Auf den ersten Blick hätte das Sendungsthema bei "Hart aber fair" Grundstoff im Kurs Sozialwissenschaften sein können: Populismus. Der Runde um Moderator Frank Plasberg gelang es dann aber doch, ordentlich Musik in die Debatte zu bringen. Der Blick nach Amerika war dabei immer wieder warnender Natur – besonders als es um die politischen Methoden eines republikanischen Gouverneurs ging.

Eine Kritik
Diese Kritik stellt die Sicht von Marie Illner dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Es war eine Schreckensnachricht aus den USA: Der Ehemann der Sprecherin des US-Repräsentantenhaus, Nancy Pelosi, ist bei einem nächtlichen Einbruch mit einem Hammer attackiert worden. Der Angreifer soll geplant haben, Nancy Pelosi zu entführen. Im Verhör sagte der festgenommene Täter, die Demokratische Partei verbreite Lügen und er habe mit Pelosi reden wollen. Sollte sie die "Wahrheit" sagen, würde er sie gehen lassen; sollte sie aber "lügen", habe er ihr die Kniescheiben zertrümmern wollen.

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Eine dramatische Entwicklung in Sachen politischer Feindschaft – und das Thema bei "Hart aber Fair" am Montagabend.

Das ist das Thema bei "Hart aber Fair"

In den USA stehen im November wichtige Zwischenwahlen an. Doch das Land ist politisch tief gespalten. Auch Deutschland blickt über den Atlantik und fragt sich: "Siegen bei den Halbzeitwahlen jetzt die Republikaner und ebnen Donald Trump den Weg zurück ins Weiße Haus?"

Plasberg nutzte die Entwicklungen in den USA als Aufhänger, um mit seinem Studio zu debattieren, ob die Populisten auch in Europa immer stärker werden – befeuert von Krieg und Krisen.

Das sind die Gäste

  • Ingo Zamperoni: Der Moderator der ARD-Tagesthemen sagte: "Die Amerikaner haben schon viele Krisen überstanden, überlebt und durchgemacht und sind daraus gestärkt hervorgegangen. Aber zurzeit ist es wirklich schwierig, da auf einen gemeinsamen Nenner zu kommen". Man habe in Deutschland gehofft, sobald Trump weg sei, werde alles wieder normaler. "Aber Trump war ja nur Symptom dieser Spaltung, dieses Auseinanderdriftens."
  • Norbert Röttgen: "In den USA stehen sich links und rechts in einem Kulturkampf feindlich und zum Teil mit Hass erfüllt gegenüber. Darum muss man sich wirklich Sorgen um die Demokratie in den Usa machen", befand der CDU-Bundestagsabgeordnete. In Deutschland beobachtete er "leichte Entwicklungen, dass Themen zu Identitätsthemen erklärt werden". Über diese Themen könne man dann nicht mehr diskutieren.
  • Aladin El-Mafaalani: Der Soziologe und Professor am Institut für Migrationsforschung und interkulturelle Studien an der Universität Osnabrück meinte: "Populisten stellen alle den Weg in die Vergangenheit als Zukunft dar. Das kann nur attraktiv sein, wenn die Gegenwart voller Krisen und Konflikte ist und die Zukunft eher für Horror steht." In Deutschland habe die AfD ein Problem damit, sich darauf zu einigen, was die "guten alten Zeiten" genau seien. "Wenn kaum mehr Konsens herrscht und auch kein Kompromiss möglich ist, entstehen Parallelwelten", analysierte El-Mafaalani. In dieser Konfrontation könne alles politisiert werden.
  • Susanne Gaschke: "Der Trumpismus kann zu uns herüberschwappen, wenn Politiker und Bürger sich weiter voneinander entfremden", warnte die Journalistin und Autorin der "Neuen Zürcher Zeitung." Ein Problem, das Deutschland in der öffentlichen Debatte habe, sei eine nicht nützliche Moralisierung. Es heiße dann nicht "dein Argument ist schlecht. Sondern du bist ein schlechter Mensch, wenn du dieses Argument sagst", so Gaschke. "Das sehe ich mit großer Sorge", so die Journalistin.
  • Matthew Karnitschnig: Der Europa-Korrespondent des US-amerikanischen Online-Nachrichtenportals "Politico" befand: "Ja, der Populismus ist auf dem Vormarsch, nicht nur in den USA". Das sei keine gute Nachricht für die Demokratie. Karnitschnig zeigte auf: "Es geht um die Frage: Wer sind wir? Wer sind wir als Gesellschaft? Darüber gibt es Uneinigkeit".

