An Tag 224 des Ukraine-Kriegs diskutierte Maischberger mit ihren Gästen über den weiteren Fortgang des Konflikts. Ist ein Frieden in Sicht und sind Friedensverhandlungen überhaupt sinnvoll? Wie zu erwarten rasselten CDU-Mann Norbert Röttgen und Linken-Fraktionschefin Amira Mohamed Ali dabei ganz schön aneinander. Eine Aussage der Linkspolitikerin brachte Röttgen besonders auf die Palme.

Eine Kritik
Diese Kritik stellt die Sicht von Marie Illner dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Russland hat in der vergangenen Woche (30. Oktober) die Annexion der vier ukrainischen Gebiete Donzek, Luhansk, Cherson und Saporischschja feierlich im Kreml besiegelt. Putin teilte in seiner Rede in voller Härte gegen den Westen aus und demonstrierte seine Macht – doch gleichzeitig vermeldete die Ukraine wichtige Geländegewinne an der Front.

Mehr aktuelle News

Das ist das Thema bei "Maischberger"

"Sind Friedensverhandlungen sinnvoll?" lautete die Überschrift der Sendung. Tatsächlich diskutierte Maischberger dann aber mit ihren Gästen eher: Worüber soll überhaupt verhandelt werden? Wie kann der Krieg beendet werden? Sollten die Sanktionen aufrechterhalten werden? Und: Wird Russland zu Atomwaffen greifen?

Am Rande ging es außerdem um die Protestwelle im Iran, das Twitter-Statement von Elon Musk sowie die Entlastungspolitik der Bundesregierung.

Das sind die Gäste

  • Amira Mohamed Ali (Linke): "Für mich ist die Frage offen, wie stark Russland wirklich unter Druck steht", sagte die Fraktionsvorsitzende der Linken. Russland habe sein Potenzial noch nicht ausgeschöpft. Wenn Putin stark unter Druck stehe, sei es um so wichtiger, in Friedensverhandlungen zu gehen. "Wir haben noch nie erlebt, dass Waffenlieferungen einen Frieden beschleunigen", meinte Mohamed Ali.
  • Norbert Röttgen (CDU): "Es ist zunehmend eine Schizophrenie, die stattfindet", sagte der Außenpolitiker über Putins Handeln. Der Macht- und Gewaltexzess und die Aggressivität in den Gesichtern im Kreml stünden im kompletten Gegensatz zu der Realität in der Ukraine. "Was dort als Machtübernahme gefeiert wird, wird auf dem Boden gerade verloren", erklärte er. Putin stehe innen- und außenpolitisch so sehr unter Druck wie nie zuvor. Er sei vom Plan, die Ukraine komplett zu erobern, mittlerweile bei dem Ziel angekommen, seine eigene Macht zu erhalten.
  • Gerhard Baum (FDP): Baum berichtete über seine Nachkriegserfahrungen: "Wir haben Entbehrungen hingenommen, wir haben gehungert, wir waren auf der Flucht, wir waren mit dem Tod konfrontiert. Ich will das doch jetzt nicht den jungen Leuten zumuten, sich in unsere Situation zu versetzen. Aber ein bisschen mehr sich anzupassen und den Lebensstil zu ändern, die Erwartungen an Wohlstand zu reduzieren, anders zu leben – das möchte ich doch bitte erwarten", sagte er. Im Winter komme eine Bewährungsprobe unserer Demokratie.
  • Urban Priol: Der Kabarettist gab zu: "Es macht mir Angst, dass es plötzlich in eine Normalität rutscht: Man spricht von taktischen Atomwaffen, als wären das so kleine Kügelchen. Eine Atombombe ist eine Atombombe, ist eine Atombombe, ist eine Atombombe."
  • Mariam Lau: Die politische Korrespondentin von der "Zeit" sagte mit Blick auf den Iran: "Im Iran waren die Sanktionen innenpolitisch nicht besonders erfolgreich. Aber in der Atomfrage, die für die ganze Welt zentral ist, da waren sie schon sehr erfolgreich." Später in der Sendung sagte sie: "Wir leisten uns allerlei Verlogenheiten. Wir importieren Fracking-Gas, wollen es aber nicht selber machen, wir importieren Atomstrom, aber wollen es nicht weiter machen und so weiter." Die deutsche Wirtschaftspolitik habe "weiße Flecken", aus denen man raus müsse.
  • Gregor Peter Schmitz: Der Journalist vom "Stern" sagte: "In gewisser Weise kommen gerade die deutschen Urängste zurück" und nannte Rezession, Inflation, Atomwaffen und "den Russen". In Bezug auf Verhandlungen mit Russland sagte er: "Wenn man sich einmal darauf einlässt, erpresst zu werden, läuft man Gefahr, immer weiter erpresst zu werden". Russland sei durch die Sanktionen allerdings um Jahrzehnte zurückgefallen. "Die Sanktionen wirken und es ist wichtig, sie aufrechtzuerhalten. Man braucht Verhandlungsmasse, wenn man sich irgendwann einmal wieder annähern sollte", sagte er.
Jake Sullivan

USA: Kein Hinweis auf bevorstehenden Atomwaffen-Einsatz

Die USA halten einen russischen Einsatz von Atomwaffen im Ukraine-Krieg für möglich, sehen laut dem Nationalen Sicherheitsberater im Weißen Haus, Jake Sullivan, derzeit aber keine Anzeichen für einen unmittelbar bevorstehenden Angriff dieser Art.

