Am Freitag soll die Sterbehilfe im Bundestag neu geregelt werden. Je nach Umfrage ist die Mehrheit der deutschen Bevölkerung zum Teil deutlich für die Erlaubnis der Sterbehilfe. Doch Sterbehilfe ist nicht gleich Sterbehilfe. Darüber diskutierte am Montagabend Frank Plasberg unter dem Titel "Sterbehilfe - von den Bürgern gewollt, vom Staat verboten."

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Die Ausgangslage:

Wenn ein mündiger Mensch bei klarem Verstand den Wunsch hat zu sterben, dann sollte man ihm das ermöglichen. In der Theorie klingt dieser Satz so einfach wie logisch: Der Mensch hat einen freien Willen, und wenn nicht über den eigenen Tod, worüber soll er dann frei entscheiden dürfen?

Doch so klar und einfach ist die Sache dann doch nicht. Was, wenn man nicht aus eigener Kraft Suizid begehen kann? Welche Rolle spielen dabei Ärzte?

Wer, wenn nicht sie können Sterbewilligen ihren letzten Wunsch seriös erfüllen? Aber sind Ärzte nicht eigentlich verpflichtet, Leben zu retten? Was ist mit Vereinen, die diese assistierte Sterbehilfe gegen Geld vermitteln?

Diese und viele andere Fragen spielen an diesem Freitag eine Rolle, wenn im Bundestag zwischen vier Gesetzesentwürfen zur Neuregelung der Sterbehilfe ohne Fraktionszwang abgestimmt werden soll. Frank Plasberg stellte diese Fragen bei "Hart aber fair" schon jetzt.

Wer bei "Hart aber fair" zu Gast war:

Dr. Roger Kusch: Der Vorstand des Vereins "Sterbehilfe Deutschland" vermittelt seit Jahren gegen Geld Sterbehilfe. Jeder Mensch, so Kusch, habe das Recht, sein Leben so zu gestalten, wie er das wolle.

Prof. Dr. Karl Lauterbach, SPD: Der stellvertretende Fraktionsvorsitzende im Bundestag ist der Mann der Sozialdemokraten für gesundheitspolitische Fragen. Lauterbach will mit seinem Gesetzesentwurf Rechtssicherheit, damit Ärzte beim Sterben helfen dürfen, wenn sie sich dazu berufen fühlen.

Dr. Susanne Riha: Die Palliativmedizinerin ist der Ansicht, dass es in der Zwischenzeit so gute Schmerztherapien gibt, dass Sterbehilfe im Grunde überflüssig ist. Für Ärzte, die eigentlich dem Leben verpflichtet sind, sei Sterbehilfe eine Gewissensfrage.

Nikolaus Schneider: Der ehemalige Ratsvorsitzende der evangelischen Kirche in Deutschland will, dass Ärzte grundsätzlich dem Leben verpflichtet sind und dass dies der Staat regelt. Gleichzeitig gehöre jeder Einzelfall in den Vertrauensraum zwischen Arzt und Patient.

Jürgen Domian: Der bekannte Talkmaster will über sein Ende selbst entscheiden: "Ich bin mittlerweile empört, dass wir über eine Selbstverständlichkeit diskutieren."

Kerstin Griese: Die SPD-Abgeordnete sieht in Roger Kuschs Sterbehilfe nur Geschäftemacherei. Ihr Gesetzesentwurf, über den auch am Freitag abgestimmt wird, will die aktuelle Lage beibehalten, aber "geschäftsmäßige Förderung der Selbsttötung" unter Strafe stellen.

Anne Schneider: Die Frau von Nikolaus Schneider ist an Krebs erkrankt und widerspricht ihrem Mann. Ärzte sollten Menschen beim Sterben helfen dürfen. Sie hatte Kraft zum Kämpfen, aber es gebe auch Fälle, wo die Aussicht auf Erfolg fehle und es nicht mehr um Quantität, sondern um Qualität gehe. Dann, so Schneider, "muss ich nicht so lange warten, wie Gott es will."