Das ist der Moment des Abends bei "Hart aber Fair"

Es war nur ein kurzes Statement von Außenpolitiker Röttgen recht zu Beginn der Sendung, doch er erntete lautstarken Beifall im Studio dafür: Thema war der Ukraine-Krieg und die amerikanische Reaktion darauf. Röttgen erinnerte die Runde und das Studio: "Die USA unter Joe Biden sind jetzt zurückgekehrt als die wichtigste europäische Sicherheitsmacht. Und ohne diese USA sähe es in Europa, wo jetzt wieder Krieg ist, ganz anders aus."

Die Europäer hätten so ein Glück, dass Joe Biden gewählt worden ist. "Eine europäischere Regierung könnte man sich nicht vorstellen – nach Afghanistan", betonte Röttgen. Von Trump sei nicht zu erwarten gewesen, dass er den Europäern zur Hilfe geeilt wäre. "Er hätte vielmehr gesagt: Ihr seid Europäer, wir sind Amerikaner", zeigte Röttgen auf.

Das ist das Rede-Duell des Abends

Die Runde war bei Flüchtlingen als Thema des Populismus gelandet. Plasberg hatte gerade die Aktion des republikanischen Gouverneurs Ron De Santis zur Diskussion gestellt, der Busse voll mit Flüchtlingen nach New York geschickt hatte.

Zamperoni kommentierte: "Diese Methode, Menschen und ihr Schicksal zu manipulieren, geht gar nicht." In Europa sei es aber nicht anders: "Wenn die Griechen und Spanier sagen: Hier kommen die Menschen an und ihr macht euch einen schmalen Fuß in Polen, in Ungarn, in Schweden, in der EU, wo auch immer. Das ist unser aller Problem. Und das ist, was dahintersteckt so ein bisschen". Auf das Rüpelhafte der Methodik würden nicht alle Republikaner stehen, aber auf die Botschaft dahinter schon.

Gaschke stimmte ihm zu: Auch Angela Merkel habe mit "Wir schaffen das" einen Satz sehr leicht gesagt, der schwer umsetzbar gewesen sei. "Das trifft dann Menschen in ihrem Alltag, in der Schule, auf der Straße, bei der Arbeit". Man habe sehr die Gesellschaft mit sich allein gelassen.

Einbrecher verletzt Ehemann von Nancy Pelosi schwer

Der Ehemann der US-Spitzenpolitikerin Nancy Pelosi ist von einem Einbrecher schwer verletzt worden.

Röttgen hörte ruhig zu, intervenierte dann aber vehement: "Der Verlauf unserer kurzen Diskussion ist der Grund dafür, warum Herr De Santis selber sagt, es sei ein Riesenerfolg". Es kämen dann die Diskussionen "ja das ist in der Methode nicht fein, aber irgendwie stimmt es doch ein bisschen". Es handele sich aber um ein zutiefst inhumanes Verhalten, das "0,0 den Menschen hilft, deren Interessen man angibt".

Mit seinem letzten Satz erntete Röttgen dann einen Riesenapplaus: "Wir dürfen in dem Zusammenhang jetzt nicht sagen: Ja, aber es ist auch irgendwas falsch gemacht worden, weil das zur Legitimierung dieser Methoden beiträgt."

So hat sich Frank Plasberg geschlagen

Plasberg moderierte solide. Ein roter Faden lief durch die Sendung. Seine Fragen verblieben jedoch deutlich auf der nüchternen und analytischen Ebene – vielleicht um auf keinen Fall den Anschein zu erwecken, das umzusetzen, worüber man diskutierte – nämlich Populismus?

Plasberg fragte sein Studio beispielsweise, warum Biden die Versöhnung in den USA nicht gelungen sei. Bei manchen Fragen klang er gar, als stelle er einem Soziologie-Seminar eine Aufgabe für die Klausur: "Warum sind Populisten attraktiv?" lautete seine Frage.

Das ist das Ergebnis bei "Hart aber Fair"

Ob es wirklich sinnvoll war, über das Thema Populismus auf der Meta-Ebene und mit Blick auf andere Länder zu diskutieren, blieb bis zum Ende der Sendung offen. Weil Plasberg einen Rundumschlag von USA über Italien bis nach Schweden vornahm, blieb wenig Zeit auf Lösungen zu blicken. Fragen wie: "Wie bringt man eine gespaltene Gesellschaft wieder zusammen?" spielten keine Rolle. Gleichzeitig merkte man, dass mehr Musik in anderen Themen steckte: der Flüchtlings- und Zuwanderungspolitik.

Verwendete Quellen:

  • ARD: "Hart aber Fair" vom 31.10.2022
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