Das ist der Moment des Abends bei "Maischberger"

Einen Aspekt, den man selten in den aktuellen Debatten hört: "Irgendwann wird die Frage gestellt werden, ob unsere Interessen deckungsgleich mit denen der Ukraine sind", sagte Journalist Schmitz. Es gebe in Berlin auch durchaus Misstrauen gegenüber der Ukraine. "Dass man denkt, dass deren Ziele vielleicht zu weitgehend sind, um eine Einigung zu erzielen", erklärte er. "Ich denke, das sind die Fragen, die man sich gerade stellt und nicht, dass man sie in eine Lage versetzt, dass sie einen Verhandlungsfrieden überhaupt erreichen können", fuhr er fort.

Vielleicht wolle die Ukraine zu viel. "Was könnte das sein – zu viel?", wollte Lau wissen. "Naja, dass sie vielleicht etwas expansiv werden", antwortete Schmitz. Es habe in Berlin eine Zurückhaltung gegenüber den Panzerlieferungen gegeben, weil man fürchte, die Ukraine wolle alles zurückerobern oder den Russen eine "so vernichtende Niederlage zufügen wollen, dass man zumindest Bauchschmerzen bekommt in Berlin". Laus Gesichtsausdruck in Reaktion darauf sprach Bände.

Das ist das Rede-Duell des Abends

Es war so gut wie programmiert, dass Mohamed Ali und Röttgen beim Thema Waffenlieferungen aneinander geraten würden. Maischberger hatte die Frage gestellt, ob Waffenlieferungen den Weg zu einem Frieden verlängern würden. "Sie ermöglichen die Chance auf Frieden", sagte Röttgen. Das ultimative Ziel sei, dass der Krieg wieder aus Europa verbannt wird. "Wenn der Krieg bleibt, wenn er sich lohnt, wenn er sich auch nur ein bisschen lohnt, wird er wieder heimisch in Europa werden", warnte Röttgen. Das Militär löse den Krieg nicht, aber es ermögliche eine Lösung.

Mohamed Ali widersprach: "Ich bin nicht der Auffassung, dass die Geländegewinne ein ernsthafter Fortschritt sind und anzeigen, dass Russland diesen Krieg verliert." Das Ziel müsse sein, dass der Krieg schnell endet. "Es ist eine Illusion, dass man Russland auf militärischem Weg besiegen kann", sagte die Linkspolitikerin. Die Idee des Sieg-Friedens würde zu wesentlich mehr Toten führen und sei der falsche Weg. Man müsse hingegen "diplomatische Kanäle" öffnen.

Als Ali dann später nachlegte, die EU blockiere den Willen zu Friedensverhandlungen, wurde Röttgen vehement: "Das ist wirklich völlig absurd und hat überhaupt keine Faktenbasis." Putin führe den Krieg, weil er ihn führen wolle. "Dass er sich von Olaf Scholz jetzt beraten lässt, ob er den Krieg weiterführt oder sonst irgendetwas macht, das ist einfach nicht die Realität."

So hat sich Sandra Maischberger geschlagen

Eine Nuss knackte Maischberger an diesem Abend nicht. Und zwar die Frage an Linkspolitikerin Mohamed Ali, wie genau sie sich Verhandlungen mit Russland vorstellt – gestellt in gleich mehreren Varianten ("Worüber soll verhandelt werden?", "Wie soll das aussehen?", "Was heißt es einen 'diplomatischen Kanal zu öffnen'?"). Wirklich inhaltlich antworten konnte Mohamed Ali darauf allerdings nicht. Vielleicht war aber auch genau das die Erkenntnis.

Das ist das Ergebnis bei "Maischberger"

Am Mittwoch ließen sich gleich zwei wichtige Ergebnisse festhalten: Erstens war der Grundtenor im Studio, dass ein Atomwaffeneinsatz durch Russland zwar möglich, aber derzeit unwahrscheinlich scheint – zu sehr würde Putin sich damit wirtschaftlich, international und sicherheitspolitisch schaden. Zweitens ist der Ruf nach "Friedensverhandlungen" zwar verlockend, aber nicht ausreichend, wenn er nicht mit konkreter Verhandlungsmasse unterfüttert wird.

Mehr aktuelle News finden Sie hier

JTI zertifiziert JTI zertifiziert

"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.