Fragen, die Frank Plasberg seiner Runde stellte:

Wer darf entscheiden, wenn nicht die Betroffenen selbst? Darf man sich über den Wunsch zu sterben hinwegsetzen? Darf man sterbewilligen, nicht physisch kranken Menschen die Möglichkeit eines Neuanfangs nehmen?

Wie ist die Situation für die Ärzte? Unter welchem Druck stehen sie? Verdienen Ärzte, die beim Sterben assistieren, absoluten Schutz?

Darf sich der Bundestag über die Mehrheitsmeinung seiner Bürger hinwegsetzen? Welche Gefahren gibt es bei einer Erlaubnis der Sterbehilfe?

Was man zum Thema Sterbehilfe wissen sollte:

Es gibt zunächst einmal nicht die Sterbehilfe, sondern verschiedene Nuancen. Aktive Sterbehilfe, also die sogenannte Tötung auf Verlangen, ist in Deutschland verboten.

Passive Sterbehilfe bedeutet den Verzicht auf lebensverlängernde Maßnahmen; sie ist in Deutschland erlaubt.

Unter indirekter Sterbehilfe versteht man die Gabe von starken Schmerzmitteln, die aber mitunter das Leben verkürzen können. Sie ist in Deutschland unter Auflagen erlaubt.

Ein besonders heikler Fall ist die Beihilfe zur Selbsttötung. Sie ist, wie auch der Suizid selbst, in Deutschland bislang straffrei.

Für Ärzte ist die Sache aber nicht so einfach, denn es gibt in den Landesberufsordnungen der einzelnen Landesärztekammern unterschiedliche Regelungen. Ob Ärzte bei der Beihilfe zum Suizid gegen ihre Berufsordnung verstoßen, ist also von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich.

Bei der Diskussion bei Plasberg ging es vor allem um eben jenen assistierten Suizid und ob dieser generell erlaubt werden sollte.

Welche Antworten zum Thema Sterbehilfe bekam der Zuschauer bei Plasberg?

Dass jeder Mensch über sein Leben und seinen Tod selbst bestimmen kann, daran zweifelt im Grunde in der Runde niemand.

Arge Bedenken meldet jedoch Palliativmedizinerin Riha an, dass eine zu liberale Ausgestaltung des assistierten Suizids zu einer Werteverschiebung führen könnte und Menschen wegen Einsamkeit oder der Angst vorm Altern Suizidwünsche haben könnten:

"Niemand darf sich schlecht fühlen, weil er alt ist und Hilfe braucht." Für Riha braucht es vor allem Aufklärung und eine Verbesserung in der Palliativmedizin und bei den Hospizen.

In eine ähnliche Kerbe schlägt Kerstin Griese. Ihr geht es darum, den aktuellen Status beizubehalten, aber vor allem, die Sterbehilfe als Geschäftsmodell zu verbieten, weil sie Sorge hat, dass sich dieses ausweitet. Das widerspreche jedoch dem Wusch der Bürger, meint Domian: "Sie missachten die Mehrheitsmeinung der Deutschen."

Auch Grieses Parteikollege Lauterbach sieht ihren Entwurf kritisch. Er will Ärzten die Beihilfe zum Suizid erlauben und damit die Vorgaben der Ärztekammern aushebeln.

Vereine wie den von Kusch will Lauterbach weiterhin erlauben, auch wenn ihm das, was Kusch macht "nicht sympathisch" sei. Bei Grieses Entwurf sieht Lauterbach vor allem Rechtsunsicherheiten für Ärzte: "Wenn dieses Gesetz so kommt, dann wird das kein Arzt mehr machen. Das ist zu riskant, das würde ich niemandem empfehlen."

Welches Fazit man nach "Hart aber fair" ziehen kann:

Selten wurde ein so wichtiges Thema so leidenschaftlich, aber dennoch seriös und mit Bedacht diskutiert wie gestern bei "Hart aber fair".

Die Probleme, so wurde gestern Abend einmal mehr klar, liegen weniger im "Ja oder Nein", sondern wieder einmal im Detail. Selbst beim Sterben.

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