachdem endlich auch die Lage der CDU und der CSU besprochen war, kam Maischberger zum, Zitat: "wirklich Interessanten", womit auch die Gastgeberin so ganz nebenbei einräumte, dass sie und die Zuschauer gerade fast eine Stunde mit nicht wirklich interessanten Themen verbracht hatten.

Nicht, dass die folgenden Wortmeldungen dafür entschädigen hätten. Statt über eingangs erwähnte Leuchtturmprojekte wie die Bildung zu debattieren, durfte Lafontaine über die angebliche systematische Benachteiligung seiner Partei durch die Öffentlich-Rechtlichen schimpfen.

Die tragen aus seiner Sicht eine Mitschuld daran, dass nicht mehr die Linken die Partei des "kleinen Mannes" ist, sondern - wie Claus Strunz meint - die AfD.

Und Strunz muss es wissen, der Volksflüsterer - der an diesem Abend fast nie ohne den Hinweis auf "die Leute" auskam, die das alles nicht mehr verstehen - die sich von der Groko nicht vertreten fühlen aber auch "vom Glauben abfallen" würden, wenn doch nochmal über Jamaika geredet würde.

Neuwahlen, das ist die Lösung, darauf hat sich Strunz festgelegt. Die Groko funktioniert ja ohnehin nicht, das hat er dekretiert, auch wenn sich SPD und Union ja nicht das erste Mal mit Magengrummeln zusammenraufen würden.

Und wenn sie doch kommt, wohin wird sie wohl getrieben, fragt Maischberger zum Abschluss. Wofür wird sie stehen? Linksruck, Rechtsruck?

"Hauptsache Ruck", meint Claus Strunz, und was dieses Statement bedeutet, ob es überhaupt irgendetwas bedeutet, das ist dann auch schon egal.

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