• Während Deutschland noch grundsätzlich über das Für und Wider einer Impfpflicht debattiert, schafft Österreich Tatsachen.
  • Ein Gesetz zu einer Impfpflicht für alle über 18-Jährigen liegt seit Sonntag vor.
  • Was sieht es vor und was könnte Deutschland daraus übernehmen?

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Kanzler Olaf Scholz hatte sich eine Impfpflicht in Deutschland für Anfang März gewünscht. Daraus wird aller Wahrscheinlichkeit nach nichts, die Republik befindet sich noch im Diskussionsprozess. Im Bundestag soll eine Orientierungsdebatte das Für und Wider eines Gesetzes und dessen genaue Ausgestaltung erörtern - Ausgang ungewiss.

Ein Blick über die südlichen Landesgrenzen zeigt, wie es anders gehen kann: In Österreich befindet sich die Einführung einer Impfpflicht bereits auf der Zielgeraden. Die Regierung in Wien hat am Sonntag den entsprechenden Gesetzentwurf vorgelegt. Am Montagabend hat der Entwurf mit breiter Mehrheit den Gesundheitsausschuss des Nationalrates passiert.

"Wir werden wie vorgesehen die Impfpflicht beschließen", sagte Bundeskanzler Karl Nehammer, der die Details des Vorhabens mit Verfassungsministerin Karoline Edtstadler und Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein am Sonntag vor Journalisten in Wien vorstellte. Wir beantworten die wichtigsten Fragen.

Welches Ziel verfolgt Österreich mit der Einführung einer Impfpflicht?

Im Gesetzentwurf festgehalten ist das Ziel, die "Durchimpfungsrate der Bevölkerung" zu steigern. Diese sei trotz der Verfügbarkeit von zentral zugelassenen Impfstoffen insgesamt zu gering. Um den Schutz der öffentlichen Gesundheit für alle Österreicherinnen und Österreicher zu gewährleisten, will die Regierungskoalition aus ÖVP und Grünen eine Impfpflicht gegen COVID-19 vorschreiben.

Österreich hat mit 72 Prozent eine etwas geringere Impfquote als Deutschland. Die Bereitschaft, sich impfen zu lassen, ist seit Wochen nur noch mäßig.

Auf welche verfassungsrechtlichen Grundlagen beruft sich die österreichische Regierung?

Der Gesetzentwurf nimmt Bezug auf die Europäische Menschenrechtskonvention, genauer gesagt auf Artikel 8, der das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens garantiert. Dieses Recht kann laut Auffassung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte durch eine Impfpflicht beschnitten werden, um die Allgemeinheit vor Ansteckungen und schweren Erkrankungen zu schützen.

Die Impfpflicht muss allerdings immer die Verhältnismäßigkeit von gesellschaftlichem Nutzen und Eingriff in die Entscheidung des Einzelnen berücksichtigen. Die Argumentation der Regierung lautet: Trotz einer Impfkampagne wurde nicht die erforderliche Durchimpfung erreicht. Zwar könne man die Bevölkerung auch auf anderem Wege schützen. Doch auch Lockdowns seien mit starken Grundrechtseingriffen verbunden. Impfungen könnten im Vergleich daher das mildere Mittel sein.

Wer fällt unter die Impfpflicht?

Die Impfpflicht soll für Personen ab 18 Jahren gelten. Das Gesetz gilt für alle Menschen mit Wohnsitz in Österreich. Für Jugendliche zwischen 14 und 17 Jahren soll die Impfung freiwillig bleiben. Ursprünglich wollte die Regierung nur Kinder unter 14 Jahren von der Impfpflicht ausnehmen.

Für wen gilt die Impfpflicht nicht?

Ausnahmen von der Impfpflicht soll es für Schwangere und für Menschen geben, die sich aus medizinischen Gründen nicht impfen lassen können. Genesene sollten für 180 Tage ausgenommen sein.

Gibt es eine politische Mehrheit?

Obwohl auch eine einfache Mehrheit gereicht hätte, haben sich die Regierungsparteien ÖVP und Grüne mit der sozialdemokratischen SPÖ und den liberalen Neos auf den Gesetzentwurf geeinigt. Die Annahme der Vorlage gilt daher als gesichert. Das Parlament könnte das Gesetz bereits am Donnerstag beschließen. Lediglich die rechtspopulistische FPÖ lehnt die Impfpflicht strikt ab.

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Ab wann tritt die Impfpflicht in Kraft?

Schon ab 1. Februar 2022 soll die Impfpflicht gelten. An diesem Startzeitpunkt hält die Regierung fest, obwohl die technische Erfassung der Ausnahmen im nationalen Impfregister frühestens ab April möglich sein wird. Bis Mitte März gilt zunächst noch eine Übergangsphase, innerhalb derer alle Haushalte schriftlich über die Maßnahme informiert werden und noch keine Strafen verhängt werden sollen.

Woher kennen die österreichischen Behörden den Impfstatus der Bürgerinnen und Bürger?

Österreich verfügt über ein nationales Impfregister. Dieses müsse nun, so Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein, mit dem zentralen Melderegister und dem epidemiologischen Meldesystem datentechnisch abgeglichen werden. Dass dies kein leichtes Unterfangen ist, darauf weist die Firma ELGA GmbH hin. Die Abkürzung steht für "Elektronische Gesundheitsakte", das Unternehmen hat den öffentlichen Auftrag für den Datenabgleich inne. Vor April könne man keinen Vollzug melden, heißt es von Seiten der ELGA, die entsprechende Software müsse sozusagen noch "geboostert" werden.

Wie wird die Impfpflicht kontrolliert und welche Strafen drohen?

Ab 16. März, also nach der Übergangsphase, gilt die Impfpflicht als sogenanntes "Kontrolldelikt". Wer etwa bei einer Verkehrskontrolle keinen Impfnachweis vorlegen kann, muss mit einer Anzeige und einer Geldstrafe von 600 bis 3.600 Euro rechnen. Die Strafhöhe hängt unter anderem von Einkommen und Vermögen ab. Bei wiederholten Anzeigen steigt zudem das Bußgeld.

Der Gesetzentwurf sieht laut der Nachrichtenagentur APA zudem eine dritte Phase der Impfpflicht in Abhängigkeit von der epidemiologischen Lage vor. Dann würden Ungeimpfte einen Impftermin zugeordnet bekommen. Sollten sie diesen nicht wahrnehmen, würden sie automatisch Strafverfügungen erhalten. Zur Aktivierung dieser dritten Phase bräuchte es eine erneute Zustimmung des Parlaments.

Wie lange wird die Impfpflicht gelten?

Grundsätzlich soll die Impfpflicht bis Anfang 2024 gelten. Sollte sich die Situation etwa durch neue Varianten verändern, könnte sie aber auch schon früher ausgesetzt werden.

Verwendete Quellen:

  • www.parlament.gv.at: COVID-19-Impfpflichtgesetz – COVID-19-IG (164/ME)
  • www.derstandard.de: "Welche rechtlichen Argumente sprechen gegen die Impfpflicht?"
  • www.tagesschau.de: "Impfpflicht in Österreich: Wirklich nur noch "Feinschliff"?"
  • Agenturmaterial von dpa und afp


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